Guernica – da muss wahrscheinlich jeder sofort an das Picasso Bild denken – und an die furchtbare Geschichte dieses Dorfes. 1937 wurde Guernica, oder Gernika, wie es auf Baskisch heißt, von der Legion Condor total zerbombt. Bei dem Luftangriff wurde über 80% des kleinen Städtchens an der Bizkaia komplett zerstört. Unzählige unschuldige Zivilisten, die gerade auf dem Wochenmarkt einkaufen waren, starben im Bombenhagel. Dieses schreckliche Ereignis war der Anlass zu Picassos weltberühmten Gemälde – das übrigens in Madrid im Reina-Sofia-Museum hängt.

guernica wand mit bild von picasso

Jon stammt aus Guernica. Er ist ein waschechter Baske mit einer langen Reihe an baskischen Nachnamen. Auf die ist er stolz, ganz wie in dem Film „Ocho apellidos vascos“, den ich leider noch nicht gesehen habe, aber mir unbedingt bald ansehen will. Jedenfalls will Jon mir heute in Guernica ein ganz besonderes Stück baskischer Geschichte zeigen, den Árbol de Guernica.

Wir parken in der Nähe eines modernen Kulturzentrums. „Das war früher eine Munitionsfabrik“, sagt er. Eines der wenigen Gebäude, die bei dem Luftangriff damals nicht zerstört wurden. Direkt daneben ragt noch ein alter Bunker aus dem Erdboden hervor. Heute malen ein paar Jugendliche ihre Graffitis hier an die Wand. Guernica ist nicht groß. Schnell sind wir auf einem zentralen Platz angelangt, auf dem sich die Einwohner gut gelaunt zu einem Schwätzchen, zum Bier oder Txakoli trinken, treffen. Die Jüngeren düsen mit Skateboards durch die Gegend und die Kleinen spielen fröhlich kreischend Fangen. Alles ganz normal. Nur alte Häuser sieht man hier nirgends. Die Gebäude sind alle, nach und nach, Stein für Stein, nach dem Bürgerkrieg aufgebaut worden. Eine „Altstadt“ gibt es in Guernica nicht. Wir gehen am Rathaus vorbei und kommen zur Kirche. Die ist ziemlich groß für so einen kleinen Ort. Aber das ist im Baskenland oft so. Auch in Lekeitio scheint die Kirche überdimensioniert zu sein.

„Die Kirche und zwei, drei prächtige Paläste, die direkt dahinter liegen, sind die einzigen Gebäude, die nicht zerstört wurden“, erklärt Jon. Er erzählt, dass sein Großvater, damals noch ein Kind, sich in der Kirche versteckte, als die Bomben fielen. Wer irgendwie konnte, suchte dort Schutz.

Dann kommen wir zur Casa de Juntas de Guernica, dem Sitz des Parlaments der Region Bizkaia. Hier steht er, der Arból de Guernica. Ein Baum, der für die Basken Freiheit und Unabhängigkeit symbolisiert. Diese Eiche ist ein nationales Gut, das sie mit aller Macht beschützen.

Baum von Guernica GERNIKAKO ARBOLA

Die Geschichte des Guernica-Baums reicht viele Jahrhunderte zurück. Im Mittelalter war hier der Versammlungsort der baskischen Volksvertreter. Hier mussten sie einen Eid schwören, die Freiheit und Unabhängigkeit der Basken zu achten. Noch heute muss der Lehendakari, der Ministerpräsident der autonomen Region des Baskenlands, bei Amtsantritt nach Guernica kommen und unter der alten Eiche seinen Schwur ablegen.

der alte Baum von Guernica Eiche

Der heutige Gernikako Arbola ist zwar nicht mehr derselbe Baum, unter dem die mittelalterlichen Fürsten ihre Eide ablegten, aber er ist ein Urenkel dieser ersten Eiche. Der erste Gernikako Arbola lebt längst nicht mehr. Sein Nachfolger, der „alte Baum“, ist auch nur noch ein Stumpf. Er hat viele Jahrhunderte überdauert und sogar den Luftangriff im Bürgerkrieg überlebt. Gegen die Angriffe von Francos Falangisten schlossen sich die Bewohner zu einem Ring um ihren Baum zusammen, damit die Faschisten, die fleißig dabei waren alle Symbole historischer Nationen auf spanischem Boden (wie Basken oder Katalanen) zu vernichten, ihn nicht fällen konnten. Schließlich raffte dann aber ein Pilzbefall die stolze Eiche dahin. Aber die Gärtner hatten vorgesorgt und aus den Eicheln Ableger gezogen. An die Stelle des alten, wurde ein neuer Baum gesetzt. Der aktuelle Würdenträger der baskischen Freiheit ist sozusagen der vierte einer altehrwürdigen Dynastie.

Der Komponist Jose Maria Iparragirre hat 1853 ein Lied über den Baum geschrieben. Hier die ersten fünf Strophen:

BAUM VON GUERNICA: GERNIKAKO ARBOLA

Jose Maria Iparragirre Komponist Guernica Statue

1) Gernikako Arbola
da bedeinkatua
euskaldunen artean
guztiz maitatua.
Eman ta zabal zazu
munduan frutua
adoratzen zaitugu
Arbola santua

2) Mila urte inguru da
esaten dutela
Jainkoak jarri zuela
Gernikako Arbola.
Zaude bada zutikan
orain ta denbora
eroritzen bazera
arras galdu gera

3) Ez zera eroriko
Arbola maitea
baldin portatzen bada
Bizkaiko Juntea.
Laurok hartuko degu
zurekin partea
pakian bizi dedin
euskaldun jendea.

4) Betiko bizi dedin
Jaunari eskatzeko
jarri gaitezen danok
laster belauniko.
Eta bihotzetikan
eskatu ezkero
Arbola biziko da
orain eta gero.

5) Arbola botatzia
dutela pentsatu
Euskal Herri guztian
danok badakigu.
Ea bada jendea
denbora orain degu
erori gabetanik
eduki behar degu.
[…]

Deutsche Übersetzung aus Wikipedia: 

1) Gesegnet ist der Baum von Gernika,
geliebt von allen Basken.
Trag und verbreite deine Früchte in der Welt,
wir verehren dich, Heiliger Baum.

2) Rund tausend Jahre, sagt man, ist es her,
dass der Herr den Baum von Gernika pflanzte.
Steh aufrecht heut und alle Zeit,
stürzt du, sind wir verloren.

3) Du wirst nicht stürzen, geliebter Baum,
verhält sich der Rat von Biskaya richtig.
Wir vier Provinzen vereinen uns mit dir,
damit die Basken in Frieden leben.

4) Knien wir alle nieder und bitten den Herrn,
dass der Baum ewig lebe.
Und bitten wir ihn nur von Herzen darum,
wird der Baum leben, jetzt und immer.

5) Sie trachten danach, den Baum zu stürzen,
das wissen wir alle im Baskenland.
Nun, Landsleute, unsre Zeit ist gekommen,
tragen wir Sorge, dass er nicht fällt.

[…]

Haus in guernica

alter bunker in Guernica

Guernica Kulturzentrum

Kirche Guernica

Mitten im Dorf Guernica

Rathaus und Kirche im Hintergrund Guernica

schule guernica

street art Guernica