Heute wartet etwas ganz Besonders auf mich. Eine unterirdische Radtour, aber im wörtlichen Sinne! In einem Vorort von Saumur liegt das Haus Bouvet-Ladubay, einer der größten Schaumweinproduzenten der Region. Hier werde ich gleich eine Fahrradtour unter der Erde machen.

Die vielen unterirdischen Höhlen, die es in der Gegend gibt, wurden früher als Lagerräume für die Weine genutzt. Das habe ich auch schon auf einigen Weingütern gesehen. Heute stehen die acht Kilometer langen Gänge und Tunnel des Sektherstellers allerdings zum größten Teil leer, denn längst hat man modernere und effektivere Lagersysteme entwickelt.

bouvet Ladubay

Am Eingang erwartet mich Gabrielle. Sie drückt mir eine Stirnlampe in die Hand “Die brauchen wir gleich”, sagt sie und lacht. Doch bevor ich mir die Lampe auf die Stirn quetschen muss, gehen wir in eine große Lagerhalle. “Hier wurden früher die Etiketten auf die Flaschen geklebt, von Hand!”, erklärt Gabrielle, während wir über eine Treppe in die obere Etage steigen. Die Halle ist eine nüchterne, funktionelle Konstruktion, trotzdem fällt von oben viel Licht in den großen Raum. Die Konstruktion hat was, diesen Industriecharme, den ich schlecht erklären kann, so ähnlich wie die Kräne im Hamburger Hafen. Der Bau erinnert mich vom Stil her ein wenig an den Eiffelturm. Die Fabrikhalle wurde 1878, also zu einer Zeit errichtet, als Eisen unter den Baufachleuten gerade sehr modern war. Der Zeitgeist der Industrialisierung eben.

Bouvet ladubay loire anjou weine

Jetzt stehen wir in den ehemaligen Büros. Wunderschöne, alte Holzschränke hängen unter der Decke. Sie sind achteckig, haben gefühlte tausend Schubladen und lassen sich in alle Richtungen drehen. “Hier wurden die Etiketten aufbewahrt”, sagt Gabrielle und öffnet für mich eines der vielen Fächer. Es ist voll mit alten Papierschildchen. “Aber warum so viele verschiedene Etiketten?“, frage ich neugierig. Eine der Besonderheiten der ersten Bouvet-Weine waren offenbar die personalisierten Etiketten. Jeder Kunde konnte praktisch sein eigenes Etikett bestellen. Eine zwar aufwendige, aber scheinbar sehr effektive Marketingstrategie.

büro Museum Bouvet Ladubay Anjou Loire

Gabrielle erzählt, dass die Firma von Anfang an Riesenerfolg war. Mitte des neunzehnten Jahrhunderts gegründet, wuchsen die Verkaufszahlen schnell und stetig. Der hier produzierte Schaumwein war um die Jahrhundertwende ein echter Kassenschlager.

Sekt Bouvet Ladubay anjou loire

Aber in den Büros gibt es noch mehr zu bestaunen, als die antiken Schaumweinetiketten. Es sieht aus, als sei der Herr Direktor nur mal eben vor die Tür getreten. Während ich uralte Bücher, Plakate und Lieferscheine bestaune – was die hier alles aufgehoben haben! – berichtet Gabrielle davon, wie es nach dem anfänglichen Höhenflug weiterging. Bis zum Ersten Weltkrieg lief es wunderbar, aber dann ging die Produktion zurück. Krise. Nach dem kometenartigen Aufschwung kam der Absturz. Bouvets Nachfolger konnten die Firma in den schwierigen Kriegszeiten nicht mehr halten. Die Produktion wurde eingestellt und die Türen geschlossen. 1932 übernahm ein gewisser Monsieur Monmousseau jedoch die Fabrik. Er behielt den bekannten Markennamen bei, und so konnten bald wieder die Bouvet-Ladubay Korken springen.

antike Buchhaltung Bouvet Ladubay

Eine unterirdische Radtour:

“Und jetzt gehen wir in den Keller!”, schließt Gabrielle fröhlich unseren Rundgang durch das kleine Museum ab. Wir schnappen uns ein Rad, ich setze meine Stirnlampe auf und folge ihr. Sobald wir in den ersten Tunnel einbiegen, wird es deutlich frischer. Während die Sonne draußen sommerlich vom Himmel scheint, herrschen hier drinnen permanente zwölf Grad Temperatur, im Sommer und im Winter. Eigentlich ist es nicht kalt, aber doch gut, dass ich meine Jacke mitgenommen habe.

Gabrielle kurvt mit mir durch die Höhlen und Tunnel. Sie macht das schon seit fünf Jahren und kennt sich hier unten gut aus. Trotz der Pfeile, die an den Wänden leuchten, würde ich mich alleine wohl verlaufen. Es ist nämlich wirklich stockdunkel. Zum Fotografieren suboptimal, daher müsst ihr jetzt Eure Fantasie ein bisschen mehr anstregen als sonst. Aber für ein verschwommenes Beweisfoto von mir mit schicker Stirnlampe reicht es gerade noch.

Radtour unterirdisch Bouvet Ladubay

Ab und zu halten wir an. Denn auch wenn viele der Kellergänge heute leer stehen, werden einige nach wie vor benutzt. Ein kleiner Gabelstapler fährt an uns vorbei. In einem abgegrenzten Raum stapeln sich Flaschen. Gabrielle erläutert, wie das mit der Flaschengärung funktioniert, wie die Flaschen einzeln und von Hand in einem ganz bestimmten Winkel gedreht wurden. Heute machen das zum großen Teil zwar Maschinen, aber der Prozess ist immer noch derselbe.

schaumweine anjou bouvet ladubay

radtour unterirdisch bouvet-Ladubay

Auch wenn die bulles, Bläschen, wie die Franzosen ihre Schaumweine gern verschmitzt nennen, in Saumur nach exakt derselben Methode hergestellt werden, wie ein paar Kilometer weiter südlich in der Champagne, darf man sie nicht „Champagner“ nennen. Das ist eine regionale und geschützte Bezeichnung und wir sind eben nicht in der Champagne, sondern im Anjou, im Tal der Loire. Mittlerweile darf nicht einmal der Begriff méthode champagnoise, also Champagnermethode, für die traditionelle Flaschengärung benutzt werden. Aber die Anjou Schaumweine sind ja auch etwas ganz Eigenes. Wer braucht da schon Champagner?

verzierungen felsen höhle Bouvet-ladubay

bouvet-ladubay unterirdische radtour figur

radtour unter der Erde kirche Bouvet-ladubay

Dann kommen wir bei unserer unterirdischen Radtour in eine ziemlich große Halle. “Sieht aus wie eine Kirche”, stelle ich fest. An den Wänden sind hübsche Dekorationen zu erkennen, die sicher nicht zum Lagern der Weine nötig sind. Gabrielle leuchtet mit einer größeren Taschenlampe genauer hin. Jetzt kann ich die kleinen Kunstwerke erkennen, die hier in die Felswände gemeißelt sind. Ein Künstler hat das aus dem Stein hervorgeholt, was die Unterwelt mit der Welt dort oben verbindet. Die vielen Hohlräume unter der Erde sind nämlich allein dadurch entstanden, dass die Menschen hier lange Zeit den Tuffstein aus dem Boden gewonnen haben, um damit Klöster und Kirchen zu bauen. Und natürlich das eine oder andere Schloss.

Schließlich geht es wieder nach oben. Die Radtour ist schon zu Ende. Unter der Erde vergeht die Zeit schneller! Aber draußen ist es schön warm. Und es ist hell. Meine Augen brauchen einen Moment, um sich wieder an das Licht zu gewöhnen. Gabrielle hat noch eine Überraschung für mich. Wir gehen kurz über die Straße und stehen in einem wunderschönen kleinen Theatersaal. Bouvet, der Gründer der Firma, hatte nämlich für seine Angestellten, nicht nur Wohnhäuser gebaut, sondern ihnen auch ein Theater errichtet, in dem regelmäßig Aufführungen stattfanden. Nachdem das Gebäude nach dem Tod Bouvets und der Pleite zu Beginn des letzten Jahrhunderts verkauft worden war, wurde das Theater eine Zeit lang als Lager genutzt, dann stand es leer und verkam immer mehr. Vor ein paar Jahren gelang es dem heutigen Firmenschef das Haus zurückzukaufen und es zu restaurieren.

gründer Bouvet
Darf ich vorstellen? Monsieur Bouvet, Gründer der Schaumweinmarke Bouvet-Ladubay

Theater bouvet-Ladubay

Ganz zum Schluss kommen wir zum praktischen Teil, der Verkostung. Nachdem ich nun so viel über die Produktion der Schaumweine gehört habe und tief in die Geschichte der Bouvet-Ladubay eingetaucht bin, bin ich sehr neugierig, wie die bulles denn nun schmecken. Ich probiere zuerst einen Klassiker, den Saphir brut von 2012, 90% Chenin und 10 % Chardonnay. Ein sehr leichter, fruchtiger Schaumwein mit ganz feinen Perlen. Dann koste ich einen Trésor blanc, brut von 2010, 80% Chenin und 20 % Chardonnay. Durch ein Jahr Lagerung in Eichenfässern hat er einen deutlich kräftigeren Geschmack. Richtig lecker!

Bouvet Ladubay Saphir Sekt

Aber es gibt auch noch einen roten Sekt, halbtrocken, und etwas ganz Neues: Bouvet Antarctic-Island, ebenfalls demi-sec, den mir Gabrielle mit Eiswürfeln und Basilikum zu einem kühlen Cocktail mixt.

bouvet ladubay island cocktails

roter sekt demi sec bouet-ladubay

 

Nützliche Infos zum Nachreisen      
Bouvet-Ladubay
Saint-Hilaire-Saint-Florent
49400 Saumur

Website:  www.bouvetladubay.com
Gefunden: ein Artikel in DIE ZEIT über Bouvet-Ladubay

Eintritt:

Einen Teil der Keller und Höhlen kann man auch zu Fuß erkunden; Eintritt 2 Euro für Erwachsene, 1 Euro pro Kind ( über 8 Jahre)

Die unterirdische Radtour muss man vorher reservieren. Kinder dürfen hier aus Sicherheitsgründen ab 14 Jahren mitfahren. Eintritt: 4 Euro pro Erwachsene, 2 Euro pro Kind (ü-14)

Radtour unterirdisch

In einem Nebengebäude der Anlage Bouvet- Ladubay gibt es sogar noch eine kleine Kunstgalerie, in der Ausstellungen moderner und zeitgenössischer Künstler stattfinden, sogar mit Blick auf einen Seitenarm der Loire!

moderne Kunst bouvet-Ladubay

moderne kunst Bouvet Ladubay

Hinweis: Meine Reise entlang der Loire wurde von Atout France unterstützt.Vielen Dank an Gabrielle, für diese unterirdische Radtour! Die hier dargestellte Meinung spiegelt selbstverständlich ausschließlich meine eigenen Ansichten und Erlebnisse wieder.