Jeden Morgen ging Dorothy den kleinen Weg von ihrem Haus am Cap Roig hinunter zum Meer. Cap Roig, rotes Kap, heißt dieser Felsvorsprung an der Küste der Costa Brava. Den Namen haben die Klippen und der botanische Garten dem rötlich schimmernden Gestein zu verdanken.

cap roig botanischer garten

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Die Aussicht von hier oben ist so ziemlich eine der schönsten an der wilden Küste. Weit hinaus aufs Meer und über die Dörfer schweift mein Blick, während ich den Erklärungen unserer Guides lausche. Die berichten gerade von den Piraten, die einst vor den heute im Nebel versinkenden Ameiseninseln geankert und neue Überfälle geplant haben sollen. Denn genau wie heute zog auch früher manchmal ganz plötzlich ein dichter Nebel auf, den sich die Seeräuber gern zunutze machten.

Aber ich bin nicht die Einzige, die sich in dieses Fleckchen Erde verliebt hat. Anfang des letzten Jahrhunderts entdeckte ein fast schon legendäres Pärchen aus London die Costa Brava und legte hier den wunderschönen Garten an. Marta ist eine unserer beiden Guides heute. Sie erzählt uns die Liebesgeschichte, die sich hinter der Entstehung des Botanischen Gartens am Cap Roig verbirgt.

Cap roig

Die Geschichte beginnt im fernen Sankt Petersburg. Der schöne russische Adelige Nikolai Woevodski war ein Verwandter der Zarenfamilie. Als die Revolution ausbrach, musste er mit seiner Frau und zwei Kindern aus Russland fliehen. Er landete in London. Von dort aus machte sich seine Frau mit den Kindern sogleich auf den Weg nach Amerika. Nikolai blieb jedoch in England. Er hatte sich rettungslos in eine schöne und sehr emanzipierte Dame der Londoner Gesellschaft verliebt, Dorothy Webster, eine für damalige Verhältnisse sehr moderne und unabhängige Frau. Nicht nur ihr Mann, sondern auch sie selbst hatte zahlreiche Affairen, über die man in den Londoner Clubs oft und gern klatschte und tratschte.

Doch Dorothy bewegte sich mit Charme und Selbstbewusstsein in den besten Kreisen der englischen Gesellschaft und lernte dort den russischen Aristokraten kennen. Diese beiden schillernden Figuren der Londoner Szene verliebten sich unsterblich ineinander und trennten sich von ihren jeweiligen Partnern. Auf einer Reise 1927 kamen sie zum ersten Mal an die Costa Brava, damals noch ein unberührtes, wildes Fleckchen Natur. Noch bevor Dorothy und Nikolai 1928 heirateten, begannen sie bereits damit, Pläne zu schmieden, um sich hier niederzulassen. Sie wollten für immer mit diesem Stück Erde verbunden sein, hier leben und begraben werden.

cap roig palafrugell

Es war die Zeit der romantischen Landschaftsträumereien, des „Zurück zur Natur“, aber bitte mit Stil. Wer etwas auf sich hielt, legte einen Garten an, möglichst so, dass er noch wild und natürlich aussah, aber mit einem ganz persönlichen, eigenen Stempel versehen. Nachhaltigkeit interessierte damals kaum jemanden in den besseren Kreisen.

Also begann das Paar damit, die Grundstücke rund um das Cap Roig zu kaufen. Genau hier wollten sie ein Schloss bauen. Weit ab von den gesellschaftlichen Verpflichtungen, vom Gerede der Leute, wollten sie die Ruhe und die Natur genießen. Doch Nikolai, der sich vorwiegend um den Bau des Schlosses kümmerte, stieß bald auf Schwierigkeiten. Die Behörden erlaubten ihm nicht, ein echtes altes Schloss abzutragen und hier wieder aufzubauen. Also musste er kurzerhand selbst eines entwerfen. Aus der Idee wurde ein Lebensprojekt.

castell cap roig palafrugell

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Während Nikolai mit dem Bau des Schlosses beschäftigt war, runde und achteckige Türme plante, und bunte Türen im russischen Stil in das Ensemble mischen ließ, vertiefte Dorothy sich in das Anlegen eines botanischen Gartens. Sie war weit in der Welt herumgereist und sammelte Pflanzen aus den verschiedenen Ländern, die sie hier hegte und pflegte.

Während wir über verschlungene Wege durch den Garten schlendern und die Aussicht genießen, erklärt Marc, unser zweiter Guide, der sich mit Botanik bestens auskennt, was da so alles am Wegesrand wächst.

cap roig palafrugell

cap roig palafrugellUngla de gat

Ungla de gat, Katzenkralle, ist eine aus Südafrika stammende Pflanze. Dieses feuchtigkeitsspeichernde Gewächs hat zwar eine unheimlich schöne Blüte, ist aber leider sehr invasiv. Wo sie wächst, verdrängt sie schnell die einheimischen Arten.

Total faziniert bin ich von den ebenfalls aus Südafrika stammenden Duftpelargonien. Die sehen aus wie eine Kreuzung zwischen blütenlosen Geranien und Grünkohl. Erstaunlicherweise riechen diese Pflanzen nach Coca Cola!

geranie botanischer Garten cap roigDuftpelargonien

cap roig palafrugellZypressen 

Eine der Terrassen hat Dorothy die Nonnen-Terrasse genannt. Nicht etwa, weil hier irgendwann einmal Nonnen gelebt hätten, sondern weil die Zypressen, die heute hoch und schlank gewachsen hier stehen, damals noch klein waren und sie an brave Nonnen erinnerten. Zypressen haben im Mittelmeerraum oft einen schlechten Ruf, weil sie scheinbar bis in den Himmel wachsen. Oft gelten sie als daher auch als Symbol von Tod oder Trauer. Aber hier sollen sie von diesem negativen Image wegkommen. Denn die Bäume sind nicht nur gut zum Bootsbau geeignet, sondern auch ein beliebter Schutz gegen die Tramontana, den heftigen Fallwind aus den Pyrenäen, der hier oft sehr heftig bläst.

cap roig palafrugellLa banyera de la russa

An einer Ecke des Gartens führt ein Weg hinunter in eine versteckte Bucht, die Cala d‘en Massoni. Bei den Einheimischen heißt diese kleine Bucht bis heute „la banyera de la russa“, die Badewanne der Russin. Die Leute aus dem Dorf wußten, dass die feine Dame hier jeden Morgen schwimmen ging, und benannten die Bucht nach ihr – obwohl Dorothy ja genau genommen Engländerin war. Dem Geschwätz der Gesellschaft ist sie also auch hier nicht so wirklich entkommen.

cap roig palafrugell

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Nachdem Dorothy und Nikolai ihr Traumschloss endlich fertiggestellt hatten, starb Nikolai 1979. Die beiden haben letztendlich nie hier gelebt. Dorothy wollte nach dem Tod ihres geliebten Mannes auch nicht allein in dem großen Castell wohnen und zog direkt von dem Apartment am Eingangstor des Cap Roig in eine andere Wohnung, in der eigentlich die Arbeiter der Anlage untergebracht werden sollten. In diesem kleinen Teil des Gartens, der ein wenig an eine andalusische Hacienda aus dem Poble Espanyol erinnert, hat Dorothy die letzten Jahre ihres Lebens verbracht, bis auch sie 1984 verstarb.

An der romantischen ins Meer ragenden Spitze des Cap Roig sind die beiden nun für immer begraben. Um ihre Ruhe nicht zu stören, ist der Weg dorthin für Besucher gesperrt.

cap roig palafrugell

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Infos und Tipps zum Cap Roig

Der Name Cap Roig stammt vermutlich von der rötlichen Farbe der Klippen. Der Granit, aus dem der Fels hier vorwiegend besteht, enthält einen hohen Anteil an rötlichem Feldspat, wodurch auch diese rote Farbe der Felsen entsteht.

cap roig palafrugell

Jardin Botanic Cap Roig
Paraje de Cap Roig
17210 Calella de Palafrugell/ Girona
Eintritt: 4 Euro für Erwachsene

Mehr Infos über den Botanischen Garten findest Du auf patrimoni.gencat.cat oder, da Cap Roig heute der Fundaciò de La Caixa gehört, unter obrasociallacaixa.org

Im Sommer findet hier jedes Jahr das Cap Roig Festival statt, über das ich vor ein paar Jahren geschrieben habe: Kleiner Festival Guide für die Costa Brava.

Cap Roig Festival Costa Brava

Wie kommt man hin?

Koordinaten: 41.877210, 3.177428

Zu Fuß über den Camí de Ronda, mit dem Auto oder dem Bus. Ich habe den Bus, der übrigens nach einem bunten Fischlein benannt ist, und Julivia heißt, von Palafrugell bis zum Botanischen Garten genommen. Zurück ging es dann über den Camí de Ronda durch die ruhigen Buchten bis zum Hotel Sant Roca.

julivia

Julivia Bus:
Seit einiger Zeit gibt es in Palafrugell einen Bus, der die einzelnen Buchten miteinander verbindet. Das ist super praktisch, vor allen Dingen, wenn man aus Barcelona mit dem Bus kommt oder wenn man wie ich oft, im Sommer versucht einen Parkplatz in der Nähe des Strandes zu finden. Jetzt kann ich auf dem Camí de Rondes zum Beispiel von Calella bis nach Llafranc oder Tamariu laufen, dort ins Wasser springen und dann zurück den Bus nehmen! So muss ich dieselbe Strecke nicht zweimal laufen.

Ein Tagesticket für Erwachsene kostet 5 Euro, für Kinder zwischen 4 und 12 Jahren 2,50 Euro. Man kann damit den ganzen Tag lang so oft hin und herfahren, wie man will. Das Ticket für drei Tage kostet 12 Euro (beziehungsweise 5 Euro für Kinder).

Derzeit gibt es ein neues Projekt, dass die Route der Busse auch noch per Boot erweitert, so dass man an Land hin und auf dem Wasser zurückfahren kann, wenn man will. Das muss ich auch noch unbedingt ausprobieren!

Noch mehr Links – Dorothy Webster und das Cap Roig:

Dorothy Muriel Webster – una vida – molta passio
Dorothy_Muriel_Webster

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Zu der Führung durch den botanischen Garten wurde ich von Palafrugell eingeladen. Meine Meinung bleibt natürlich wie immer meine eigene.