Während des Zweiten Weltkrieges mussten viele Menschen aus Europa fliehen. Einer von ihnen war der in Wien geborene Schriftsteller Stefan Zweig. Nach einer langen Odyssee, via New York und Buenos Aires, landete er schließlich in Petrópolis. Es war sein letztes Zuhause.

Das Haus steht an einem Hang. Umgeben ist es von einem stufenartigen Garten, durch den eine steile Treppe nach oben führt. Auf einer Terrasse ist ein überdimensioniertes Schachspiel aufgebaut. Brav stehen die schwarzen und weißen Figuren aufgereiht. Hier, in diesem Haus, hat Zweig sein letztes Buch “Schachnovelle“ geschrieben, das von einer Schachpartie zweier Gegner handelt, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Während auf der äußeren, ersten Erzählebene von den Erlebnissen einer Schiffsreise berichtet wird, geht es auf einer tieferen, inneren Ebene, um Leid und Grausamkeiten, die die Gegner der Nationalsozialisten erleiden. Das Buch ist trotz der unschönen Entwicklung der Geschichte unglaublich gut erzählt. Als ich es vor Jahren gelesen habe, hat es mich jedenfalls tief beeindruckt, daran erinnere ich mich. Aber mehr Bücher kenne ich leider auch nicht von ihm.

Casa Museum Stefan Zweig Petropolis

Tafel Casa Museum Stefan Zweig Petropolis

Casa Stefan Zweig – das Museum:

Diese letzte Bleibe Zweigs in Petrópolis wurde erst vor ein paar Jahren zu einem Museum umgewandelt. Freunde und Bewunderer des österreichischen Schriftstellers sammelten Geld, um das Gebäude zu kaufen und zu restaurieren.

Die Leiterin des Museums begrüßt mich freundlich mit den Worten “Sie kennen ja sicher das gesamte Werk Zweigs” Mein Herz rutscht kurzfristig eine Etage tiefer. “Die Schachnovelle habe ich gelesen”, antworte ich wahrheitsgemäß und suche gleichzeitig in den Archiven meines Hirns unter “Schullektüre” und “Zweig”. Vergeblich. Keine Erzählung, kein weiteres Werk, an das ich mich erinnern würde. Aber zum Glück hakt sie nicht nach. Ich nehme mir fest vor, dieses Defizit zu Hause sofort zu beseitigen und mir die entsprechende Lektüre umgehend zu besorgen. (*)

WErke Casa Museum Stefan Zweig Petropolis

 Casa Museum Stefan Zweig Petropolis Vorhang
Dann erklärt sie mir das Museum. Man habe hier absichtlich versucht, trotz der Trauer und des Leids, die untrennbar mit Zweigs Geschichte verwoben sind, die Schwere aus der Thematik zu nehmen. Und so wehen hier leichte, fast durchsichtige Stofftücher im Wind. Sie zeigen Fotos der Einwanderer, die aus Europa fliehen mussten und sich bis hierher, nach Brasilien retten konnten.

Viele dieser Menschen spielten später eine wichtige Rolle in der Entwicklung des Landes. Ein Touchscreen mit einem extra entwickelten Programm, der ganze Stolz der Direktorin, listet die Namen der Geretteten auf, zeigt an, woher sie kamen und wie positiv bedeutsam jede dieser Personen für Brasilien war. Einige gründeten Theater oder wurden Schauspieler, andere waren berühmte Forscher oder Politiker. Die Namen deutschen, italienischen, polnischen oder gar japanischen Ursprungs ziehen sich durch sämtliche Kreise der Gesellschaft.

ausstellung Casa Museum Stefan Zweig Petropolis
Casa Museum Stefan Zweig Petropolis Video Erklaerung

Ich sehe mich alleine etwas in dem kleinen Häuschen um. Ich gehe auf die Terrasse, wo Stefan Zweig wohl oft gesessen haben muss. Ich sehe, was er damals sah. Jedenfalls so ungefähr. Die wilde Natur, ein paar Häuser weiter unten und eine kleine Bar an der Ecke. Dort befand sich damals ein Café, das Zweig oft besuchte.

Aussicht Casa Museum Stefan Zweig Petropolis

Casa Museum Stefan Zweig Petropolis Schachspiel

Haeuser Casa Museum Stefan Zweig Petropolis

Der Türknauf mit rosa Blümchen ist noch original aus der Zeit, in der der Autor hier mit seiner Frau lebte. Wie oft mag er dieses zarte, kleine Ding in Rosa und Weiß wohl berührt haben?

Tuerknauf Casa Museum Stefan Zweig Petropolis

Zweig liebte Brasilien und schätze die Gastfreundschaft der Menschen hier sehr. Trotz der Ruhe und Abgeschiedenheit der Serra Verde, die er anfangs so sehr mochte, fehlte ihm letztendlich der Kontakt zu Freunden, ein gesellschaftliches Leben, wie er es früher geführt hatte. Die Muße und Zurückgezogenheit, die er mit seiner Frau Lotte hier erlebte, bedrückten ihn am Ende doch. Hinzu kam die Trauer um das untergehende Europa. Das Wissen, dass die Welt nie wieder so sein würde, wie er sie kannte und liebte. Letztendlich verfiel er in eine schwere Depression. Gemeinsam mit seiner Frau nahm sich Stefan Zweig 1942 in Petrópolis das Leben.

In dem ehemaligen Schlafzimmer des Paares ist der Abschiedsbrief auf Deutsch und Portugiesisch an der Wand zu lesen. Es sind traurig-schöne Worte, die mich bewegen, auch wenn das jetzt kitschig klingen mag.

Ehe ich aus freiem Willen und mit klaren Sinnen aus dem Leben scheide, drängt es mich eine letzte Pflicht zu erfüllen: diesem wundervollen Lande Brasilien innig zu danken, das mir und meiner Arbeit so gute und gastliche Rast gegeben. Mit jedem Tage habe ich dies Land mehr lieben gelernt und nirgends hätte ich mir mein Leben lieber vom Grunde aus neu aufgebaut, nachdem die Welt meiner eigenen Sprache für mich untergegangen ist und meine geistige Heimat Europa sich selber vernichtet.

Aber nach dem sechzigsten Jahre bedürfte es besonderer Kräfte um noch einmal völlig neu zu beginnen. Und die meinen sind durch die langen Jahre heimatlosen Wanderns erschöpft. So halte ich es für besser, rechtzeitig und in aufrechter Haltung ein Leben abzuschliessen, dem geistige Arbeit immer die lauterste Freude und persönliche Freiheit das höchste Gut dieser Erde gewesen.

Ich grüsse alle meine Freunde! Mögen sie die Morgenröte noch sehen nach der langen Nacht! Ich, allzu Ungeduldiger, gehe ihnen voraus.

Abschied Casa Museum Stefan Zweig Petropolis

Nützliche Infos zur Casa Stefan Zweig:

R. Gonçalves Dias, 34
Valparaíso
Petrópolis – RJ, 20050-971
Website:  www.casastefanzweig.com.br

Casa Museum Stefan Zweig Petropolis gedenken

(*) Zurzeit lese ich gerade die Sternstunden – sehr zu empfehlen! Ein besonders lieber Gruß an Claudi, die mir den Besuch der Casa Stefan Zweig vor der Reise ans Herz gelegt hat. Danke für den Tipp!

Hinweis: Vielen Dank an TurisRio und besonders an Miriam und May-Lin, die mich durch Petropolis geführt haben. Der Flug nach Rio wurde von Condor unterstützt. Die hier dargestellte Meinung ist davon unberührt und spiegelt ausschließlich meine eigene Ansicht wider.