Mein sechsjähriger Neffe ist über das Wochenende bei uns. Natürlich müssen wir dann unbedingt einen Ausflug machen, am besten irgendwas in der Natur. Onkel Michi hat auch gleich eine gute Idee: „Wir fahren zum cim d’aligues!“ Der cim d’aligues, auf Deutsch: Gipfel der Adler, ist eine Art Rettungsstation für Raubvögel, oben in den Bergen hinter Barcelona. Dort werden die verschiedensten Raubvögel, die in der Natur nicht mehr allein überleben könnten, wieder aufgepäppelt. Der Schwerpunkt des Parks liegt jedoch in der Aufklärung und Sensibilisierung für diese wunderschönen Tiere. Wir ziehen uns warme Jacken an, denn dort oben ist es jetzt im Januar ziemlich frisch, und fahren los.

Zum Glück ist es um diese Jahreszeit nicht sehr voll. Im Sommer verbringen viele Familien oder ganze Schulklassen den Tag hier oben und picknicken an den dafür bereit stehenden Bänken und Tischen, aber heute sind nur wenige Besucher unterwegs.

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In den großen Volieren entdecken wir auch gleich die ersten Vögel. Die Geier hocken kritisch dreinblickend auf dem Felsen. Zwei Milane drehen fliegend ihre Runden und landen dann wieder. Weiter hinten hören wir einen Guide rufen. Gleich wird er uns seine Tiere vorstellen. Aus allen Ecken des Parks kommen die Leute näher. Außer uns sind noch zwei Familien mit Kindern und ein älteres Ehepaar gekommen, um die Geier, Adler, Bussarde und Eulen zu bestaunen.

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Als wir uns alle vor den Käfigen versammelt haben, zeigt der Guide, woran wir die verschiedenen Vögel erkennen können. Er erklärt die Form des Schnabels, die Art und die Anzahl der Schwanzfedern und zeigt uns die mächtigen Krallen. Christian lauscht gespannt, macht aber vorsichtshalber einen Schritt nach hinten, als der Vogelwächter mit einem Bussard auf dem Arm näherkommt. „Die können uns aber nichts tun, oder?“, flüstert mir mein Neffe ganz leise ins Ohr. Er hat offenbar ziemlichen Respekt vor dem großen Vogel. Von Weitem sehen sie alle auch viel kleiner aus, wenn sie da oben am Himmel schweben. „Natürlich tun die Vögel uns nichts“, beruhige ich ihn. Die haben sogar Angst vor uns. Deswegen dürfen wir auch nicht so nah ran gehen.

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Während die Kinder – und wir Erwachsenen – mit großen Augen ganz genau zuhören, erfahren wir, dass einige Vögel lieber nachts ihre Beute suchen, weil sie mit ihren superguten Ohren in der Stille besser jagen können. Wir lernen auch, dass bei den Adlern und den meisten anderen Raubvögeln die Weibchen immer größer sind als die Männchen. Das hat die Natur so eingerichtet, weil die Vogelmamas in der Brutzeit die Eier beschützen müssen.

Obwohl das alles wirklich spannend ist, wird mir bald echt kalt. Ich schnappe mir eine von Michis Mützen. Zum Glück hat er einen ganzen Rucksack voll warmer Schals und nützlicher Dinge eingepackt, der alte Pfadfinder. Es ist mir auch total egal, wie das jetzt aussieht.

Nach einer halben Stunde haben wir schon eine ganze Menge gelernt. Als Christian gerade losrennen will, weil er einen Spielplatz entdeckt hat, ruft der Guide „Jetzt wird geflogen!“ Christian bremst sofort ab und kommt zu mir zurückgerannt: „Fliegen die Adler jetzt in echt?“ Offenbar ja, denn trotz des Windes, sehe ich, wie die Pfleger sich schon auf die freie Fläche am Ende der Parks zubewegen. Eine Pflegerin versteckt Futter unter kleinen Steinen, die sie auf der Wiese auslegt, eine andere schaltet eine leise, sanfte Musik ein, die plötzlich aus irgendwelchen Boxen klingt.

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Schnell suchen wir uns einen freien Platz auf der Tribüne. Die Flugwiese liegt wirklich direkt am Hang des Bergs, auf dem wir uns befinden. Vor uns erstrecken sich die Täler und Hügel der Umgebung. Eine wunderbare Aussicht – und ein echt kalter Wind! Zu dritt setzen uns vor einen dicken Baum, der uns hoffentlich vor dem kalten Wind schützt. Ganz aufgeregt entdeckt Christian auch schon die erste Eule, die von hinten angeflogen kommt. Dicht über unseren Köpfen hinweg segelt sie total lautlos von einem Tierpfleger zum anderen. „Die haben Futter in der Hand!“ Das hat mein kluger Neffe natürlich sofort gesehen. Klar, die Vögel haben Hunger und fliegen dahin, wo es etwas zu essen gibt. Raubvögel fressen Fleisch und damit locken die Pfleger die Eulen, Adler und Bussarde. Mit Tomaten würde das wohl nicht funktionieren.

Die Adler, Geier, Eulen und Milane dürfen nur dann fliegen, wenn sie noch nicht gefüttert worden sind. Sonst würde vielleicht einer von ihnen auf die Idee kommen und einen kleinen Spazierflug in die Wälder zu machen. Natürlich haben alle Vögel einen Chip, mit dem die Tierpfleger sie jederzeit orten können, aber es wäre für manche Vögel einfach noch zu gefährlich in der freien Wildbahn, denn auch für diese Raubvögel lauern überall Gefahren.

Einige der Tiere, die hier im cim d’aligues leben, stehen auf der Liste der bedrohten Arten. Viel zu lange haben wir Menschen die Vögel gejagt und ihren Lebensraum immer mehr eingeschränkt. Hier oben in den Bergen werden sie darum gehegt und gepflegt.

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Nachdem die Eulen völlig lautlos ihre Beute gefunden haben, kommen nach und nach die anderen Vögel angeflogen. Der majestätisch aussehende Adler mit dem weißen Kopf ist ein Weißkopfseeadler. Das ist aber auch der Einzige, den ich sofort erkenne. Während jeweils zwei der Vogelwärter die Tiere locken und füttern, erklärt eine andere zu den sanften Klängen der Musik, wer oder was da gerade über und vor uns fliegt. Wir sind total beeindruckt und Christian klettert ganz aufgeregt auf meinen Schoss. Zusammengekuschelt ist es gleich viel wärmer.

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Die typische platt erscheinende Gesichtsform der Eulen und Uhus, oder wie bei dem Bartkautz gut zu sehen, nennt man übrigens Gesichtsschleier. Diese Federn helfen den Tieren, noch besser zu hören. Denn diese ungewöhnliche Anordnung der Federn funktioniert wie ein Schalltrichter, der die Geräusche besser zum Ohr transportiert.

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Falken, Bussarde und Adler zeigen uns ihre Flugkünste. Manche müssen allerdings ganz schön mit dem Wind kämpfen. Aber ihr Futter kriegen sie natürlich am Ende doch alle.

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Für die Rabengeier, das sind die mit dem schwarzen Kopf, haben die Pfleger sogar extra eine Wildschweinatrappe ausgelegt, in der sie die Fleischstückchen verstecken. Schon kommen die Aasfresser angehopst. Als ein Gänsegeier in seinem watschelnden Gang ganz dicht vor uns sein Futter sucht, rutscht Christian noch einmal dichter an mich heran. Völlig fasziniert kann er die Augen gar nicht von dem riesengroßen Vogel lassen. Natürlich hat der Vogelflüsterer den Geier im Blick und passt gut auf. Auf den Vogel und auf uns auch.

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Zum Abschluss der Flug-Fütterung kommen sechsundzwanzig Milane gleichzeitig angeflogen. Ein richtiges Ballett vollführen sie da am Himmel. Schnell wie der Wind picken sie ihre Beute vom Boden auf, fischen sie aus dem Wasser oder fangen sie sogar in der Luft.

Als die Flugshow zuende ist, müssen wir uns aufwärmen. In dem kleinen Café gibt es Kaffee, Tee und warmen Kakao. Auf die Plätze fertig los!

Infos zum Cim d‘Aligues, dem Gipfel der Adler

Zu den Raubvögeln zählen übrigens die Eulen, die Falken und die Greifvögel (zu denen wiederum die Habichtartigen, die Neuweltgeier, der Fischadler und der Sekretär gehören). Die ganze Vogelwelt ist schon sehr kompliziert. Falls Du wie ich, nicht so ganz sicher bist, wo der Unterschied zwischen einer Eule, einem Uhu und einem Kauz ist, findest Du hier eine Gute Erklärung: eulenzoo.de Eine detaillierte Einteilung der Greifvögel findest Du hier: www.bionetworx.de

Cim d’aligues
Paratge del Pi Solitari
08182 Sant Feliu de Codines
Barcelona
Website: cimdaligues.com

Anfahrt zum Cim d’aligues:
mit dem Bus von Barcelona (202 Sagales)
oder mit dem Auto:
GPS Daten: Camí del Peror de Planes – 08182 Sant Feliu de Codines
Koordinaten:  41º41’42,53″  2º10’23,21″

Eintritt:
Erwachsene 12 Euro
Kinder von 3-15 Jahren 9 Euro

Öffnungzeiten:
Sa/So von 12 bis 18 Uhr, Di-Fr von 10 – 16 Uhr
tägliche Führung um 12.30 Uhr, anschließend Flug um 13 Uhr
an den Wochenenden auch nachmittags:
Flug um 16 Uhr, Führung um 16.45 Uhr

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Das was bei Eulen oder Uhus manchmal wie Ohren aussieht, sind natürlich keine. Auf dem Foto kann man ziemlich gut erkennen, dass das, was wie Ohren aussieht, abstehende Federn sind. Hast Du gewußt, dass die Ohrschlitze der Eulen nicht symmetrisch, sondern versetzt angebracht sind? Ein Ohr sitzt immer höher als das andere, damit sie Geräusche noch besser orten können.

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