Friedhof Montjuïc – Espai Memories:

Auf dem Friedhof des Montjuïc gibt es viele Kunstwerke und eine einmalige Aussicht zu bestaunen. Was mich aber am meisten beeindruckt hat, sind die Fußabdrücke der Geschichte, die man hier auf fast jedem Meter finden kann.

friedhof

Im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert, als Barcelona noch von der engen Stadtmauer eingezwängt wurde und man gerade erst damit begann die Friedhöfe außerhalb des Zentrums einzurichten, war für viele Bürger ein Grab noch wesentlich mehr als nur die letzte Ruhestätte. Auch auf dem Friedhof musste man zeigen, dass man es im Leben zu etwas gebracht hatte. Aufwendige Pantheons und Grabmäler wurden in Auftrag gegeben. Jedenfalls von denen, die sich so etwas leisten konnten.

engel flehender Friedhofskunst Barcelona Pantheon BuhigasFriedhof Montjuïc -Pantheon Buhigas

Indianos reiche grabstätten Friedhof MontjuïcPantheon August Urrutia i Roldán

Wer weniger gut betucht war, normale Arbeiter zu Beispiel, hatte da keine große Wahl – sie landeten oft in einem anonymen Massengrab. Davon gab es auf jedem Friedhof mindestens eins. Auf dem Friedhof Montjuïc gab es mehrere dieser Fossars. Etwas abseits vom regulären Cementiri mit seinen traurig-schönen Engeln gelegen, befand sich früher am Fuße eines Steinbruchs die Fossar de la Pedrera. Noch in den siebziger Jahren standen hier lediglich ein paar vereinzelte Kreuze auf der grünen Wiese, die an die vielen Toten erinnerten.

Fossa Friedhof Montjuïc Barcelona Massengrab

Genau hier wurden viele der Widerstandskämpfer „beerdigt“, die während des Bürgerkriegs erbittert gegen die Franco-Truppen gekämpft hatten. Auch nach dem Ende des Bürgerkriegs forderte die Diktatur zahllose Opfer, die meist ohne Prozess, erschossen und hierher gebracht wurden. Erst 1985 wurde die Anlage im hintersten Winkel des Friedhofs schließlich zu einer neuen, schönen Anlage umgebaut und eine Art Gedenkstätte für die vielen tapferen Helden errichtet.

Adrià, der mich schon auf dem Friedhof Poblenou begleitet hatte, beeindruckt mich auch hier auf dem Montjuïc wieder mit vielen Geschichten zu Barcelonas bewegter Vergangenheit.

espai memories montjuic Barcelona

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Viele der Opfer sind namentlich bekannt, viele auch nicht. Der Eingang in diese parkähnliche Anlage führt durch einen kleinen Wald aus grauen Säulen. Auf jeder dieser Säulen sind die Namen der vom Franco Regime Getöteten, die hier im Massengrab beigesetzt wurden, zu lesen.

Ein besonderes Grabmal ist Lluís Companys gewidmet. Es wirkt fast wie eine Insel in einem kleinen Teich. Seerosenblätter schwimmen auf dem stillen Wasser und die Sonne scheint friedlich vom Himmel. Lluís Companys war 1932 bis 33 der erste Präsident des Parlament de Catalunya und von 1933 bis 1934 Präsident der katalanischen Generalitat. Er war ein Kämpfer für die Autonomie Kataloniens (innerhalb des spanischen Königreichs) und zählt bis heute zu den wichtigsten Figuren der Geschichte Kataloniens. Aber Companys war nicht nur Katalane, sondern auch Republikaner. Der Widerstand gegen Franco kostete ihn schließlich das Leben. Während des Spanischen Bürgerkriegs floh Companys, wie die gesamte Regierung der Zweiten Republik, nach Frankreich, das jedoch bald von den deutschen Nationalsozialisten besetzt wurde.

Lluis Companys

Die Gestapo lieferte dann auch prompt alle Mitglieder der spanischen Exilregierung, der sie habhaft werden konnte, an Franco aus. Als Marineminister zählte auch Companys zu denjenigen, die zurückgebracht wurden. In Barcelona wurde er gefoltert und zum Tode verurteilt. Auf dem Castell de Montjuïc fand seine Hinrichtung statt. Dem Volksmund nach bat Companys noch darum, barfuß erschossen zu werden, damit seine Füße wenigstens den katalanischen Boden berührten.

Auch den gefallenen und ermordeten Brigadisten ist hier ein Gedenkstein gewidmet. Freiwillige Kämpfer kamen aus der ganzen Welt und kämpften im Spanischen Bürgerkrieg auf der Seite der Republikaner, um zu verhindern, dass sich der Faschismus in Europa ausbreitete. Auch berühmte Persönlichkeiten wie Ernest Hemingway oder George Orwell gehörten dazu. Während die beiden Schriftsteller die Kriegswirren überlebten, landeten die sterblichen Überreste vieler ihrer Mitstreiter jedoch in diesem Massengrab auf dem Montjuïc.

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IN MEMORIAM holocaust Friedhof Montjuïc Barcelona Massengrab

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Nicht nur den Widerstandskämpfern ist im Espai de les Memòries gedacht worden. Da es unter den Opfern des Holocaust auch viele Spanier und Katalanen gab, ist ihnen und all den Tausenden Opfern hier ebenfalls eine kleine Gedenkstätte errichtet worden. Die meisten der Bürgerkriegsflüchtlinge, die es bis nach Frankreich geschafft hatten und sich in Sicherheit vor den Verfolgern Francos fühlten, mussten bald schon erkennen, dass sie sich bitter geirrt hatten. In Frankreich hielt man die spanischen Flüchtlinge in provisorischen Lagern*, direkt am Strand gefangen. Die Bedingungen dort waren einfach nur grausam. Als Republikaner und Feinde des Faschismus wurden viele der Geflohenen von dort aus direkt in die deutschen Konzentrationslager abtransportiert.

Friedhof Montjuïc Barcelona Massengrab Anarchisten Denkmal

Über eine Treppe führt mich Adrià zu einem weiteren Denkmal. Es ist den Anarchisten gewidmet. Gibt es irgendwo sonst auf der Welt ein Denkmal für Anarchisten? In Barcelona wollte man der wichtigen Rolle, die sie im Kampf gegen Franco gespielt hatten auf jeden Fall ein Zeichen setzen.

Monumente  – Friedhofskunst:

Neben diesem Teil des Friedhofs, der mich echt tief beeindruckt hat, wirken die monumentalen Pantheons und Grabstätten der reichen Bürger auf dem Hauptfriedhof fast inhaltsleer – und das, obwohl sie über und über mit Symbolen und wunderschönen Skulpturen bestückt sind.

BArcelona Batllo Friedhof Montjuïc

Friedhof Montjuïc Pyramide pilar soler vda serra

Das erste Pantheon, das Adrià mir zeigt, ist das der Familie Batlló. Obwohl die berühmte Casa Batlló am Passeig de Gràcia von Gaudí ist, war ihr Lieblingsarchitekt ein anderer, nämlich Josep Vilaseca i Casanovas, den sie auch mit dem Pantheon auf dem Montjuïc beauftragt haben. Das monumentale Familiengrab wirkt ziemlich ägyptisch. Das war damals offenbar gerade groß in Mode. Jedenfalls bei den Reichen. Ein anderes Pantheon ist sogar direkt in Form einer Pyramide errichtet worden!

Domènech i Montaner, einer der großen Modernisten Barcelonas, hat sich eigentlich nicht sonderlich für Friedhofskunst interessiert. Nur ein einziges Werk hat er je für einen Friedhof gemacht, und das ist eine Nische hier auf dem Cementiri del Montjuïc.

Friedhof Montjuïc Barcelona Friedhofskunst Domenech i Muntaner

Als der Schokoladenbaron Amatller starb, kaufte seine Tochter Teresa gleich drei Parzellen, um für ihren Vater das größte Pantheon auf dem Montjuïc bauen zu lassen. Auch sie selbst ist hier später beigesetzt worden.

Pantheon Familia Amatller Cementiri Montjuic Barcelona

An einem der luxuriösen Familiengräber im Zentrum des Friedhofs macht mich Adriâ auf einen Teil der Dekoration aufmerksam, der hier merkwürdig fehl am Platz wirkt: eine Bombe.

Friedhof Barcelona Montjuic Grabmal Bomba Orsini Liceu Attentat
Als Santiago Salvador 1893 zwei Orsini Bomben in die Menge des vollbesetzten Opernhauses warf, starben dabei vor allem reiche und angesehene Bürger. Das war wohl auch die Absicht des aus Aragon stammenden Attentäters gewesen. Er wollte mit seiner Tat ein Zeichen gegen die herrschende Bourgeoisie setzen und das elegante Liceu galt damals als einer der wichtigsten Treffpunkte der Reichen und Schönen Barcelonas. Um ihrer Trauer und ihrem Unmut angesichts dieses Attentats bleibenden Ausdruck zu verleihen, ließ eine der reichen und angesehenen Familie eben eine solche Orsini Bombe an der Fassade ihres Pantheons abbilden.

Ein Denkmal fällt mir besonders auf. Keine traurig-schönen Engel zieren das Grab, sondern drei Kinder. Einer Familie starben alle drei Kinder kurz nacheinander, zwei Jungen und ein kleines Mädchen. Alle drei Kinder erlagen verschiedenen Krankheiten oder Epidemien.

Friedhof Montjuïc Kinder familie maucci

Die Kindersterblichkeit in Barcelona lag noch zu Beginn des letzten Jahrhunderts bei fast fünfzig Prozent! In den engen, dunklen Gassen Barcelonas fanden Krankheiten und Seuchen einfach und schnell leichte Opfer. Selbst unter den Reichen lag die Rate der Kindersterblichkeit bei dreißig Prozent. Um den unerträglichen Zuständen in der Stadt ein Ende zu machen, wurde es allerhöchste Zeit, die verhasste Stadtmauer endlich einzureißen.

Am spanischen Königshof hatte man sich jedoch stets dagegen gewehrt, den Katalanen eine Erweiterung ihrer Hauptstadt zu genehmigen. Barcelona galt als ein Nest der Rebellen und Aufständischen, das man streng im Zaum halten und gut kontrollieren musste. Erst einem Finanzbeamten aus Madrid gelang es, den König zu überzeugen, sodass Ildefons Cerdà 1860 endlich die Genehmigung für seinen bereits fertigen Entwurf der Eixemple erhielt. Die Stadterweiterung war nun beschlossene Sache. Die Mauern fielen und Barcelona konnte wachsen. Helle, saubere Straßen und viel Platz für alle Einwohner – davon träumten damals jedenfalls alle im industriellen Barcelona. Aus Dank errichteten die Bürger diesem Steuerbeamten, der so viel für sie erreicht hatte, ein Denkmal hier auf dem Friedhof Montjuïc

Finanzbeamter Friedhof Montjuïc Barcelona

Aber es waren bewegte Zeiten. Am 26. Juli 1909 kam es zu einer Reihe tragischer Ereignisse in Barcelona, an die man sich bis heute als Setmana Tràgica erinnert. Aufgrund einer Zwangsrekrutierung der Bevölkerung kam es zu einer Revolte. Mittels Losverfahren sollten die Reservisten in einen Krieg nach Marokko ziehen, um die letzten Einflussbereiche der spanischen Krone – nach dem Verlust der Kolonien wie Philippinen und Kuba – zu sichern. Der König brauchte Kanonenfutter für die Kämpfe im Norden Afrikas. Unter den Eingezogenen waren viele Familienväter, denen die Kriege des Königs auf anderen Kontinenten ziemlich egal waren. Wenn der Ernährer einer Familie für längere Zeit ausfiel oder gar niemals zurückkehrte, bedeutete das noch mehr Elend für die ohnehin schon bitterarmen Familien. Während sich die Reichen freikaufen konnten, hatten die Armen keine Wahl und mussten in den Kampf ziehen.

flehender Engel

In dem ohnehin turbulenten Barcelona kam es zum Generalstreik, der Vandalismus und dem Errichten von Straßenbarrikaden ausuferte. Die Ordnungshüter weigerten sich, ihre Befehle auszuführen und brutal gegen die aufständischen Einwohner, oft Freunde und Nachbarn, vorzugehen. Militär aus anderen Städten musste anrücken, um auf die Rebellen zu schießen und der Revolte ein blutiges Ende zu setzen.

Nach dieser „Tragischen Woche“ brauchten die Autoritäten einen Sündenbock, jemanden dem sie die Verantwortung für die dramatischen Ereignisse zuschieben konnten. So ein frei denkender Kopf wie Francesc Ferrer i Guarida kam ihnen da gerade recht. Dem Begründer der Modernen Schule, der mit vielen neuen Ideen für die Bildung des Volkes, zum Beispiel für eine strikte Trennung von Schule und Religion eingetreten war, warf man vor, mit seinen revolutionären Ideen das Volk aufgerührt zu haben. Francesc Ferrer i Guardia hatte weder zum Aufstand noch zu Gewalttaten aufgerufen. Aber er war ein Freidenker. Das reichte aus, um verurteilt zu werden. Er wurde erschossen. Vergeblich hatte der Dichter Joan Maragall noch versucht, gegen die Vollstreckung zu protestieren. Selbst im Ausland herrschte Aufregung über diese Maßnahmen in Barcelona. Anatole France und andere Intellektuelle füllten die internationale Presse mit ihren Protestartikeln. Als schließlich sogar spanische Botschaften angegriffen wurden, musste der erst dreiundzwanzig Jahre alte König Alfons XIII einlenken und die brutale Regierung Antonio Maura absetzen.

Friedhof Montjuïc Barcelona Friedhofskunst Kreuz

Auch Bonaventura Durruti, ein wichtiger Anführer der Anarchisten, Doctor Robert, ein angesehener Arzt und Politiker, Santiago Rusiñol, einer der modernistischen Maler, enger Freund von Ramon Casas und Utrillo, und noch viele andere Dichter und Denker, Künstler und Persönlichkeiten aus der bewegten Geschichte der Stadt ruhen hier.

friedhof Montjuïc Barcelona Engel grab
Friedhof Montjuic Doctor Robert BarcelonaFriedhof Montjuïc – Grab Doctor Robert

Friedhof Montjuïc Engel Friedhofskunst

Friedhof Montjuïc Familie RusiñolFriedhof Montjuïc – Familiengrab Rusiñol (ohne Santiago Rusiñol, den Künstler, der liegt woanders)

memento home Panteon Vial i Solsona Friedhof Montjuïc BarcelonaPreisgekrönte Sepultura – Friedhof Montjuïc – Memento Homo

Pantheon Alomar i Estrany Bildhauer Josep Llimona Engel Friedhof Montjuic BarcelonaFriedhof Montjuïc – Bildhauer Josep Llimona – Pantheon Alomar i Estrany 

Pantheon Campassol Borrell engel von Josep Llimona Friedhof MontjuïcFriedhof Montjuïc – Bildhauer Josep Llimona -Pantheon Campassol/Borrell Mont

pinselnder Engel Friedhof Montjuïc arcelonaFriedhof Montjuïc -Panteon Carbó – Bildhauer Eusebi Arnau

Todesengel Sepultura Nicolau Juncosa Friedhof MontjuïcFriedhof Montjuïc – Sepultura Nicolau Juncosa – Bildhauer Antoni Pujol
Diese sehr realistische Skulptur des Politkers und Geschäftsmannes mit dem Todesengel erregte seiner Zeit viel Kritik.   

familie rusiñol

tragischer Engel Montjuic Friedhof Barcelona Friedhofskunst

Es gibt noch so viel zu berichten, über all die Menschen, über Barcelonas Vergangenheit. Sogar eine Karossensammlung gibt es auf dem Montjuïc. Aber davon und von den „lustigen Witwen“ erzähle ich lieber in einem extra Artikel.

Ausblick Hafen Friedhof Montjuic Barcelona

 Nützliche Infos:

* Sehr empfehlenswertes Buch (auf Katalanisch): La Maternitat d’Elna – Cuna de los exiliados/  Assumpta Montellà  2006  

Die geführten Touren über den Friedhof finden jeden Samstag und Sonntag auf Spanisch und Katalanisch statt. Und das Beste ist – diese Sonntagsspaziergänge sind gratis!

Adresse Friedhof

Cementiri Montjuïc
c/ Mare de Déu de Port, 56-58
08038 Barcelona
Website: www.cbsa.cat
Anfahrt: Mit dem Bus 21 ab Metrostation Paral.lel (wochentags) oder 107 (feiertags)