Lola Veloso ist der Star einer Kinderbuchreihe von Isabel Abedi. Irgendwie habe ich mich als kleines Mädchen mit Lola identifiziert. Ich war praktisch selbst Lola: Eine kleine Hamburger Deern, mit strubbeligen Haaren, einem “exotischen” Vater und auch mein Name fängt mit L an.

Warum ich das erzähle? Eigentlich wäre das nicht so wichtig, wenn es nicht der entscheidende Grund wäre, der mich schließlich nach Brasilien geführt hat. Unbewusst. Auch wenn ich viele Jahre lang nicht mehr an Lola gedacht habe und die Bücher fast vergessen hatte, wusste ich doch immer: Ich muss nach Brasilien. Das ging natürlich nicht, als ich erst dreizehn oder vierzehn Jahre alt war. Als ich aber endlich mein Abitur gemacht hatte, dauerte es nicht mehr lange, bis ich mein Flugticket in der Hand hatte. Erste Station meiner Reise sollte Salvador da Bahia sein.

Mein Sprachkurs in Salvador de Bahia

In Salvador de Bahia mache ich einen Sprachkurs. Vier Wochen habe ich Zeit, mich in diese Sprache einzuleben, bevor die Reise weiter in den Süden geht. Der Februar ist eine gute Zeit, um in Salvador an einem Sprachkurs teilzunehmen. Viele Schüler aus aller Welt kommen dann hierher, um den weltbekannten Karneval mitzuerleben und gleichzeitig Portugiesisch zu lernen. Je mehr Schüler, umso mehr Möglichkeiten gibt es nämlich, verschiedene Aktivitäten mit der Schule zu unternehmen (denn wenn es nicht genug Leute gibt, können manche Aktivitäten leider ausfallen).

In den vier Wochen, die ich in Salvador de Bahia war, habe ich ganz viele verschiedene Sachen ausprobieren können: Tanzunterricht mit Capoeira, Forrò, Pagode, Samba, eine Aula de Gastronomia, in der wir gelernt haben, Moqueca de Peixe, Farofa, und Caipirinha zuzubereiten, und jede Menge Ausflüge zu nahe gelegenen Inseln, in die Altstadt, ins Theater, etc. Und natürlich haben wir auch an einem Karneval Bloco teilgenommen! Wenn sich genug Teilnehmer finden, kann man sogar selbst etwas vorschlagen, und die Schule kümmert sich dann um die Organisation.

Salvador de Bahia kochkurs

  Salvador de Bahia insel vor der stadt
Die Sprachschule befindet sich in Barra, einem sehr netten Viertel mit einer langen Strandpromenade – dort ist immer etwas los. Meine beiden Lehrerinnen sind sehr locker und gut drauf. Beide legen viel Wert darauf, dass wir uns von Anfang an trauen, selbst zu sprechen. Auch die Stimmung im Unterricht ist immer sehr spontan und witzig.

Für die Dauer des Sprachkurses wohne ich bei einer Gastfamilie. Ich habe viel Glück mit meiner total lieben Gastmutter, denn ich bin bei einer echten brasilianischen Hausfrau, die mich für ein kleines Extrageld auch noch bekocht (total preiswert und sehr lecker). Außerdem hat ihr Nachbar einen kleinen Affen als Haustier, den ich für ein Foto auch mal auf den Arm nehmen darf.

Salvador de Bahia Affe

Mein einziges „Problem“ während der gesamten Reise ist, meine Wäsche zu waschen. In vielen Haushalten wird bloß kalt gewaschen, und die Klamotten zur Wäscherei zu bringen ist ein wenig teuer, denn anscheinend bringen die Brasilianer dort nur besondere Roben für ganz besondere Anlässe hin. Aber wenn man darauf eingestellt ist, dass man hier eben nicht zu Hause ist, und manche Dinge eben ein wenig anders sind, dann ist das auch nicht weiter dramatisch.

Salvador de Bahia und Iemanjá

Salvador da Bahia wird nicht ohne Grund das “Afrika außerhalb von Afrika” genannt. Während man in europäischen Großstädten als Tourist meist einigermaßen in der Menge untertauchen kann, wenn man nicht gerade auffällig mit Socken in Sandalen und einer riesigen Kamera in den Händen herumläuft, ist es in Salvador de Bahia fast unmöglich, sich unauffällig unters Volk zu mischen. Mit meiner weißen Haut bin ich hier schon von Weitem sofort als Tourist zu erkennen, denn in Salvador leben die meisten afrobrasilianischen Einwohner in ganz Brasilien.

Salvador de Bahia war die erste Hauptstadt Brasiliens. Darauf sind die Einwohner hier sehr stolz. Vor langer Zeit wurden so viele Sklaven aus Afrika hierher verschleppt, dass sich ihre Kultur bis heute erhalten hat, wenn auch mit ein paar Anpassungen. Ein Beispiel dafür ist die Religion Candomblé: Um heimlich ihrem alten Glauben treu bleiben zu können, stellten viele Schwarze ihre afrikanischen Gottheiten (orixás) einfach als Weiße dar. Das heißt, aus der Iemanjá wurde zum Beispiel einfach eine Art Jungfrau Maria. So kam es, dass in ein und derselben Kirche Candoblé Gläubige und koloniale Christen gleichzeitig verschiedene Götter verehrten.

Am 2. Februar ist der Dia da Iemanjá. Der Legende nach fanden Fischer die heilige Jungfrau des Nachts in einer Bucht vor Salvador de Bahia und brachten sie mit an Land. Doch die Jungfrau wurde traurig, weil sie nicht im Meer sein konnte, und begann damit alle Fischerboote zu versenken. Also ließen die Fischer sie wieder frei. Seit die Iemanjà zurück im Meer ist, bringen die Menschen ihr Opfergaben, damit sie zufrieden ist, und keine Fischerboote mehr untergehen lässt.

Die Feiern zu diesem besonderen Tag fangen schon in den frühen Morgenstunden an. Viele Touristen sehen zu, wenn die Candomblé Baianas in dieser ganz bestimmten Bucht Blumen ins Meer werfen. Das brasilianische Fernsehen berichtet jedes Jahr von diesem Fest, direkt aus Salvador. Am Abend wird dann vor allem im Viertel Rio Vermelho bis spät in die Nacht hinein gefeiert. Einer Freundin aus der Sprachschule fällt genau an diesem Tag, an dem die Baianas ihre Iemanjà feiern, das Smartphone ins Meer. Zum Glück ist sie jedoch nicht abergläubisch und fischt es einfach wieder aus dem Wasser.

Baianas, Acarajé, Olodum und ein Fahrstuhl in der Stadt

In ganz Salvador findet man überall am Straßenrand die mit den typischen, weißen und sehr breiten Röcken bekleideten Baianas, die dort Acarajé verkaufen. Acarajé ist ein frittiertes Bohnenbrötchen, mit Garnelen gefüllt. Auch der Verkauf dieser Brötchen ist mit der Candomblé Religion verbunden, erzählt mir die Sprachlehrerin. Denn die Acarajés müssen zu einer bestimmten Zeit gebacken und verkauft werden. Zu ganz bestimmten Stunden ist es nämlich sozusagen verboten diese Brötchen zu verkaufen, weil sie dann den Göttern geopfert werden müssen.

Salvador de Bahia altstadt
Salvador de Bahia bunte haueser
Gleich am ersten Tag in Salvador de Bahia führt uns ein Guide der Sprachschule durch die Altstadt, den Pelourinho. Der Name stammt von dem Schandpfahl ab, an dem früher die Sklaven ausgepeitscht wurden. Das ganze Viertel sieht aus, wie eine große Palette, auf der ein Maler seine Farben mischt: Jedes Haus ist in einer anderen knallbunten Farbe gestrichen. Und dann gibt es noch so viele Kirchen, ganz nah beieinander, jede in einem anderen Stil gebaut, eine ist sogar innen vergoldet.

Salvador de Bahia Pelorinho Kreuz

In einer der vielen Gassen übt gerade der Afro-bloco Olodum für den Karneval. Man findet ganz leicht dorthin, wenn man einfach dem Rhythmus der Trommeln folgt. Der Guide erzählt uns: Salvador ist besonders. Salvador hat einen ganz eigenen Rhythmus und ganz eigene Farben. Und das stimmt. Nicht nur wegen der Gebäude. Auch die Menschen sind hier viel bunter. Nicht nur ihre Kleidung, sondern alles ist irgendwie bunt. Überall gibt es Bilder und Stoffe in den verschiedensten Farben, die zusammen eben dieses besondere, farbenfrohe Ambiente ausmachen. In Salvador ist die ganze Kultur einfach leuchtend und vielfarbig. Selbst die Musik kommt mir irgendwie bunt vor.

Salvador de Bahia karneval baianas afrobloco

Und auch das mit dem ganz eigenen Rhythmus stimmt. Sowohl der Tagesrhythmus als auch der musikalische Rhythmus sind hier anders. Während das Getrommel und die Tänze schneller, flinker und leichtfüßiger sind als anderswo, geht es an der Kasse, beim Bestellen oder beim Warten auf den Bus dafür umso langsamer zu. Der Verkehr hat einen Rhythmus, an den ich mich erst einmal gewöhnen muss. Um eine Straße zu überqueren, muss ich hier quasi vor ein Auto springen und hoffen, dass es mich nicht überfahren wird.

Salvador de Bahia elevador

Und dann gibt es noch den Elevador Lacerda an der Praça da Sé. Die Fahrt kostet 0.15 Reais (nicht mal fünf Cent in Euro umgerechnet). Dieser Fahrstuhl verbindet die Cidade Alta, wo sich der Pelourinho befindet, mit der Cidade Baixa, unten am Hafen. Als ich von oben runter blicke, sehe ich viele fast verfallene, alte Gebäude. Der Guide meint “Hier muss immer erst etwas komplett kaputt gehen, bis jemand reagiert”. Unten angekommen essen wir Eis, das hier lustigerweise in Plastikbechern serviert wird.

Diese Sehnsucht nach Brasilien, die seit Lola Veloso in mir steckt, und die mich nach Salvador de Bahia geführt hat, wurde nicht enttäuscht. Der Nordosten Brasiliens ist genau diese traumhafte Mischung aus „irgendwie exotisch“ und typisch lateinamerikanisch. Aber eben so ganz anders und eigen. Statt Vögel und Laubbäumen finde ich hier Affen und Palmen zwischen den alten Häusern, die für sich allein genommen eigentlich so auch irgendwo in Europa stehen könnten. Aber hier in Salvador de Bahia wirken sie aus dem Kontext gerissen, gleichzeitig klassisch aber auch exotisch, arm aber auch reich, hässlich und alt aber auch wunderschön und voller Charme. Ein Gefühl, wie sonst nirgends auf der Welt.

Vom Karneval und den anderen Stationen meiner Reise schreibe ich demnächst und erzähle dann noch mehr aus Brasilien.

Salvador de Bahia insel itaparica

Infos zum Portugiesisch lernen in Salvador de Bahia:

Den Besuch einer Sprachschule am Anfang einer Reise durch das Land kann ich nur empfehlen. Die Leute, die hier Portugiesisch lernen wollen, kommen weil sie eben mehr suchen, als das übliche Sightseeing Programm. In einem Sprachkurs lernt man ja nicht nur die Sprache selbst, sondern erfährt auch ganz viel über die Kultur. Wie sind die Menschen hier drauf? Warum feiern sie die Feste, die sie feiern? Woher kommen die alten Bräuche? Man erlebt viel mehr, taucht ein wenig in den Alltag ein, und lernt wunderbare Menschen kennen.

Diálogo Brasil
Rua Doutor João Pondé, 240
Barra, Salvador – BA, 40140-810
Website  www.dialogo-brazilstudy.com 

Text und Fotos: Lina