Da steht ein Kamel auf dem Flur! Langsam wundert mich hier gar nichts mehr. Als Eva sagte, sie wolle mir ein Spielzeugmuseum zeigen, dachte ich an ein typisches kleines Museum, in dem niedliches altes Spielzeug ausgestellt wird. Das gibt es hier natürlich auch. Und sogar in Mengen. Aber Tomàs hat diesen kleinen Laden in Sant Feliu de Guíxols in eine richtige Institution verwandelt, in ein Paradies für Kinder.

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Ganze Schulkassen kommen in den kleinen Laden, um sich von Tomàs durch das Museum führen zu lassen. Das Spielzeugmuseum ist bei allen wichtigen Ereignissen im Dorf dabei und spielt im kulturellen Leben von Sant Feliu eine bedeutende Rolle. An Weihnachten zum Beispiel warten die Kinder hier auf die Heiligen Drei Könige. Sie dürfen ihre Briefe an die Heiligen Männer hier abgeben und basteln bunte Fackeln für den großen Umzug. Der Sommer beginnt in Sant Feliu erst dann, wenn Tomàs die Schaukelpferde vor die Tür stellt. Das ist hier so etwas wie eine Tradition zur Sommereröffnung.

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Seit Tomàs die beiden alten Häuser vor fast zwanzig Jahren renovierte und zum Museu de la Joguina umbaute, ist der kleinen Laden ein zentraler Teil des kulturellen Lebens von Sant Feliu. Tomàs erzählt, dass es anfangs mit dem Umbau gar nicht so einfach war. Einerseits sollte ja die umfangreiche Spielzeugsammlung hier hineinpassen, andererseits wollte er auch so viel wie möglich von dem alten, modernistischen Bauwerk erhalten. Denn das Gebäude an sich ist schon ein echtes Schätzchen.

Einige Teile des Museums sind sogar noch älter. Ein alter Brunnen und Mauern aus dem vierzehnten Jahrhundert kommen an manchen Stellen zum Vorschein. Doch der überwiegende Eindruck, den man hier spürt, ist der verspielte katalanische Jungendstil vom Ende des neunzehnten Jahrhunderts. Besonders die Fliesen und Kacheln der Fußböden faszinieren mich! Jedes Zimmer hat ein eigenes Muster, eines ist sogar von Puig i Cadafalch entworfen, sagt Thomas, und eines mit Drachen, das mir besonders gut gefällt, sei sogar noch älter.

drachen fliesen spielzeugmuseum sant feliu de guixolsSiehst Du die vielen Drachen? 

Angefangen hat alles mit der Eisenbahn. Tomàs sammelte zunächst nur alte Eisenbahnen, doch bald schon häuften sich auch andere wunderschöne Spielsachen in seinen Regalen. Alte Puppenhäuser, Geschirr aus echtem Porzellan, Blechautos, Karusselle, Tischspiele, Kasperletheater und Schaukelpferde. Hier gibt es wirklich alles!

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Unten im Erdgeschoss hat Tomàs eine kleine Cafeteria eingerichtet, die man von der Straße auf der Rückseite des Haus erreicht. Jetzt im Februar ist die Decke mit einer durchsichtigen Platte bedeckt, doch im Sommer wird aus dem Wintergarten eine offene Terrasse. In einer Ecke der Cafeteria versteckt sich ein ganz besonderes Stück der Sammlung: ein riesengroßer Drache!

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Tomàs erzählt, dass der Drache früher in Barcelona auf dem Montjuïc gestanden habe. Dort gab es einen kleinen Vergnügungspark mit einer Geisterstraße, der Calle del Terror. Die Anlage muss sich weit oben auf dem Berg befunden haben, ungefähr dort, wo das Denkmal der Sardana steht. Als der kleine Freizeitpark geschlossen wurde, wollte Tomàs so viel wie möglich retten und kaufte kurzerhand einige Teile, wie den Drachen oder das Kassenhäuschen, um in seinem Spielzeugmuseum ein eigenes Gruselkabinett aufzubauen.

„Nun musst du aber auch reingehen“, ermuntert er mich, einen Blick hinter den dunklen Vorhang zu werfen. Ich vermute ein Schaufenster mit gruselig verkleideten Puppen, doch weit gefehlt. Ich betrete einen komplett abgedunkelten Raum. Nur schemenhaft kann ich ein paar Kisten und Fächer, wie auf einem Friedhof, vor mir erkennen. Plötzlich knallt direkt neben mir ein Sargdeckel laut krachend zu Boden. Ich zucke zusammen und Tomàs lacht sich hinter mir ins Fäustchen. Er hat mich reingelegt! Ich muss mitlachen, während ich mich nun viel vorsichtiger, vorwärts taste. Überall gibt es Türen, Fächer und Dinge, die sich bewegen.

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Als ich um eine dunkle Ecke biege, befinde ich mich plötzlich in einem winzigen Raum, der nur aus Türen zu bestehen scheint. Tapfer versuche ich den Ausgang zu finden und öffne die erste Tür. Eine Wand. Hinter der zweiten Tür steht ein Regal mit Einmachgläsern, in denen Gehirne, Augen und kleine Tiere schwimmen. Schnell schließe ich die Tür und öffne die nächste. Spinnweben, ein Vampir, lauter gruslige Dinge erscheinen, bis ich endlich die richtige Tür finde. Als ich erleichtert um die nächste Ecke biege, entfährt mir ein Schrei. Tomàs ist mir entgegengekommen und hat einfach nur „Buh“ gerufen. Schon wieder hat er mich erschreckt! Keine Ahnung, wo er so schnell hergekommen ist. Wir kugeln uns beide vor Lachen wie die Kinder. Dieses Gruselkabinett ist so niedlich und liebevoll gemacht – es funktioniert prima!

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Aber Spielzeuge sind noch so viel mehr als ein lustiger Zeitvertreib für Kinder (und manche Erwachsene). All diese Dinge, die die Jahrzehnte und teilweise schon ein Jahrhundert überdauert haben, geben einen intimen Einblick in die Gesellschaft ihrer Zeit. Die Kinder wiederholen in ihrem Spiel, was sie bei den Erwachsenen im Alltag sehen. Mit der Auswahl der Spielzeuge wollen Eltern die Jungen und Mädchen auf ihre spätere Rolle im Leben vorbereiten. Also kriegten die Mädchen Puppen, die Jungen Werkzeug, Autos oder Soldaten.

In Katalonien wurde übrigens ein Bauernhof früher immer an den ältesten Sohn vererbt, den Hereu. Für die zweit- und drittgeborenen Söhne suchte man dann Posten beim Militär oder in der Kirche. Den Jungen, die ins Kloster gehen und Priester werden sollten, schenkten die Eltern dann schon mal so spannendes Spielzeug wie Heiligenbilder, Kerzenständer, einen Altar oder eine Miniaturbibel.

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Stundenlang könnte Tomàs uns noch Geschichten erzählen und uns durch die vielen geheimen Gänge und Verstecke im Haus führen. Doch ich muss mich leider verabschieden und wieder ganz erwachsen werden.

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Eva und ich machen uns auf den Weg zum Kloster, dem Monestir de Sant Feliu de Guíxols. Während wir durch das alte Zentrum des kleinen Dorfs an der Costa Brava gehen, kommen wir an vielen schönen Gebäuden ganz unterschiedlicher Architekturstile vorbei. Die Casa Maruny, die Casa Lloret oder das Edifici de la Caixa stammen aus der Zeit der letzten Jahrhundertwende und gehören zum Modernisme und Noucentisme. Aber auch ein paar Gassen mit mittelalterlichen Häusern, den Resten eines jüdischen Viertels, sind noch erhalten geblieben.

Die Fassade der Casa La Campana erinnert mich total an mittelalterliche Märchen. Ich sehe Aschenputtel und ihre böse Stiefmutter dort auf dem Balkon stehen. Das arme Aschenputtel noch ganz schmutzig vom vielen Arbeiten, fegt den Balkon, während die Stiefmutter mal wieder schimpft. So ähnlich könnte das doch gewesen sein. Oder vermutlich habe ich als Kind einfach zu viele tschechische Märchenfilme gesehen.

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Oben auf der Casa Patxot, etwas versteckt hinter der schönen Sonnenuhr, zeigt Eva mir einen achteckigen Turm, in dem sich früher ein Observatorium befunden haben soll. Wir werfen einen Blick in die frisch renovierte Markthalle, in der die Marktfrauen schon dabei sind, ihre Ware einzupacken und die Stände zu putzen. Dann stehen wir vor dem Casino la Constancia. Leuchtend gelb wie ein Kanarienvogel ragt das ehemalige Kulturzentrum an der Strandpromenade in den blauen Himmel. Ein stolzer Prachtbau, der die Blicke der Passanten auf sich zieht. Eine Diva, die sich ihrer in die Jahre gekommenen Schönheit durchaus bewusst ist. Stolz mischen sich hier maurische und katalanische Bauelemente zu einem ganz eigenen Stil .

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Vorbei am alten Krankenhaus gehen wir weiter Richtung Kloster. Früher befand sich nämlich außerhalb der Stadtmauer ein bedeutendes Kloster, das heute ein kleines Museum und während der Sommermonate auch Ausstellungen der Kunstsammlung Thyssen beherbergt. Jetzt im Winter finden im Espai Thyssen zwar keine Ausstellungen statt, aber das Museum ist das ganze Jahr über geöffnet.

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Die Klosteranlage war sozusagen die Wiege des Dorfes. Nachdem sich die Mönche hier niedergelassen hatten, siedelten sich immer mehr und mehr Menschen vor den Toren des Klosters an. So entstand Sant Feliu de Guíxols. Das Monestir de Sant Feliu war im Stil einer mittelalterlichen Burg, imposant und mächtig gebaut. Hinter den Klostermauern sollten die Bewohner in Sicherheit sein. Zum Schutz vor Angreifern hatte die äußere Mauer insgesamt acht Türme. Von dort oben konnte man das Meer beobachten und die Menschen rechtzeitig vor herannahender Gefahr warnen. Die Mönche leisteten sich sogar getrennte Türme für akustische Signale und für Rauchsignale.

Auf einen dieser Türme darf ich klettern. Die erste Treppe wirkt steil, aber drinnen im Turm ist es überraschend geräumig, sodass die Stufen der zweiten Treppe schnell erklommen sind. Oben angekommen blicke ich auf das Meer und die Berge.

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Wieder unten zeigt Eva mir die Klosterkirche. Angenehm warm ist es hier drin und es riecht gemütlich nach Kerzenwachs. An der Decke sieht man deutlich, dass der älteste romanische Teil der Kirche später mit neuen Anbauten und hohen Bögen im gotischen Stil erweitert wurde.

Der große Torbogen auf dem Platz vor dem Kloster war einst Teil einer Mauer, die das gesamte Anwesen umschloss. Durchschritt man die Pforte, gelangte man in einen großen Hof und stand dann vor der Porta Ferrada, so wie ich jetzt. Die Porta Ferrada ist der älteste Teil des Klosters. Die Bögen sehen aus als seien sie Teil eines Kreuzgangs, aber hätte das Kloster jemals einen Kreuzgang gehabt, wäre er nicht an dieser Stelle gewesen. Da das Monestir de Sant Feliu de Guíxols in L-Form gebaut wurde, hatte es auch nie ein Claustro.

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Dort wo ein Kreuzgang hätte sein können, wenn es denn einen gegeben hätte, wuchern grüne Pflanzen in einem wunderschön verwilderten Garten. Gerade erst hat die Stadt dieses Stück Land gekauft, um es wieder der Öffentlichkeit zugängig zu machen. Im Sommer sollen hier verschiedene kulturelle Veranstaltungen stattfinden. Bis es so weit ist, schläft in dem einsamen Turm dort hinten eine Prinzessin ihren Dornröschenschlaf. Und im Sommer wird sie dann mit einem Glas Sekt in der Hand durch die Gartenanlage wandeln.

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Infos Sant Feliu de Guíxols

Edifici de la Caixa, Hospital, Casa Maruny, Apotheke, Casa la Campada, El Call 

Museu d‘Historia de la Joguina
Rambla d’Antoni Vidal, 48-50
17220 Sant Feliu de Guíxols, Girona
Website: www.museudelajoguina.cat
Inhaber: Tomàs Pla

Casino la Constància
Rambla del Portalet, 1
17220 Sant Feliu de Guíxols

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Monestir Sant Feliu de Guíxols
Plaça del Monestir 1
17220 Sant Feliu de Guíxols (Baix Empordà)
Website www.museu.guixols.cat
Darin befinden sich heute der Espai Carmen Thyssen, das Museu d’Historia de Sant Feliu de Guíxols und das Büro des Fremdenverkehrsamts. Der Eintritt ins Museum kostet 2 Euro.

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