Mitten in Lloret de Mar erhebt sich die bunte, kleine Kirche Sant Romà auf einem Platz in der Altstadt. Ursprünglich war diese Kirche gar nicht die Hauptkirche Llorets, denn die eigentliche Siedlung lag viel weiter im Hinterland.

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Schon im ersten Jahrtausend, in der Zeit als Ramon Borell und Ermessenda von Carcasonne über die katalanischen Grafschaften von Barcelona und Girona herrschen, wird ein Ort namens Loredo erstmals schriftlich erwähnt. Zu dieser Zeit lebte niemand gern nahe am Meer. Piratenüberfälle standen auf der Tagesordnung und machten ein Leben an der Küste viel zu gefährlich. Lloret hatte weder eine Festung noch ein Kloster, hinter dessen Mauer sich die Einwohner im Notfall hätten zurückziehen können. Also mussten die Leute ihre Hütten möglichst weit weg vom Strand errichten, in der Hoffnung, weit genug von den plündernden Piraten entfernt und in Sicherheit zu sein. Die Ermita de les Alegries, die erste Kirche der Siedlung, bauten sie logischerweise in der Nähe der verstreut liegenden kleinen Höfe und Anwesen.

Im dreizehnten Jahrhundert hatten die Grafen von Barcelona die Mauren von den Balearen vertrieben und die Inseln erobert. Dank der neu gewonnen strategischen Position der relativ nah vor der Küste liegenden Balearen, hielten sich bald auch die Piratenüberfälle in Grenzen. Statt zu Plünderungen durch Seeräuber kam es nun allerdings immer häufiger zu anderen Auseinandersetzungen an der Küste: Schlachten mit anderen europäischen Seemächten wie den Genuesern oder den Neapolitanern, waren bei den Kämpfen um die Vormacht im Mittelmeer keine Seltenheit.

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Langsam zogen immer mehr Einwohner näher ans Meer, um dort vom Fischfang zu leben oder Schiffe zu bauen. Diese erste Ansammlung von einfachen Fischerhütten nannte man noch „Port de Lloret“, denn „Lloret“ lag ja weiter oben im Hinterland. Die kleine Siedlung folgte dem Verlauf der Riera, des Bächleins, das heute unter der gleichnamigen Hauptstraße entlang fließt, und reichte ungefähr bis zum Platz vor der Kirche. Doch schnell wurde der Ortsteil am Hafen immer größer und bald wohnten mehr Menschen in Lloret de Mar als im Hinterland. Und natürlich wollten die Leute ihre eigene Kirche, denn die Ermita de les Alegries war ganz schön weit weg.

So kam es also, dass im sechzehnten Jahrhundert die zweite Kirche gebaut wurde. Eine kleine Kirche im gotischen Stil, die eher einer Festung als einem Gotteshaus glich. Genau 380 Leute passten in die Església de Sant Romà, denn das war die Anzahl der Einwohner damals, die bei Überfällen und Angriffen hier Schutz finden sollten.

Über der Eingangspforte haben die praktischen Katalanen nicht nur aufgeschrieben, von wann bis wann sie an ihrem Gotteshaus gebaut haben, nämlich von 1509 bis 1522. Nein, in Lloret kann man sogar den Preis der Kirche in Stein gemeißelt lesen: 3.000 Pfund hat die Einwohner diese Kirche gekostet.

Abgesehen von Brandschatzungen der Genuesen oder der Schwarzen Pest, zwei Ereignissen, die das Dorf fast auslöschen, leben die Fischer ein paar jahrhundertelang einfach, aber relativ friedlich in Lloret de Mar. Die Bevölkerung wächst und verdoppelt sich fast.

Bald haben sich die Lloretenker auf den Schiffsbau spezialisiert und hämmern und sägen direkt am Strand, wie auf einer Werft. Doch wieder brechen Katastrophen über das kleine Dorf herein. Die erste Katastrophe ist die winzig kleine Reblaus. Als sie die katalanischen Weinberge erreicht, bedroht sie die Existenz vieler kleiner Weinbauern. Ein Großteil der Bevölkerung ist arbeitslos und von Hungersnot bedroht. In anderen Teilen Europas führt die Industrielle Revolution zur Erfindung des Dampfschiffs und macht bald schon die hölzernen Fischerboote überflüssig. Viele Katalanen wandern aus und versuchen ihr Glück in Übersee. Einige Wenige von ihnen kommen Jahre später mit viel Geld in den Taschen zurück.

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Diese Americanos genannten Heimkehrer sind jedoch überrascht, ihr kleines Dorf so ärmlich und unscheinbar vorzufinden. Aus Kuba waren sie modernen Luxus und Fortschritt gewöhnt. Also verwenden sie ihren Reichtum, um neue prächtige Häuser und Paläste zu bauen. Da sie mehr als genug Geld haben, geben sie auch gleich den Umbau der Kirche Sant Romà in Auftrag. Die neue Kirche soll im angesagten modernistischen Stil erstrahlen. Und sie soll größer werden. Die ursprünglich einschiffige kleine Kirche wird also um zwei seitliche Kapellen erweitert.

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Für den Umbau der Kirche finden sich schnell berühmte Künstler wie Bonaventura Conill i Montobbio, ein Freund Antoni Gaudís, der auch einige der schönsten Grabmäler auf dem modernistischen Friedhof in Lloret gestaltet hat. Den wunderschönen Entwurf mit den fast schon arabisch-byzantinisch anmutenden Elementen macht Conill sogar gratis. Für die Ausführung der Arbeiten und die prächtige Innenausstattung der Kirche, u.a. mit Figuren von Josep Llimona, zahlen die reichen Americanos.

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Und so wird zwischen 1912 und 1914 aus der kleinen Dorfkirche ein farbenfroher, prächtiger Neubau. An den ursprünglich schlichten, massiven Außenwänden, werden neue Altäre angebracht und sogar ein Nachbau der Grotte von Lourdes ziert eine Ecke der modernistischen Kirche. Doch das Glück währt nicht lange. Der Spanische Bürgerkrieg naht und mit ihm die Zerstörung. Die Kirchenplünderer zerschlagen und verbrennen fast alle neuen Elemente. Die Skulpturen und Gemälde verbrennen sie auf dem Platz vor der Kirche. Eine Zeit lang dient das alte Gotteshaus vorübergehend sogar als Stall.

Direkt vor dem Haupteingang stehend, ist wirklich nichts mehr von dem modernistischen Umbau zu sehen. An den relativ gut erhalten gebliebenen seitlichen Kapellen kann man sich jedoch noch eine Vorstellung davon machen, wie die Kirche zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts ausgesehen haben muss.

gemaelde narcis gelats spender kapelle sant romà kirche lloret freibeuter reisenGemälde Narcis Gelat aus der Casa-Museu Can Font

Die modernistische Kapelle auf der rechten Seite verdankt die Kirche einem der wohl reichsten Auswanderer überhaupt, Narcis Gelats. Er ist dreizehn Jahre alt, als er nach Havanna geschickt wird, um seinem Onkel dort in einem kleinen Ledergeschäft zu helfen, wo er Schuhe und Taschen verkauft. Als der Onkel stirbt, erbt Narcis den Laden. Doch in Kuba brechen unruhige Zeiten an. Erste Bestrebungen nach einer Unabhängigkeit vom spanischen Mutterland werden laut. Doch die spanische Armee schickt Soldaten und bekämpft die Aufständischen. Die Rebellionen werden niedergeschlagen. Diese politische Krise ist der entscheidende Durchbruch für Narcis Gelats. Mit dem Verkauf der Stiefel an die Soldaten verdient er ein Vermögen! In wenigen Jahren wird er so steinreich, dass er sogar ein eigenes Bankhaus gründet.

Doch Narcis Gelats ist kein Americano, denn er selbst kommt niemals aus Kuba zurück. Als seine noch in Lloret lebenden Geschwister ihm in Briefen von dem Projekt zum Umbau der Kirche berichten, will sich Narcis nicht lumpen lassen und beschließt, ebenfalls Geld zu spenden. Er besteht darauf, eine ganze Kapelle finanzieren, die seiner verstorbenen Ehefrau gewidmet wird. Einzige Bedingung für die großzügige Finanzierung ist, dass außer ihm niemand sonst für diesen Teil der Kirche spenden darf. Gelats will sozusagen der Exklusivsponsor dieser Kapelle sein.

Die sechs Kinder aus seiner Ehe mit der ebenfalls aus Lloret stammenden Cristina, lebten bis zur Kubanischen Revolution auf Kuba und flohen dann mitsamt des riesigen Vermögens nach Miami  – ein Schicksal, das mich an die Bacardí Familie aus Sitges erinnert.

Auf der linken Seite der Kirche befand sich neben der angebauten Kapelle auch noch eine Pfarrei und eine Pfarrschule, in der Dank der Spenden der Americanos auch Kinder ärmerer Leute unterrichtet wurden.

Pfarrhaus neben der Kirche Sant Romà lloret de Mar freibeuter reisen

Infos Kirche Sant Romà

Església Sant Romà
Plaça de l’Església, 4
17310 Lloret de Mar

Geöffnet ist die Kirche täglich von 9.30 – 12 Uhr und zwischen 16 – 19.30 Uhr
Das Betreten der Kirche kostet keinen Eintritt.

Infos auf Deutsch: lloretdemar.org/de und auf Katalanisch  www.catalunyamedieval.es