Wenn ich schon auf Martinique bin, muss ich natürlich tauchen gehen. Mein letzter Versuch, die Unterwasserwelt der Karibik zu entdecken, ist ja im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser gefallen. Nun also ein neuer Anlauf. Wir starten von der Pointe du Bout, dort befindet sich das Tauchcenter Espace Plongée. Ich melde mich kurz im Büro an, dann geht es auch schon auf den Katamaran, der gleich um die Ecke in dem kleinen Hafen des Ortes liegt.

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Die Ausrüstung für alle, die kein eigenes Material dabei haben, wird direkt an Bord verteilt. Ich probiere gerade einen Wetsuite an, leider zu klein, ich brauche wohl eine Nummer größer, als jemand ruft, wir mögen doch bitte die Taucherflossen vom Boden aufheben. Ein junger Franzose im Rollstuhl bahnt sich seinen Weg aufs Boot. Wie Walter, der Betreiber des Tauchcenters mir schon erzählt hatte, sind sie hier auch auf Taucher mit Behinderungen eingestellt. Super! Das ist nicht in jedem Tauchcenter so.

Während ich noch meine Ausrüstung zusammenschraube, werden die Gruppen eingeteilt. Mein Tauchbuddy heißt Loïc und sieht sehr sympathisch aus. Unser Guide wird der braun gebrannte Joel sein. Joel hat früher auf Martinique gelebt und ist eigentlich Geschichtsprofessor, erzählt er mir, als ich mich kurz vorstelle. Im Augenblick ist er nur zu Besuch auf der Insel, denn es zieht ihn einfach immer wieder hierher. Unser Tauchspot heute wird Le Diamant sein, verkündet er. Den großen Felsen, der im Süden von Martinque wie ein Diamant aus dem Meer ragt, kennt er wie seine eigene Westentasche. Loïc freut sich schon, das scheint also ein guter Spot zu sein.

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Als alle auf ihrem Platz sind, legen wir ab. Von Les Trois-Îlets fahren wir ungefähr eine Stunde an der Küste entlang Richtung Süden. Das Wasser ist weitgehend ruhig, erst weiter im Süden wird die See etwas rauer. Trotz der vereinzelten Regenschauer der letzten Tage soll die Sicht aber gut sein.

Während der Fahrt unterhalte ich mich mit Loïc. Er arbeitet im Krankenhaus, ausgerechnet in der Druckkammer! Das heißt, Loïc ist derjenige, der die Taucher rettet, die zu früh oder zu schnell aufgetaucht sind oder die Sicherheitsstopps nicht eingehalten haben. Ich bin also in allerbesten Händen. Mein netter Tauchbuddy kommt eigentlich aus der Bretagne, erfahre ich. Vor ein paar Jahren hat er mit Frau und Kind la metropole, wie die Leute hier auf Martinique das französische Festland nennen, verlassen, um in der Karibik neu anzufangen. Da er sehr glücklich und zufrieden aussieht, scheint es eindeutig eine gute Entscheidung gewesen zu sein. Wenn es die Zeit erlaubt, geht er vor Schichtbeginn im Krankenhaus eine Runde tauchen und fährt anschließend entspannt zur Arbeit.

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Während wir uns noch nett unterhalten, sind wir auch schon am Diamant angelangt. Steile Felswände ragen abrupt aus dem Meer heraus. Dass die Engländer dieses kleine Eiland einmal besetzt und sogar ein Fort errichtet haben sollen, mag ich kaum glauben. Auf dem Katamaran herrscht eine freudige Betriebsamkeit. Jeder wirft sich schnell in seinen Anzug. Nacheinander springen alle von Bord. Eine Gruppe älterer Franzosen sammelt sich noch ganz in unserer Nähe, doch Joel, Loïc und ich sind bereit zum Abtauchen.

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Kaum haben wir zwanzig Meter Tiefe erreicht, empfängt uns eine gemächlich schwimmende Schildkröte. Direkt vor uns knabbert sie sich ganz entspannt an einer Felswand entlang. Mein Herz hüpft vor Freude. Nach diesem Hammerauftakt kriege ich das glückliche Grinsen gar nicht mehr aus meinem Gesicht. Joel lacht und freut sich über meine Begeisterung.  Es geht weiter. Der Meeresboden ist voller bunter Korallen, Muscheln und Gorgonien. Ich weiß gar nicht, wohin ich zuerst sehen soll. Das hier ist definitiv einer der schönsten Tauchspots, die ich je gesehen habe! Von der Strömung getragen, schwebe ich durch diese friedliche, farbenfrohe Welt. Ich lasse mich treiben und lausche meinem Atem.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA©Foto by Yves Couturier Espace Plongée für EPM

Ich liebe diese Stille unter Wasser, die nur durch das gleichmäßige Geräusch meiner Atemzüge unterbrochen wird. Luftblasen schweben nach oben und drängen an die Wasseroberfläche. Wir schwimmen durch eine breite Kluft. Auch hier sind die Wände über und über mit Gorgonien und Schwämmen besetzt. Riesige muschelartige Unterwasserbewohner in Lila und Rot bedecken den Boden.

Joel steigt in einer Wölbung der Felswand ein Stück nach oben. Er macht mir Zeichen, ich solle ihm folgen. Über uns befindet sich eine Luftblase. Wir stecken mit den Köpfen in einer kleinen Unterwasserhöhle. Es ist einfach genial. Joel nimmt kurz den Lungenautomat aus dem Mund und meint grinsend „Schön hier, oder?“ Ich bin total baff. Es ist das erste Mal, dass ich bei einem Tauchgang so eine winzige Unterwasserhöhle entdecke. Ich überlege, in wieviel Meter Tiefe wir wohl gerade sein mögen, denn leider habe ich keinen Computer dabei.

Wir gehen wieder runter. Noch mehr bunte Korallen, kleine Fische begleiten uns. Loïc und Joel machen plötzlich Zeichen. Wie in einer Art Gebärdensprache, scheinen sie ein richtiges Gespräch zu führen. Ich habe keine Ahnung, was sie sich gerade mitteilen, so weit reichen meine Zeichenkenntnisse dann doch nicht. Ihren Mienen nach zu urteilen, ist es nichts Dramatisches. Loïc deutet auf ein Fenster in der Felswand neben uns. Er hält seine Hand davor, als ob er sie fotografieren wollte, denn im Hintergrund sieht man die Korallen auf der anderen Seite des Felsens. Dann soll ich meine Hand an die gleiche Stelle halten. Sofort spüre ich den Sog. Das Wasser zieht an meiner Hand. Durch das kleine Fenster muss irgendwie eine Strömung entstehen. Ich nehme meine Hand kurz weg und probiere es gleich darauf erneut. Wieder derselbe Effekt. Das ist echt fantastisch!

Exif_JPEG_PICTURE© Foto by Walter Wargnier für EPM – Espace Plongée Martinique

Etwas weiter treffen wir noch eine Schildkröte, die gemächlich an einer Alge auf dem Meeresboden knabbert. Sie lässt sich von uns überhaupt nicht stören und frühstückt einfach weiter, während Loïc sie bei ihrem Mahl filmt. Eine Weile schweben wir zu dritt ganz still über dem wunderschönen Tier.

Joel fragt nach meiner Luft. Ich bin auf 60 bar. Bei 50 bar müssen wir uns langsam auf den Weg zum Boot machen. Es bleibt also nicht mehr viel Zeit. Aber einen spannenden Bewohner der Unterwasserwelt wollen mir die beiden noch vorstellen. An einer Art Alge angekommen, meint Loïc, ich solle doch meinen Finger an die im Wasser schwebenden Ästchen halten. Eigentlich soll man ja niemals etwas anfassen, aber Joel und Loïc sind so erfahren, dass ich ihnen total vertraue. Ganz sanft und vorsichtig berühre ich also dieses unbekannte Wesen. Es reagiert prompt! Rau wie ein Klettverschluss, versucht es, sich um meinen Finger zu wickeln. Sanfte Borsten streicheln mich, als ob sie mich festhalten wollten. Später an Bord erfahre ich, dass dieses Ding keine Pflanze, sondern ein Tier ist.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA©Foto by Yves Couturier Espace Plongée für EPM

Nach fast einer Stunde müssen wir schließlich auftauchen. Joel zeigt an: Zeit für den Sicherheitsstopp. Drei Minuten lang schweben wir noch auf fünf Metern still und fast unbeweglich im endlos scheinenden Blau, dann geht es zurück an die Wasseroberfläche. Netterweise holt der Katamaran uns ab. Wir müssen uns nicht selbst abstrampeln, um zum Boot zu gelangen. Erschöpft und überglücklich klettere ich an Bord. Einige Taucher sind schon vor uns da, die anderen trudeln langsam ein. Über uns färbt sich der Himmel dunkel. Dicke Wolken ziehen auf, während wir unsere Sachen verstauen. Dann bricht auch schon ein heftiges Schauer über uns herein. Alle suchen unter dem kleinen Dach des Katamarans Schutz und drängen sich zusammen. Dabei sind wir ja eigentlich sowieso alle nass. Jedenfalls steigt der Lautstärkepegel im Handumdrehen. Jeder ist begeistert und berichtet euphorisch von seinen Erlebnissen während des Tauchgangs.

„Will einer Kaffee, Saft oder einen Planteur?“, fragt Clément. Es wird ausgeschenkt. Eine Runde Rum-Punsch für alle! Clément drückt mir leicht schlotternd einen Becher in die Hand. Nass und ohne Sonne ist es jetzt doch ziemlich frisch. Auch ich wickele mich in mein Handtuch und lausche gespannt, als er von seinem Tauchgang berichtet. Clément ist einer der Tauchlehrer des Espace Plongée und lebt schon seit einigen Jahren auf Martinique. Die französischen Taucher sind meist nach einem anderen System (SSI) zertifiziert und haben nicht die gleichen Abstufungen wie die PADI Diver, erklärt er mir. Mit der entsprechenden Ausbildung dürfen sie wesentlich tiefer tauchen und das haben sie auch gemacht. In sechzig Metern war er mit seiner Gruppe unterwegs!

Fröhlich lachend reden alle Taucher durcheinander, als sei ein Füllhorn an Glückshormonen über dem Boot ausgeschüttet worden. Trotz des warmen Schauers ist jeder an Bord gerade ganz einfach nur glücklich.

happy-people-tauchen-auf-martinique-freibeuter-reisenHappy People – Taucher sind glückliche Menschen 🙂

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Infos zum Tauchen auf Martinique

EPM – Espace Plongée Martinique
Marina de la Pointe du Bout
97229 Trois Ilets
Martinique

Website: www.epm972.fr

Der Katamaran liegt in der kleinen Marina von Trois Îlets, die man gar nicht verfehlen kann. Falls Du mit der navette von Fort-de-France aus kommst, bist Du schon direkt im richtigen Hafen. Das Büro befindet sich ein paar Schritte weiter. Ausrüstung und Material gibt es an Bord. Alles funktioniert tipptopp nach europäischem Standard und den gültigen Sicherheitsnormen – schließlich sind wir auf Martinque ja noch irgendwie Europa 🙂

Martinique Destination Plongée – Martinique ein Reiseziel für Taucher, nennt sich die Vereinigung, zu der die meisten Tauchcenter auf der Insel  gehören. Walter Wargnier, der Betreiber von Espace Plongée ist übrigens gleichzeitig der Präsident dieser Gruppe.

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Vielen Dank an Espace Plongée Martinique, die mich zu dem Tauchgang eingeladen und mir ein paar Fotos zur Veröffentlichung überlassen haben, da ich meine UW-Kamera leider nicht dabei hatte. Vielen Dank auch an Condor, mit denen ich im Direktflug von Frankfurt nach Fort-de-France geflogen bin. Die im Artikel dargestellte Meinung ist hiervon unberührt und stellt ausschließlich meine eigene Ansicht der Erlebnisse dar.