Wo sich Fuchs und Hase „Gute Nacht!“ sagen, da sind auch Hexen und Räuber zu Hause. Einen ganzen Tag verbringe ich in den Dörfern und Wäldern, in denen einst Kräuterhexen nach Heilmedizin suchten und wilde Räuber das Land durchstreiften.

WAld Sant Hilari Sacalm

Serrallonga:

Serrallonga war einer der berühmtesten Räuber der katalanischen Geschichte. Viele Legenden ranken sich um diese Figur, sogar eine Fernsehserie gab es  über ihn. Im Film wird Serrallonga gern als eine Art Robin Hood dargestellt. Als ich Jordi, den Bürgermeister von Sant Hilari de Sacalm, danach frage, lacht er jedoch. „Nein, Serrallonga war absolut kein Robin Hood. Er war ein echter Räuber und Wegelagerer, der für sich selbst gestohlen und gemordet hat, aber nicht um anderen zu helfen.“ Und so erfahre ich, wie das damals wirklich war.

Viladrau Espai Montseny Museu Serrallonga im „Espai Montseny“

Im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert herrschte in den Bergen Kataloniens bittere Armut. Die Dörfer lagen verstreut, Straßen und Wege wurden belagert und überfallen. Es war die Zeit der feudalistischen Herrschaft, in der die Großgrundbesitzer sich nicht sonderlich um das Wohlergehen ihrer Untertanen kümmerten, sondern einzig und allein an der Vermehrung und Absicherung des eigenen Wohlstands interessiert waren. Oft geschah es, dass sich verarmte Bauern, den Wegelagerern und Rebellen gegen die Mächtigen anschlossen. Viele Geschichten und Legenden aus dieser Zeit hören sich nach einer trotzigen Art der Selbstjustiz, nach Wut und Rache in der Ausweglosigkeit eines ungerechten Gesellschaftssystems an. In Madrid herrschte König Felip IV, in Katalonien hatten diverse Landadelige das Heft fest in der Hand. Doch niemand setzte sich für die einfache Landbevölkerung ein.

Dies war also die Zeit, in der ein Bauer namens Joan Sala i Ferrer lebte. Geboren wurde der kleine Joan in Viladrau, später zog er auf den Hof seiner Frau und nahm ihren Namen an, unter dem er berühmt werden sollte: Serrallonga. Das kleine Bauernhaus der Familie Serrallonga existiert sogar noch. Es ist zwar schon ziemlich verfallenes Gebäude, mitten im Wald, in dem Schatzjäger schon alles geplündert haben, was nicht niet und nagelfest war, aber es steht noch.

Noch während er seinen eigenen kleinen Hof bewirtschaftet, wird der junge Joan in Überfälle und Diebstähle verwickelt. Von Raubüberfällen auf Kaufleute, Entführungen, Schlägereien, Viehdiebstahl, Brandschatzung und Nasenamputationen (?!) ist die Rede. Als er von den königlichen Beamten gesucht wird, taucht er unter. Mit seiner Bande streift er nun als Serrallonga durch das Land und treibt vor allem in den Wäldern zwischen Barcelona und Girona sein Unwesen. Im November 1633 schnappen in die Häscher des Königs schließlich und bringen in nach Barcelona, wo er am 8. Januar 1634 hingerichtet wird.

Wald Sant Hilari Sacalm Wanderwege

Im neunzehnten Jahrhundert entdecken katalanische Romantiker in der Geschichte des Joan Sala i Ferrer den Stoff für Romane und Lieder. Der Räuber Serrallonga wird mystifiziert. Die romantische Legende des katalanischen Robin Hoods entsteht und lebt bis heute. In einigen Dörfern wird zu bestimmten Festen noch immer der Tanz des Serrallonga aufgeführt.

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HEXEN

Es gab nicht nur Räuber in den tiefen Wäldern Kataloniens. Viele Kräuterfrauen und Hebammen sorgten damals für die Gesundheit der Dorfbewohner. Ausgebildete Ärzte gab es hier oben in den Bergen nicht, Kräuter und Aberglaube allerdings schon.

Viladrau Hexen

Als es eines Tages, irgendwann im sechzehnten Jahrhundert, kurz nach einer Zusammenkunft der Kräuterfrauen in den nahen Bergen, zu sintflutartigen Überschwemmungen kam, beschuldigte man die Frauen der Hexerei. Sie hätten sich mit einem magischen Gebräu in Trance gebracht, rituelle Tänze aufgeführt und die katastrophalen Regenfälle heraufbeschworen. Die Bauern waren bitterarm, viele von ihnen wurden durch die ungewöhnlich heftigen Regenschauer und Überschwemmungen um die Ernte und ihr Hab und Gut gebracht. Die Wut entlud sich an den Kräuterfrauen.

Viladrau Feuer Kastanien

In ganz Europa wütete gerade die Inquisition. Allerdings hatten die katholischen Inquisitoren offenbar Schwierigkeiten in die abgelegenen Bergdörfer zu gelangen. Oder vielleicht interessierte sie dieser einsame Landstrich auch einfach nicht weiter. Die Kräuterfrauen entkamen ihrem Schicksal aber dennoch nicht. Sie wurden von den Dorfleuten selbst angeklagt und von den Gerichtsbarkeiten vor Ort zum Tode verurteilt. Viladrau hält dabei einen traurigen Rekord: Hier wurden insgesamt vierzehn Frauen als Hexen zum Tode verurteilt. Allerdings wurden die Hexen hier nicht verbrannt, sondern gehängt. Das war angeblich unkomplizierter, sagen die Historiker.

In dem kleinen, unscheinbaren Dorf in den Bergen hat man Dokumente gefunden, die über die Verurteilung und die Hinrichtung der Frauen detailliert berichten. Man kennt die Namen, das Alter und die Herkunft jeder einzelnen “Hexe”. Seit neunzehn Jahren feiern die Bewohner des kleinen Dorfs ein Fest, den Hexentanz, el Ball de Bruixes, mit dem sie an das Schicksal der Kräuterfrauen von damals erinnern. Jedes Jahr am 31. Oktober, wenn ganz Katalonien die Castanyada feiert, spielen sie die dramatische Geschichte der Hexen auf dem Dorfplatz nach.

Viladrau Hexen Bruja Maria

Heute ist der 31. Oktober, Hexentanztag. Ich darf zusehen, wie sich die Hexen für den alljährlichen Tanz am Abend bereit machen. Maria ist eine der ältesten Hexen – sie ist schon von Anfang an dabei und erklärt mir, dass jede der Damen, die sich hier vor meinem Augen in ziemlich häßliche Weiblein verwandeln, eine der dokumentierten Hexen darstellen wird. Sie schlüpfen wirklich komplett in die Rolle ihrer „Hexe“ und bereiten sich professionell auf ihren Auftritt vor.

Viladrau schminken Hexen

Viladrau Ball de Bruixes Hexen schminken

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Heute gibt es nur noch sehr wenige Frauen, die sich so gut mit den hier üppig gedeihenden Heilpflanzen auskennen. Eine von ihnen treffe ich zufällig auf der Straße. Ana ist nicht nur super nett, sondern gibt mir auch gleich ihre Telefonnummer. Vielleicht nimmt sie mich bald auf einen Spaziergang durch die Wälder mit und dann lerne ich von einer echten Kräuterhexe, welche Pflanzen gut gegen Bauchweh sind und gegen welche Wehwehchen die Kräuter am Wegesrand sonst noch helfen.

WASSER

Außer den Räubern und Hexen gibt es aber noch etwas anderes hier oben in den Bergen. Berühmt ist die Gegend nämlich eigentlich für das Wasser! Früher kamen die Menschen in Massen hierher. Die Trinkkuren an den Quellen waren für unsere Großeltern das, was man heute wohl als Wellnesswochenende bezeichnen würde. Aber davon erzähle ich im nächsten Bericht.

Nützliche Infos:

Espai Montseny
Carrer Migdia, 1
17406 Viladrau
Website: espai-montseny

Dieses kleine „Museum“ in Viladrau zeigt drei Videos: einen über den Räuber Serrallonga, einen über die Hexen und einen, der die Geschichte einer dona d’aigua, einer Wasserfrau, erzählt. Der Vorführraum ist in einen niedlichen, kleinen Wald verwandelt worden.

Espai Montseny Viladrau Video Wald

In Sant Hilari Sacalm gibt es nicht nur eine Bar, die an den Räuber Serrallonga erinnert, sondern auch ausgeschilderte Wanderwege durch die Berge.

Sant Hilari Sacalm Bar Serrallonga Sant Hilari Sacalm Wanderwege Serrallonga WAld Sant Hilari Sacalm Kastanie