Wie ein Schatten liegt die Geschichte des Warschauer Ghettos über der Stadt. Jedenfalls für mich. Vielleicht ist sie auch der Hauptgrund dafür, dass mich Warschau so nachdenklich macht. Überall treffe ich auf Mahnmale und Gedenktafeln, die an die Gräueltaten der Nazis und den so vergeblichen, und oft auch so aussichtslosen Widerstand der Polen erinnern. Es fällt mir nicht leicht, fröhlich und unbeschwert durch diese Stadt zu laufen. Vielleicht geht das nur mir so, ich weiß es nicht. Vielleicht gibt es auch Menschen, die das alles besser ausblenden können, als ich das kann.

Warschau Denkmal des kleinen Aufständischen

Von der prächtigen Stadt, die einst mit Mailand und Paris um die schönsten und prunkvollsten Bauten wetteiferte, ist nicht viel übrig geblieben. Warschau hat sich mühsam immer wieder neu erfinden müssen. Statt alter Pracht stoße ich auf meinen Spaziergängen immer wieder auf Denkmäler, Mahntafeln und den Kotwica, den polnischen Anker, so nennt man das Zeichen des Widerstandes im Zweiten Weltkrieg (Polska Walczaca, PW). Die Nationalsozialisten haben Warschau zerstört. Und ich meine nicht nur die Gebäude. Auch bei den Menschen ist eine dicke Narbe zurückgeblieben.

Historisches Museum der polnischen Juden

Vor dem Museum der polnischen Juden befindet sich das Denkmal der Helden des Warschauer Ghettos. Rechts und links des Mahnmals züngeln Flammen aus einem siebenarmigen Leuchter in den blauen Himmel. Der Gedenkstein selbst ist pechschwarz. Willy Brandt ging hier 1970 auf die Knie, um den Millionen unschuldig ermordeter Menschen zu gedenken.

Warschau Denkmal der Helden des Warschauer Ghettos

Das Museum selbst erzählt die gesamte Geschichte der Juden in Polen: Wie sie hier herkamen, wie das Land blühte und gedieh. Aber auch den traurigen, dunklen Kapiteln der Geschichte wird natürlich gedacht. Die Ausstellung ist sehr einfühlsam, informativ und vor allem anschaulich. Fast zwei Stunden bummle ich durch die Ausstellung und wandere dabei vom Mittelalter bis in die siebziger Jahre.

Das Warschauer Ghetto

Später am Nachmittag finde ich dann in der Nähe des Hauptbahnhofs Überreste der alten Ghettomauer. Mitten zwischen Mietwohnungen und Hochhäusern stehen ganz versteckt ein paar Teilstücke der Begrenzung. Durch ein offenes Tor zwischen zwei Geschäften schleiche ich mich in den Innenhof. Dort steht dann auch ein kleines Schild, das auf die Mauer hinweist.

Auf ungefähr 400 Hektar des Stadtgebiets hatten die Deutschen damals einen „Wohnbezirk“ für die jüdische Bevölkerung eingerichtet: das Warschauer Ghetto. Die Lebensbedingungen waren katastrophal. Es gab nur völlig unzureichende Mengen an Lebensmitteln, Seife oder medizinischer Versorgung. Tausende Menschen starben. Auf dem noch heute „Umschlagplatz“ genannten Platz wurden die jüdischen Bewohner „gesammelt“ und in Viehwaggons in die Vernichtungslager transportiert. Obwohl es einige Versuche gab, Menschen und vor allem Kinder aus dem Ghetto heraus zu schmuggeln (rund 20.000 Juden konnten gerettet werden), hatten die Mehrzahl der 500.000 „Bewohner“ des Warschauer Ghettos den Tod täglich vor Augen.

Warschauer Ghetto Reste der Mauer

Als Himmler seinem Führer ein grausiges Geburtstagsgeschenk präsentieren wollte, nämlich die komplette Auslöschung der polnischen Juden, kam es am 19. April 1943 zum Aufstand im Ghetto. Fast einen Monat lang kämpften sie in einem aussichtslosen Kampf gegen die deutschen Truppen. Am 16. Mai verkündeten die Nazis den Sieg über die Aufständischen. Tausende Juden hatten bei den blutigen Kämpfen ihr Leben gelassen.

Warschauer Aufstand

Ein Jahr später kam es dann zu einer noch größeren Widerstandsaktion der Polen, dem Warschauer Aufstand. Als russische Truppen bereits das rechte Weichselufer erreicht hatten, schlugen die Truppen des Widerstands los. Allerdings waren die polnischen Kämpfer nur schlecht ausgerüstet und wurden von Himmlers Truppen nach nur wenigen Tagen vernichtet. Himmler gab den Befehl zur totalen Vernichtung Warschaus. Während die Briten noch versuchten, die Aufständischen aus der Luft zu unterstützen, wartete die Rote Armee am anderen Ufer ab. Als russische Truppen im Januar 45 schließlich in Warschau einmarschierten, hatten die Deutschen bereits ganze Arbeit geleistet: Die Stadt war längst komplett verwüstet.

In Stare Miasto, der Altstadt Warschaus, erinnert „der kleine Aufständische“ daran, dass auch Kinder beim Widerstand mitkämpfen mussten, um zu überleben. Die Nazis machten nicht einmal vor der Ermordung kleiner Kinder halt.

Ganz in der Nähe der Altstadt, bei dem modernen Gerichtsgebäude, erinnert ein größeres, sehr beeindruckendes Denkmal an den Warschauer Widerstand.

Es gibt auch ein Museum des Warschauer Aufstands von 1944. Ich stand schon davor, weil ich es mir natürlich auch unbedingt ansehen wollte. Aber ich hatte kein Glück. Eine Art Hauswärter schimpfte ziemlich verärgert, auf Polnisch, auf mich ein, als ich durch die offene Pforte den Hof des Museums betrat. Schulterzuckend und entschuldigend lächelnd fragte ich „Angielsku?“ (Englisch? Bzw. meine Abkürzung für „Sprechen sie Englisch“, denn den ganzen Satz konnte ich mir einfach nicht merken) . Sprach er definitiv nicht. Er begleitete mich unter einem weiteren Wortschwall zurück zur Eingangspforte und zeigte auf die Straße. Wieso durften denn die vier Leute vor mir reingehen? Ich verstand echt nur Bahnhof und ging leicht verwirrt wieder. Dann eben nicht. Zur Besserung meiner Stimmung trug das Erlebnis auch nicht unbedingt bei. Erst später habe ich herausgefunden, dass das Museum dienstags geschlossen ist. Und es war natürlich ein Dienstag!

Denkmal des kleinen Aufständischen Warschau

Warschau Denkmal der Warschauer Helden

Denkmal der Warschauer Helden

Nützliche Infos:

Museum of the History of Polish Jews
Anielewicza 6
00-157 Warschau
Website: www.polin.pl
Metro: Linie 1, Nähe Ratusz Arsenal
Von Stare Miasto aus aber auch gut zu Fuß zu erreichen

Warschau Denkmal der Ghettohelden

Warschau Kniefall Willy Brandt
Historisches museum der polnischen Juden Warschau

Reste der Warschauer Ghettomauer:
Versteckt in den Innenhöfen der Ulica Sienna 55
Zugang aber besser über die ul. Zlotca

warschau ghetto Mauer

Warschauer Ghetto Mauer

Museum des Warschauer Aufstands
Muzeum Powstania Warszawskiego
ul. Grzybowska 79
00-844 Warschau
Website: www.1944.pl

Tipp:
Mittlerweile führt die neue, zweite Metroline bis zum Museum. Haltestelle: Ronda Dsazynskiego
Aber nicht an einem Dienstag versuchen, das Museum zu besuchen!

Denkmal Warschau Widerstand