Reiher und Ibisse ziehen hoch über unseren Köpfen in wogenden Flugformationen gen Süden, während Collverds, die grünhalsigen Enten, in den Reisfeldern nach Leckerbissen suchen. Im September, wenn sich die Zugvögel auf den Weg nach Afrika machen, naht die Zeit der Reisernte. Dort, wo der Reis an den Ufern des flachen Sees von Albufera wächst, liegt die Wiege des weltbekannten Reisgerichts, der Paella.
Dass ausgerechnet in Valencia ein Gericht wie die Paella entstanden ist, verwundert nicht. In den sumpfigen Landschaften vor den Toren Valencias baute man bereits im 10. Jahrhundert Reis an. Wie Mandeln, Orangen und Auberginen, brachten die Mauren auch den Reis mit auf die Iberische Halbinsel. Ihnen verdankt der See seinen Namen, denn im Arabischen nannte man diese Feuchtgebiete “al buhera”, Albufera. Heute werden in dem Gebiet des Parque natural de la Albufera 17.500 Hektar für den Reisanbau genutzt. 120.000 Tonnen Reis werden hier produziert, 30% der spanischen Gesamtproduktion.
In der ganzen Welt ist die Paella zum Symbol der spanischen Gastronomie geworden, und Variationen der traditionellen Reispfanne gibt es wie Sand am Meer. Die ursprüngliche Paella aus Valencia beinhaltet nur wenige Zutaten und die wichtigste ist natürlich der richtige Reis. Unter dem Siegel der geschützten Herkunftsbezeichnung D.O. Arròs de València sind drei Reissorten zugelassen: Bomba, Senia und der im Labor entwickelte Albufera-Reis, eine Kombination aus Bomba und Senia. Alle drei Varianten sind besonders gut für eine Paella geeignet, weil sie viel Geschmack aufnehmen können ohne matschig oder pappig zu werden.
Aplec Arròs de València: Bernd Knöller – RiFF Valencia
Die letzten der strohgedeckten, aus einfachsten Mitteln gebauten Hütten der Reisbauern, die sogenannten barracas, sind heute wohlbehütete Schätze, in denen ganz besondere Anlässe gefeiert werden, wie der einmal im Jahr stattfindende Aplec d’Arròs de València. Ein Zusammentreffen von Reisbauern und Sterneköchinnen und -köchen, bei dem es darum geht, den traditionellen Reis aus Albufera noch besser kennenzulernen und dieses traditionelle Produkt der Region gebührend zu feiern. Denn obwohl Reis eine wichtige Grundzutat der valencianischen Küche ist und es in Form der Paella längst zu Weltruhm gebracht hat, finden die kleinen weißen Körner außerhalb Valencias nur selten den Weg in die filigranen Menüs der Michelin-Stern-gekürten Spitzenrestaurants.
Ganz ähnlich wie die Spitzenköche an diesem besonderen Tag, können kleine und große Besucher die Welt des Reisanbaus bei einer der zahlreichen Aktivitäten, die das Museum del Arroz de Valencia anbietet, näher kennenlernen. Für einen Tag schlüpfen sie dazu in die Rolle der Reisbauern und helfen dabei, den Reis zu pflanzen oder zu ernten, je nach Jahreszeit. Dabei kann man viel über den Anbau dieser wichtigen Kulturpflanze lernen, zum Beispiel, dass es ganz unterschiedliche Sorten Lang- und Rundkornreis gibt und welche Eigenschaften sie haben, oder dass Vollkornreis keine eigene Reissorte ist, sondern der unpolierte Reis, der zwar von der Getreidespelze, nicht aber von dem dünnen Silberhäutchen, der Samenschale, befreit wurde. Dank dieser Samenschale enthält Vollkornreis viele wichtige Nährstoffe, verändert aber die Eigenschaften des Reiskorns beim Kochen.
Aplec Arròs de València: Quique Dacosta – Dénia und Pablo Calatayud (Weingut El Roure)
Zwischen November und Januar werden die abgeernteten Felder mit Süßwasser geflutet, um den Boden vor dem salzigen Meerwasser zu schützen. Zugvögel lieben diese Zeit der Ruhe auf den Reisfeldern, in denen sie reichlich Nahrung finden und haben den Naturpark längst zu einem ihrer Rast- und Nistplätze gemacht. Die Reisbauern nennen diese Jahreszeit la Perellonà, es ist ein Moment der Ruhe, des Durchatmens, denn das ganze Jahr über gibt es genug zu tun. Mit dem Ende einer Saison beginnt bereits die nächste, denn der Boden muss entsprechend vorbereitet werden. Das Saatgut muss ausgewählt und gesät, bzw. die Setzlinge umgepflanzt werden, (früher setzte man kleine Pflanzlinge, heute streut man die Samen), Schädlinge müssen bekämpft und die Felder sortenrein gehalten werden, sodass weder unerwünschte Wildkräuter noch Reissetzlinge anderer Sorten zwischen den eigenen Pflanzen wachsen. Dann wird schließlich geerntet, gedroschen, geschält, geworfelt und schon beginnt ein neues Jahr.
An den Wochenenden nutzen viele Familien den nahe der Stadt gelegenen Naturpark für einen Ausflug. Auf kleinen Booten geht es hinaus auf den See, um dort den Tag bei einem Picknick zu verbringen. Besonders romantisch ist es, hier am Abend den Sonnenuntergang zu genießen. Während die untergehende Sonne Himmel und Wolken in zarte Pastellfarben hüllt, gleiten die flachen Boote still über das spiegelglatte Wasser.
Restaurant Tipp Valencia: La Salita
Bei meinem Besuch in Valencia hatte ich das große Glück, im angesagten Restaurant La Salita von Begoña Rodrigo essen zu dürfen, einer der besten und erfolgreichsten Chefs in Valencia und in ganz Spanien. In dem gemütlichen Innenhof werden zunächst Cocktails und kleine Vorspeisen serviert. Hinter dem Tresen der Cocktailbar kreiert Denys Cherkasov mit jedem Glas eine neue bunte Geschmackswelt.
Foto by D.O. Arròs de València
Foto by D.O. Arròs de València
Ehe es in die obere Etage des altehrwürdigen Palastes hinaufgeht, kann man einen Blick in die Küche im unteren Bereich des Hauses werfen. Hier wird deutlich, was Begoña Rodrigo wichtig ist: Gemüse. Eingelegt in großen Gläsern und Flaschen nehmen Bohnen, Möhren, Blumenkohl, Himbeeren, Mango oder Chufas, die Erdmandeln aus Valencia, verschiedene Aromen in sich auf. Mit diesen hübsch anzusehenden Ölen und Essenzen verleiht die Sterneköchin ihren Kreationen den letzten Schliff.
Im oberen Stockwerk angekommen, fällt die eindrucksvolle Wandmalerei auf. Schlichte, aber starke, schwungvolle Linien deuten die Kurven weiblicher Körper an. Ich liebe die Künstlerin oder den Künstler jetzt schon und muss dringend herausfinden, von wem diese Dekoration stammt. Dann kommt auch schon das unermüdliche Servicepersonal, freundlich, mehrsprachig und stets ruhig und gelassen, um den ersten Hauptgang zu servieren.
Das Menü aus insgesamt zehn Gängen ist ein nicht enden wollender Traum. So unterschiedliche Konsistenzen, Aromen, bunte Farben, zarte Blüten, knusprige Gemälde aus Fischhaut, zarter Schaum und im Mund explodierende Kügelchen, eine Abenteuerreise für die Augen und den Gaumen. Und natürlich spielt in Begoñas Küche auch der Reis aus Valencia eine köstliche Rolle.
Adressen und Informationen
La Salita
Pere III El Gran 11
46005 València
Website
Der Guide Michelin sagt: una cocina de gran nivel
In einer alten Reismühle aus dem 20. Jahrhundert richtete man 2003 ein Museum ein, das sich dem Reisanbau widmet. Das werde ich mir bei meinem nächsten Besuch in Valencia ansehen!
Museo de l’Arròs de València
(Museum des Reis aus Valencia)
C/ del Rosari, 3, Poblats Marítims
46011 València
museodelarrozdevalencia.com
Paella Rezept
Hier noch das Rezept für eine echte Paella Valenciana, in die keine Meeresfrüchte kommen, dafür aber Schnecken (wenn die in Deinem Lebensmittelladen gerade vergriffen sind, geht es aber auch ohne).
• Huhn und Kaninchenfleisch, klein geschnitten,
• grüne Bohnen
• dicke Limabohnen (garrofó)
• frisch geriebene Tomaten
• Safran
• Rosmarin
• Paprikapulver
• Brühe
• Olivenöl
• Salz
• Knoblauch
• und natürlich Reis aus Valencia.
Die Zubereitung sieht einfach aus, ist es aber nicht. Über die richtige Reihenfolge, in der die Zutaten in die Pfanne kommen, herrscht allerdings nicht immer Einstimmigkeit. Fleisch und Gemüse wird zwar stets zuerst angebraten, aber ob der Reis dann im Bratsaft ziehen muss oder ob er zuerst angebraten und dann mit Brühe gelöscht wird, habe ich noch nicht abschließend herausfinden können… auf alle Fälle wünsche ich viel Spaß beim Kochen!
Hinweis: Der Besuch des Aplec D.O. Arròs de València erfolgte auf Einladung.
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