So schön die Aussicht von hier oben auch ist, ich komme beim Erklimmen dieser alten Stadtmauer ordentlich ins Schwitzen. Das muss ich leider zugeben. Aber nun habe ich es endlich geschafft und stehe ganz oben auf dem alten Wehrgang. Ich lasse den Blick über die Dächer von Balaguer streifen. Unten erkenne ich den Platz vor dem Rathaus mit den hübschen Häusern! Und mitten durch den Ort fließt der Rio Segre. Der Fluss trennt die mittelalterliche Altstadt von den neuen Stadtteilen.

Balaguer Muralla Stadtmauer Treppe

balaguer stadtmauer

Carme Alòs, die Direktorin des Museums, führt mich und meine Freundin Carmen auf der Stadtmauer entlang bis zu einer Kirche. Ruhig und mächtig thront sie da oben auf dem Hügel, die Esglesia Santa Maria de Balaguer. Eigentlich sollte das Gotteshaus mal eine Kathedrale werden. Die Ausmaße dazu hat sie jedenfalls. Nur für den Titel selbst hat es dann leider doch nie gereicht.

Balaguer Marktplatz

Balaguer Blick von stadtmauer

Durch alte Gassen, die sich den Hügel hinab winden, gelangen wir schließlich wieder hinunter ins Zentrum und stehen bald wieder auf dem schönen Platz vor dem Ayuntamiento. Direkt hinter dem Rathaus begann früher das jüdische Viertel, erklärt uns die Museumsdirektorin. Und genau dort befindet sich auch das Historische Museum der Stadt, das sie uns natürlich auch zeigen will.

Balaguer Gasse Altstadt

Balaguer haus am Markt

Schon bevor ich die Stufen in den ersten Stock steige, bin ich überrascht. Vor mir zeichnet sich der Eingang der Ausstellung wie die Tür eines maurischen Gebäudes ab. Sofort muss ich an Marokko und die engen Gassen der Medina von Marrakesch denken. In den oberen Räumen angekommen umfängt mich ein Duft aus Orangenblüten, Nelken und Gewürzen. Offensichtlich war hier ein Parfümeur am Werk! Auf meine Frage, ob man diesen Duft auch kaufen kann, lacht Carme nur und verneint – leider. Also atme ich tief ein und tauche ab, in die Welt des maurischen Erbes …

Balaguer Museu noguera

Die Mauren:

Es war das achte Jahrhundert nach Christus, als die Mauren die Straße von Gibraltar überquerten und damit begannen die Iberische Halbinsel zu erobern. Nicht lange dauerte es, bis sie weit im Norden, in der Ebene von Lleida, kurz vor den Pyrenäen, ein Militärcamp errichteten. Aus dem Lager entwickelte sich bald eine feste Siedlung, die Medina Hisn Balagi, der Ursprung der heutigen Stadt Balaguer. Carme hat hier im Museum viele archäologische Fundstücke aus der Zeit der Mauren zusammengetragen. Es ist ihr wichtig, auch an die maurischen Anfänge des Ortes zu erinnern.

Balaguer museum wasserkanal kacheln   Balaguer Museu Noguera maurische Kunst

Balaguer maurische Kunst
In einer Vitrine entdecke ich kleine Schälchen mit Gewürzen, Zucker und Blüten. Viele maurische Familie lebten hier in der Gegend vom Oliven- oder Weinanbau. Doch die Araber brachten nicht nur ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem, sondern auch Orangen, Mandeln, Zitronen, Zuckerrohr, Safran, Spinat und sogar Papier in den Norden der Iberischen Halbinsel.

Balaguer Museum

Lubb b. Ahmat al-Qasi, Herrscher des Emirats von Larida, dem heutigen Lleida, verletzt Guifré el Pilós bei einer Schlacht im Jahre 897 tödlich. Während die Katalanen Guifré (auf Deutsch: Wilfried der Haarige) bis heute als Gründer Kataloniens und einen Landesvater verehren, zeugt ein arabischer Text hier im Museum davon, dass die Mauren ganz anders über den Grafen von Barcelona dachten.

Kurz nach dem Sieg über Guifré el Pilós, begann der maurische Herrscher mit dem Bau einer mächtigen Burg. Auf eben dieser Burg fand auch der letzte Kalif von Córdoba Zuflucht. Das einst so mächtige Emirat Al Andalus zerfiel und der letzte großer Herrscher floh hierher in den äußersten Norden, kurz vor die Pyrenäen.

eichnung Balaguer Museum Siedlung

Viele Jahrhunderte lang führte die Grenze zwischen dem christlichen Abendland und dem Kalifat von Córdoba genau durch diese Gegend. Balaguer war eine der nördlichsten Festungen der Mauren, bis Ermengol VI, Graf von Urgell, mithilfe Ramon Berenguers III, des Grafen von Barcelona, die Stadt im zwölften Jahrhundert endgültig eroberte. Nachdem Juden, Christen und Mauren hier so viele Jahrhunderte lang friedlich zusammengelebt hatten, vertrieben die neuen christlichen Herrscher Mauren und Juden aus der Gegend. Das christliche Balaguer entstand nun weiter unten nahe dem Fluss. Die Reste der maurischen Stadt zerfielen.

Zur Absicherung ihres Herrschaftsgebiets begannen die Grafen eine Art Besiedlungsprogramm. Sie bevölkerten die Ebene von Lleida mit Dörfern, in denen bäuerliche Familien das Land bewirtschafteten und errichteten Kirchen und Kloster. Eigentlich ist es schon recht erstaunlich, meint Carme, dass die im Grunde genommen so kultivierten Mauren, mit ihren begabten Handwerkern und Künstlern und all ihrem technischen und wissenschaftlichen Fortschritt, am Ende einer wesentlich schlichteren Kultur unterlegen waren.

Balaguer Mittelalter Heute Museu Noguera

Nützliche Infos zu Balaguer:

Ich muss unbedingt noch einmal wiederkommen und die Reste des Castell Formòs und die Ausgrabungsstätte Pla d’Almatà oben auf dem Hügel besichtigen. Und dann will ich auch noch Gold aus dem Rio Segre schürfen! Diese Aktivität findet im Sommer direkt im Fluss statt, hat Carme mir verraten. Und das Gold darf man sogar mit nach Hause nehmen.

Museu de la Noguera
Plaça dels Comtes d’Urgell, 5
25600 Balaguer, Lleida
Website: www.museucn.com

Im unteren Stockwerk des Museums finden wechselnde temporäre Ausstellungen statt. Die permanente Ausstellung „Hisn Balagî-Balaguer. De la Madîna a la ciutat“ im ersten Stock beschäftigt sich mit dem maurischen Ursprung Balaguers.

  Balaguer Harpie Harpie – ein besonders ungewöhnliches Fundstück 

Balaguer KonsoleKonsole Castell Formòs 
Balaguer Museum fundstuecke archaeologisch-
Balaguer mittelalter Kunst

Esglsia Santa Maria de Balaguer
Plaça Cecília Cominge, 1
25600 Balaguer, Lleida
Die Kirche ist leicht zu finden und schon von Weitem gut zu sehen.

Balaguer kirche

Stadtmauer
Auf die Stadtmauer gelangst Du durch das Portal del Gel, das Eistor, das so heißt, weil Schnee und Eis aus den Bergen früher hier entlang in die Stadt gebracht wurden. Sobald Du das Portal durchschritten hast, siehst Du links auf der Rückseite der Mauer einen Turm. In diesem Turm befindet sich eine Treppe, die auf die Stadtmauer führt. Tagsüber in den Sommermonaten ist der Zugang geöffnet und der Eintritt frei. Der Blick von oben reicht weit über die Dächer des mittelalterlichen Stadtkerns.

Centre d‘interpretació de l‘or del Segre
(Museum über das Gold aus dem Fluss Segre)
Av. Comte Jaume d’Urgell, 12
25600 Balaguer, Lleida

Balaguer Museum Gold

Balaguer Rio Segre

Castell Formós
25600 Balaguer, Lleida
Koordinaten: 41.795132, 0.806445
Auf den Überresten der ehemahiligen maurischen Burg erhebt sich heute die Kirche des Klosters Sant Crist de Balaguer. Direkt dahinter muss sich die archäologische Ausgrabungsstätte Pla d’Almatà befinden.

Balaguer Stadtmauer blick auf castell formos

Dieser Artikel entstand im Rahmen eines dreitägigen Blogtrips durch Lleida, zu dem Carmen und ich von der Diputació de Lleida eingeladen wurden. Die hier dargestellten Ansichten sind davon unbeeinflusst. Sie beruhen auf meinen persönlichen Erfahrungen und spiegeln ausschließlich meine eigene Meinung wieder.