Eine alte Frau trägt ihre viel zu schwere Plastiktüte mit dem mageren kleinen Einkauf aus dem Supermarkt nach Hause. Alle paar Meter muss sie stehen bleiben. Viel kann sie sich mit der knappen Rente nicht leisten. Sie ist sehr sparsam und kauft nur das Nötigste. Aber die Kraft reicht einfach nicht mehr. Selbst eine Plastiktüte verlängert ihren Nachhauseweg um mehrere Minuten.
Eine sehr gepflegte und elegant gekleidete Dame mittleren Alters läuft auf hohen Hacken eilig die Straße entlang. Den Blick konzentriert auf ihr Handy gerichtet, wodurch sich auf ihrer Stirn und um die Mundwinkel herum unschöne Falten abzeichnen, was sie sicher nicht weiß und was ihr ganz bestimmt nicht gefallen würde, wenn sie es wüsste. Die nie endende Anstrengung, jünger aussehen zu wollen, als es im Ausweis steht, hat diese gewisse Verbitterung in ihrer Ausstrahlung zur Folge.
Foto © by Frau Schmitt
Ein unrasierter Mann mit Lederjacke führt gelangweilt seinen kleinen Hund spazieren. Eine Gruppe Kinder in klassischer Uniform strömt aus einem hässlichen, umzäunten Gebäude, der Schule. Die Hemden hängen halb aus der Hose, Blusen werden so weit wie möglich aufgeknöpft. Aufgeregt wechselt eine Zigarette den Besitzer. Zwei asiatische Touristinnen stehen andächtig staunend, mit gezückter Kamera, vor irgendeinem Haus. Eine dritte junge Dame mit Selfiestick ist schon fleißig bei der Arbeit und posiert mit schmollenden Lippen vor ihrem eigenen Handy.
So ungefähr sieht mein Barcelona aus. Ja, es gibt viele Touristen hier in der Stadt. Aber es gibt auch immer noch das andere, das echte Barcelona. Ungeschminkt und voller Alltag.
Erim Giresunlu, ein Filmemacher aus Köln, hat in einem ganz privaten, unkommerziellen Film genau dieses Barcelona eingefangen. Den Alltag, die einfachen Menschen. Ganz spontan war er ein paar Tage hier und hat das gemacht, was er am besten kann, seine Eindrücke im Film festhalten. „Es ist meine Art zu entspannen, sonst fühle ich mich vielleicht doch manchmal etwas verloren, wenn ich nicht teilen kann, was ich gerade erlebe und sehe“, sagt er selbst. Ich hoffe, er kommt bald wieder und wir können dann einmal zusammen durch die Stadt bummeln.
BARCELONA from Erim Giresunlu on Vimeo.
P.S. Die Textfragmente sind übrigens aus einem Klangarchiv („La Vaca Cega“ von Joan Maragall) – ich wusste gar nicht, dass es das gibt.
Tolle Eindrücke! Sieht nach einer tollen Zeit aus. Nach Barcelona muss ich auch mal. Aber jetzt geht es erstmal ins Hotel in Kastelruth.