Der deutsche Beitrag zur Weltausstellung 1929:
Mies van der Rohes Barcelona Pavillon heißt hier schlicht und einfach Pavelló alemany, Deutscher Pavillon. Der geradlinig strukturierte Bau des deutschstämmigen Architekten liegt etwas versteckt auf einer kleinen Fläche am Fuße des Montjuïc.
Ob die Regierung der Weimarer Republik damals zur Weltausstellung 1929 etwas typisch deutsches beitragen, oder vielleicht doch eher ein bisschen mit den genialen Fähigkeiten der deutschen Handwerker und Ingenieure angeben wollte, wer weiß? Solche Weltausstellungen sind ja immer auch ein indirekter Wettkampf der teilnehmenden Länder. Jeder will sich im besten Licht verkaufen. Wer kann es besser? Wer ist am kreativsten? Höher, schneller, weiter. So eine Ausstellung ist eben nicht nur Schau, sondern auch Show. Aber wie auch immer, auf mich wirkt der über achtzig Jahre alte Bau noch immer irgendwie futuristisch.
Auf jeden Fall hat Mies van der Rohe nicht mit Glas, Marmor und Stahl gespart. Als Lina und ich uns dem Pavillon nähern, ist gerade eine japanische Touristin mit schwarzem Hut dabei, Fotos von dem Wasserbecken vor dem Gebäude zu machen. Die geraden Linien und Fluchten der gesamten Konstruktion laden geradezu dazu ein, sich in die merkwürdigsten Perspektiven, zum Beispiel platt auf den Boden, zu begeben, um zu sehen, wie das Ganze von dort aussieht.
Nachdem die internationale Ausstellung 1930 zu Ende war, wurden viele der Bauten, die man einzig und allein für die Weltausstellung errichtet hatte, wieder abgerissen. Nur die Venezianischen Türme, die Font Magica, und das Poble Espanyol blieben stehen. Auch der Deutsche Pavillon wurde Opfer der Abrissbirne. Erst 1980 besannen sich die Stadtväter darauf, dass sie den Pavillon vielleicht doch besser stehen gelassen hätten. Also wurden die zeitgenössischen Architekten Ignasi de Solà-Morales, Cristian Cirici and Fernando Ramos mit der originalgetreuen Rekonstruktion nach den Plänen Mies van der Rohes beauftragt. Die echten, ursprünglichen Bauteile sind längst anderswo verarbeitet worden, u.a. in Dresden habe ich irgendwo gelesen. Seit 1986 steht der Barcelona Pavillon als Nachbau nun endlich wieder für Besucher offen.
Wir stehen mittlerweile direkt vor dem komplett offenen Bau. Kein Zaun hindert mich daran, hier und jetzt auf die einen Meter hohe Mauer zu hüpfen und mich auf die Plattform mit dem Wasserbecken zu begeben. Auch ein Kassenhäuschen sehe ich nirgends. Doch mir fällt ein securityähnlich aussehender Typ auf, der auf einem Klappstuhl an der kleinen Treppe weiter rechts im Schatten sitzt. Er kippelt zwar gelangweilt mit dem Stuhl, aber wir nehmen trotzdem lieber brav die kleine Treppe. Prompt werden wir von ihm angehalten. Fünf Euro Eintritt pro Kopf kostet der Spaß dann doch. Na gut.
Das Besondere an dem Pavillon ist im Grunde genommen das perfekte Spiel mit offenen und geschlossenen Räumen. Man muss schon genauer hinsehen, um festzustellen, dass keiner der ineinander übergehenden Räume komplett geschlossen ist. Alles ist offen, entweder zur Seite, nach hinten oder nach oben. Auf den ersten Blick hat man zwar den Eindruck, es handele sich hier um ein ganz normales, kleines Wohnhaus, nur eben sehr modern und geradlinig. Aber bei näherem Hinsehen stellt man dann doch fest, dass ein Einbrecher hier leichtes Spiel hätte. Zum Wohnen ist der Pavillon also leider nicht geeignet.
Mies van der Rohe hat es geschafft, die Decke und die Wände zu „entkoppeln“, d.h. die Wände tragen die Decke gar nicht und könnten irgendwo anders stehen. Das Gewicht der Decke ruht einzig und allein auf den Stahlstützen, die wie ein Raster im Grundriss verankert sind.
Möbel gibt es aber trotzdem. Der freischwingende Barcelona Sessel wurde ebenfalls von Mies van der Rohe höchstpersönlich entworfen. Auf diesen modernen Stühlen aus Edelstahl und Leder sollte das spanische Königspaar während der Eröffnungsfeier der Weltausstellung Platz nehmen. Passend zum Barcelona Sessel gibt es auch noch einen Barcelona Hocker und einen Barcelona Tisch.
Die ersten Käufer des bis heute produzierten Barcelona-Sessels war das tschechische Ehepaar Tugendhat (Angeblich soll die Villa Tugendhat in Brno relativ ähnlich konstruiert sein wie der Barcelona Pavillon – Leider habe ich die Villa bei meinem Besuch in Brno aber verpasst. Nächstes Mal!)
Auf der kleinen Terrasse des Pavillons erhebt sich eine Skulptur aus dem Wasserbecken. Es ist „Der Morgen“ des deutschen Bildhauers Georg Kolbe. Durch die vielen, geraden Linien, die reflektierenden Glas- und Wasserflächen, spiegelt sich die Figur überall. Ein sehr hübscher, kurvig-menschlicher Kontrast, der etwas Leben in die ansonsten eher kühl wirkende Geometrie der Räume bringt.
Ludwig Mies van der Rohe (1886-1969)
Unbestritten war Mies van der Rohe eines der Architekturgenies des letzten Jahrhunderts. Ludwig war der Sohn eines Marmorhändlers namens Mies und dessen Frau Amalia Rohe. Nach dem ersten Weltkrieg lernte er zeitgenössische Avantgardisten wie Man Ray, Walter Benjamin und Raoul Hausmann kennen. Er war ein Architekt der Moderne, Zeitgenosse Le Corbusiers, und übernahm 1930 kurze Zeit die Leitung der Bauhausgruppe, als einer der Nachfolger des Gründers Walter Gropius. Als nur wenig später die Nationalsozialisten an die Macht kamen, musste Mies van der Rohe das Bauhaus schließen, da der politische Druck seitens der Nazis nicht mit der Kultur des Bauhaus in Übereinstimmung zu bringen war.
Weniger ist mehr.
Mies van der Rohe – Minimalismus in der Architektur
1930 wird er Direktor des Bauhauses in Dessau
1938 geht er in die USA, deren Staatsangehörigkeit er 1944 annimmt
1957 – 1961 baut er das Bürogebäude der Bacardís in Mexiko
1962 – 1968 baut er die Nationalgalerie in Berlin
Infos zum Barcelona Pavillon:
Pavelló Alemany
Avinguda Francesc Ferrer i Guàrdia, 7
Barcelona
Anfahrt Metro: Linie 3 Plaça Espanya
Website: miesbcn.com
Grundriss:
Der „freie Grundriss“ des Pavillons bedeutet, dass die Raumzonen fließend ineinander übergehen. Siehe: bauhaus-online.de
Den Grundriss gibt es übrigens auf www.richardhfung.com
Material:
Für die Konstruktion des Nachbaus wurden exakt die gleichen Materialien desselben Ursprungs verwendet, wie für den originalen Bau des Pavillons: Die vier Steine Travertin, Serpentinit, Onyxmarmor und Tinos verde antico, sowie Naturstein, Glas und Stahl.
Öffnungszeiten und Eintritt Barcelona Pavillon:
Mo-So: 10 – 20 Uhr
Eintritt:
Erwachsene: 5 Euro
Studenten: 2,60 Euro
Kinder unter 16: Eintritt frei
Das sieht ja mal sehr..interessant aus. 😉 Ich muss gestehen, dass ich mit moderner Architektur nicht so warm werde. Vielleicht, weil ich ein Landei bin. *g* Lg aus Brixen Südtirol
na ja so modern ist das ja nicht, fer Entwurf ist ja schon um die 90 Jahre alt. Wenn man sich vorstellt, wie die Leute damals angezogen waren und gebaut haben, dann war das ganz schön futuristisch 🙂 genau darum finde ich das Ding echt spannend