Spaziert man auf der belebten Calle Caballeros, die das Viertel El Carmen der Altadt Valencias durchzieht, kann man durch eine schmale Gasse zu einer kleinen, ganz versteckt liegenden Kirche gelangen. Bis 2016 war die Iglesia de San Nicolás de Bari y San Pedro Mártir eine von vielen Kirchen der Stadt, in der sich die Gemeinde zur Messe versammelte, oder sich traf, um im Chor zu singen. Die Wände waren im Laufe der Zeit dunkel, beinah schwarz geworden, kaum ein Besucher der Stadt verirrte sich hierher. Kälte und Feuchtigkeit hatten neben Rußablagerungen und Alterserscheinungen die Dekorationen an den Wänden fast verschwinden lassen. Doch 2016 begannen umfassende Restaurierungsarbeiten. Mithilfe einer neuen, sehr speziellen Technik, bei der Mikroorganismen auf die zu restaurierende Fläche oder Gemälde aufgetragen werden, sollten die kaum mehr zu erkennenden Kunstwerke wieder sichtbar gemacht werden.
Beim Betreten des Kirchenschiffes traue ich meinen Augen nicht. Es ist, als tauche man in ein Meer aus bunten Farben. Engel und Heilige schweben über mir, vorn und hinten, egal in welche Richtung ich blicke, überall strahlen die Wände in hellem Licht und erzählen Geschichten der Bibel. Unter der jahrhundertealten Schicht aus Weihrauch, Wachs und Staub legten die Restauratoren Unglaubliches frei. Ein echtes Meisterwerk, das der Kirche den Beinamen “Sixtinische Kapelle Valencias” eingebracht hat. Auch wenn Stil und Epoche natürlich nicht mit den weltberühmten Fresken des Vatikans übereinstimmen, erinnert San Nicolás was ihre faszinierende Ausstrahlung angeht, durchaus an die Wirkung der Capilla Sixtina.
Die bezaubernde kleine Kirche blickt auf eine lange Geschichte zurück. Bereits kurz nach der Eroberung der Stadt durch Jaume I 1238 nutzte man die Überreste einer Moschee, die ihrerseits an der Stelle eines römischen Tempels gebaut worden war, um eine erste christliche Kirche zu errichten. Die Dominikaner widmeten sie dem Heiligen Nikolaus von Bari, wenig später ernannten sie auch San Pedro, den dominikanischen Prediger und Märtyrer, zum Schutzpatron. Einen Umbau im gotischen Stil erfuhr die Iglesia de San Nicolás y San Pedro im 15. Jahrhundert, als Gemeindepfarrer Alfonso Borja, der spätere Papst Calixto III, die Kirche renovieren ließ. Aus der Familie, die in der italianisierten Schreibweise als Borgia in die Geschichte einging, bekleidete nach Alfonso auch sein Neffe Rodrigo das Amt des Pontifex.
Die eindrucksvollen Wandmalereien entstanden Ende des 17. Jahrhunderts, sehr viel später als die unvergleichlichen Fresken der Sixtinischen Kapelle. Beauftragt mit der Umgestaltung der Kirche im barocken Stil wurde Antonio Palomino, ein angesehener spanischer Maler. Vielbeschäftigt u.a. mit Aufträgen in der Basílica de la Virgen de los Desamparados und der Iglesia de los Santos Juanes in Valencia, überließ der Meister die Umsetzung der Entwürfe seinem Schüler Dionís Vidal, der die überwältigen Deckenbilder der Kirche schuf.
Für die Deckenbemalung plante er Szenen aus dem Leben des Heiligen Nikolaus und des Heiligen Petrus Martyr. Bei der barocken Neugestaltung stand besonders die Betonung aller von der lutheranischen Kirchenreform abgelehnten Elemente im Vordergrund. Kritisierte die protestantische Kirchenbewegung den Marienkult, die Eucharistie und die Heiligenverehrung, so verstärkt die barocke Dekoration hier genau diese Themen. In der Iglesia San Nicolás de Bari y San Pedro Mártir finden wir die Verehrung der Maria und zahlreiche Abbildungen der Legenden und Wunder aus dem Leben der Heiligen. Die Darstellung der über die Häresie triumphierenden Katholischen Kirche als Frauenfigur mit Tiara, Kreuz und einer Kirche in der Hand wurde Jahrzehntelang hinter einer Holzpforte “versteckt”, weil die Bevölkerung darin eine Frau als Päpstin zu erkennen glaubte. Erst bei der umfassenden Renovierung kam dieses von Palomino entworfene Bild wieder zum Vorschein.
In einer Ecke an der westlichen Rückseite ist der Meister im Gespräch mit seinem Schüler abgebildet. In der gegenüberliegenden Ecke kann man den Erzbischof und den Priester erkennen, die die Malereien in Auftrag gegeben hatten. Betrachtet man die Wand genauer, fällt auf, dass das große Rosettenfenster nach der Wandbemalung eingebaut worden sein muss, denn unter der Tiara fehlt das eigentliche Bild des Papstes. Doch von Calixto III ist nur die Kopfbedeckung zu erkennen. Vermutlich hatte man ursprünglich kleineres Fenster erweitert, damit mehr Licht in das dunkle Kirchenschiff gelangt.
Die Farbenpracht ist wirklich überwältigend. Auffällig ist, dass für eine barocke Kirche relativ wenig Gold verwendet wurde. Außer dem üppig mit Gold bedeckten Altar sind es tatsächlich die Farben, die nach der Renovierung das Kirchenschiff in eine Welt aus bunten Bildern tauchen. In bemerkenswerter Klarheit zeigen die Szenen auf der rechten Seite die Legenden des Nikolaus von Bari, wie die Rettung der drei armen Jungfrauen, die er durch ein Geschenk vor der Prostitution bewahrt. Auf der linken Seite erzählen die Bilder vom Leben des Heiligen Petrus Martyr. Ungewöhnlich sind auch mehrere gemalte Fensteröffnungen unter der Decke, durch die man den Himmel zu sehen meint.
Wie fast alle Kirchen Spaniens, fiel auch diese während des Spanischen Bürgerkriegs Plünderungen zum Opfer, Teile der Einrichtung wurden zerstört. Seit der Restauration der Deckenmalereien 2016 hat sich San Nicolás zu einem echten Publikumsmagnet entwickelt. Täglich strömen viele Besucher aus der ganzen Welt in die kleine Kirche. Nur montags ist den Pilgern der Besuch vorbehalten, denn bei der Caminata de San Nicolás kommen die Gläubigen aus der Umgebung Valencias zu Fuß hierher.
Informationen zur Iglesia San Nicolás y San Pedro
Zugang über die Calle Caballeros 35, Barri El Carmen, Valencia. Auf der südlichen Fassade der Kirche erinnert ein Bild an die Prophezeiung, die ein Dominikanermönch dem jungen Alfonso Borja noch als Kind machte. San Vicente Ferrer sagte voraus, dass Alfonso eines Tages das Amt des Papstes bekleiden und ihn zum Heiligen ernennen würde. Tatsächlich verkündete Calixto III 1435 die Heiligsprechung des Dominikaners.
Öffnungszeiten und Eintritt San Nicolás Valencia:
Dienstag bis Samstag von 10.30 Uhr bis 18.30 Uhr im Winter, im Sommer bis 20.30 Uhr, sonntags erst ab 13 Uhr, montags geschlossen.
Eintritt 11 Euro inklusive Audioguide, ermäßigt 8 Euro, z.B. mit Valenciacard, wenn du mit einem Guide unterwegs bist nur 4 Euro.
Website: www.sannicolasvalencia.com
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