Sehr beeindruckt hat mich diese Stadt mit immerhin 85.000 Einwohnern ganz im Norden der grünen Insel. Der Nordirlandkonflikt der 70er Jahre ist hier viel mehr als nur eine Nachrichtenmeldung. Die Menschen sind sehr herzlich, einfach und bescheiden. Wahrscheinlich ist diese genügsame Art geprägt von Jahrhunderten harter Arbeit in dem rauhen Klima hier oben. Und von der Religion. Egal ob protestantisch, presbyterianisch, methodistisch oder katholisch, viele Iren, nicht nur der älteren Generation, sind nach wie vor sehr gläubig.
Stroke City ist ein doppeldeutiger Spitzname der im Westen Nordirlands liegenden Stadt Derry/ Londonderry. Während man in Irland die Stadt „Derry“ oder auf Irisch „Doire Cholm Chille“ ausschildert, muss man in Nordirland nach Londonderry Ausschau halten, wenn man in das nordwestlichste Ende Europas gelangen will.
Einerseits bedeutet „stroke“ auf Englisch einfach Schrägstrich, weil der südirische und der nordirische bzw. englische Name der Stadt immer zusammen genannt werden. Anderseits bedeutet stroke aber auch Schlag oder Hieb und erinnert an die gewaltätigen Auseinandersetzungen des Bloody Sunday 1972 zwischen Katholiken und Protestanten.
Der Nordirlandkonflikt der 70er Jahre ist mittlerweile glücklicherweise beruhigt, aber im Gedächtnis der Einwohner sind diese Ereignisse noch immer sehr präsent. Die zahlreichen Wandgemälde in der Bogside erzählen ihre ganz eigene Geschichte des Konflikts. Besonders der Besuch im Free Derry Museum, das an die Opfer der Troubles erinnert und ein Mahnmal für die Sinnlosigkeit von Gewalt sein soll, hat mich sehr beindruckt.
Auch die Peace Bridge, eine neu errichtete Brücke über den River Foyle, soll neben der Funktion des Zusammenführens der beiden Ufer auch ein Mahnmal für den Frieden sein. Die gewundene Form und die Anordung der Streben sollen in Anlehnung an die in Nordirland sehr berühmte Statue des Handschlages (bei der sich die Hände nicht berühren!) an ausgestreckte, miteinander verbundene Arme erinnern.
Bei einem Besuch in Derry / Londonderry sollte man auf alle Fälle eine eine Walking Tour mit Martin Mac Crossan machen, der bereits seit über zwanzig Jahren Besucher aus aller Welt durch seine Stadt führt. Dabei erzählt er nicht nur von der Belagerung unter dem katholischen King James II, die Derry /Lodonderry den Spitznamen Maiden City eingebracht hat, weil sie damals als einzige Stadt der Belagerung erfolgreich wiederstand und die Schutzmauer intakt blieb. Er berichtet auch mit viel Einfühlungsvermögen von den gewalttätigen Ereignissen der jüngeren Zeit in der bogside.
Tickets für diese Walking Tours kann man übrigens in verschiedenen Cafés der Stadt kaufen. Wenn man dann bei hoffentlich gutem Wetter und vom Winde zerzaust mit rosigen Wangen die Tour über die alten Stadtmauern und die historischen Kirchen beendet hat, gibt es in diesen Cafés auch noch einen gratis Kaffee zum krönenden Abschluss! Und das Gebäck ist übrigens unverschämt lecker! Sehr süß, aber köstlich…Hüftgold eben.)
Martin hat schon Ministerpräsidenten und Nobelpreisträger durch Derry/ Londonderry gewalkt und ist selbst ein Teil der Stadtlegende geworden. Für mich verkörpert er den „typischen“ Nordiren im positivisten aller Sinne: er ist sehr bescheiden, respektvoll, ehrlich, einfach und immer hilfsbereit und guter Laune.
2013 ist Derry / Londonderry übrigens auch Kulturhauptstadt und hat sich gleich noch einen Spitznamen zugelegt. 2013 lautet das Motto: „Let it be Legenderry“
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