Das Grün der Mangroven schimmert mit den blauen und türkisfarbenen Tönen des Meeres um die Wette. Vor dem Korallenriff brechen kleine Wellen wie ein weißer Ring aus Schaum, der die Insel beschützt. Einen Hurrikan können sie zwar nicht abhalten, aber immerhin sollen Haie angeblich fernbleiben. Innerhalb des Korallenriffs ist das Meer ein sanftes, weiches Gewässer. Eine gezähmte See, die gar nicht mehr gefährlich zu sein scheint.

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Schwere Regenwolken hängen dicht über der Insel hinter uns. La Sufrière, so heißt der Vulkan auf Guadeloupe, ist komplett verhüllt. Versteckt im grünen Dickicht, werden die Wanderer es heute nicht leicht haben dort oben. Mühsam müssen sie sich ihren Weg zum Krater über matschige Wege bahnen. „Da haben wir es hier unten in der Bucht doch viel besser“, strahlt Jean-Eudes, unser Kapitän, frech und zeigt auf die Sonne über uns.

Recht hat er. Während wir gemütlich über das ruhige Wasser vor der Küste schippern, scheint es weiter oben heftig zu regnen. Doch viel Zeit für Mitleid mit den Wanderern bleibt uns nicht, denn vor uns taucht gerade eine kleine Insel auf. Eigentlich ist es für eine Insel zu klein. Vielleicht sollte ich es eher „Sandbank mit pflanzlichem Bewuchs“ nennen. Weißer Sand, ein paar grüne Pflanzen und rundherum knietiefes türkisfarbenes Wasser. Ein echtes kleines Träumchen. Jean erklärt uns, dass dieses winzige Eiland in ganz bestimmten Monaten die Brutstätte eines Vogels ist. Der kommt extra hierher, um seine Eier in den Sand zu legen, der exakt dieselbe Farbe wie die Eierschale hat. So ist der Nachwuchs hier gut getarnt und vor räuberischen Eierfressern geschützt. Damit auch der Mensch keine Gefahr für die Eier wird, ist das Betreten der Insel in dieser Zeit strengstens verboten!

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Während der Bootstour erzählt Jean viele lustige Geschichten. Er erklärt, wie Mangroven entstehen, und zeigt, welche Tiere hier wohnen. Trotz der Scherze und dem Spaß, den wir alle haben, merkt man immer wieder, wie wichtig ihm der pflegliche Umgang mit der Natur ist. Er legt wert darauf, dass alle begreifen, wie schnell dieses empfindliche Gleichgewicht gestört werden kann.

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Ein Teil unserer Bootsfahrt führt uns die Rivière Moustique hinauf. Der Fluss heißt übrigens nicht so, weil es hier viele Mücken gibt, sondern weil er an einem kleinen Ort namens Moustique entlang führt und hier ins Meer fließt. Während wir anfänglich noch zwischen Mangroven dahingleiten, zeigen sich am Ufer bald andere Pflanzen. Hohe Bäume ranken über und neben uns, ihre Wurzeln nun in fester Erde verankert. Jetzt sind wir auf dem Fluss. Kokospalmen beugen sich über das Wasser, um ihren schweren Früchten den Weg zu neuen Ufern zu erleichtern. Für den Wind sind sie eindeutig zu schwer, aber von den Wellen getragen, kommen Kokosnüsse wirklich überall hin!

Als wir an einem uralten knorrigen Baum, einem Fromager (auf Deutsch Kapokbaum), ankommen, stellt Jean den Motor ab. Pause. Wir betrachten erwartungsvoll den mächtigen Kapok. Bestimmt mehr als zehn Meter hoch und mit seinen zahlreichen Wurzeln, die sich fest ans Ufer krallen, wirkt er schon sehr beeindruckend. Nach einer angemessen andächtigen Pause, als wir alle schon gespannt wie die Flitzebogen sind, legt Jean endlich los und erzählt die Geschichte des Zombi-Baums.

Zur Zeiten der Sklaverei, als viele aus Afrika verschleppte Menschen ihre Götter und Religionen aus der Heimat mit hierher gebracht hatten, dachten die Leute, wenn sie sich an dem Ast eines Fromagers aufhängen, würde ihre Seele durch die Wurzeln des Baumes den Weg zurück nach Afrika finden, wo sie sich mit ihren Ahnen wieder vereinen würden. Früher glaubten die Bewohner der Antillen daher, der Fromager  sei ein verhexter Baum, in dem die Soucougnans Zuflucht suchten. Soucougnons sind eine Art weibliche Vampire, halbtote Geisterwesen, die die Lebenden aussaugen wollen. Ihr bevorzugtes Versteck ist eben genau dieser Baum da vor uns.

Schon die Ureinwohner der Karibik hatten so großen Respekt vor dem Kapok, dass sie darauf verzichteten, seine baumwollartige Fasern oder sein Öl zu nutzen. Angeblich machen noch heute viele Leute lieber einen Bogen um den Fromager. Vorsichtshalber.

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In den unwirtlichen Mangroven kann man nicht überleben. Nichtsdestotrotz versteckten sich viele entlaufene Sklaven auf ihrer verzweifelten Flucht im Dickicht der Bäume, die auf dem Wasser wachsen. Schnell verloren die Verfolger hier ihre Spur. Doch nachts gibt es offenbar eine sehr unschöne Art von Insekten, viel schlimmer als Mücken. Diese kleinen Viecher stechen und beißen so unangenehm, dass man nur noch das Weite suchen kann. Die in den Mangroven versteckten Sklaven sollen sich in ihrer Verzweiflung angeblich mit Schlamm eingeschmiert haben, um sich vor den bissigen Fliegen zu schützen. Wenn sie es dann einfach doch nicht mehr aushielten und des Nachts, von oben bis unten mit einer Schicht weißen Matsches überzogen, aus den Mangroven auftauchten, gerieten die Anwohner der umliegenden Dörfer in Panik. Sie waren fest davon überzeugt, Geister in den Mangroven gesehen zu haben …

„Wisst Ihr eigentlich, wie solche Mangroven überhaupt entstehen?“ Nach dem Ausflug in die Geschichten und Legenden der Mangroven geht es nun wissenschaftlich weiter. Eigentlich ist es schon recht seltsam, dass im salzigen Meerwasser, ganz ohne Erde, unter extrem ungünstigen Bedingungen überhaupt Pflanzen wachsen können. Irgendwie schaffen sie es, den hohen Salzgehalt des Brackwassers zu nutzen und das Salz zu filtern. Um uns den komplizierten Mechanismus verständlich zumachen, vergleicht Monsieur le Capitaine die Mangroven mit einem Britta-Filter. Alles klaro?

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Die besondere Mischung aus süßem Flusswasser und salzigem Meerwasser und die geschützte Lage im Korallenriff, machen die Mangroven zu einem bevorzugten Ablageort für den Laich vieler Fische. Zwischen den eng verzweigten Wurzeln versteckt, ist der frisch geschlüpfte Nachwuchs vor großen Raubfischen ziemlich sicher. Doch die Mangroven schützen nicht nur die kleinen Fische, sondern genau genommen auch uns Menschen. Durch die kleinen Wälder vor der Küste werden nämlich die Ufer stabilisiert. Mit ihren Wurzeln schützen die Pflanzen die Küstenorte vor Überschwemmungen.

Im Gegensatz zu vielen Pflanzen, die ihre kleinen, leichten Samen dem Wind anvertrauen, wachsen die Samen in den Mangroven zu langen, dünnen Pfeilen heran. Die trennen sich erst dann vom Mutterbaum, wenn sie so groß sind, dass sie sich allein auf dem Meeresgrund halten und Wurzeln schlagen können.

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Mittlerweile haben wir längst wieder offenes Gewässer erreicht und Jean hat sich auf die Suche nach ein paar Meeresbewohnern gemacht. Behutsam stellt er uns einen Seestern, zwei unterschiedliche Seeigelarten und noch ein paar andere Tiere vor, die er nur ganz kurz aus dem Wasser holt, um sie nicht zu quälen.

Guadeloupe Mangroven seeigel

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Am Korallenriff dürfen wir schließlich auch kurz ins Meer springen. „Ganz vorsichtig, bitte keine Korallen berühren! Bewegt Euch nur da, wo Sand ist!“, ermahnt er einen älteren Franzosen, der gerade dabei ist gegen einen mit Korallen besetzen Felsen zu tapsen. Das war knapp.

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Während auf der Westseite Guadeloupes die Unterwasserwelt schon sichtbar unter dem Hurrikan im Herbst gelitten, hat, sind hier in der Cul-de-Sac Marin ziemlich gut durch die Korallen geschützt. In nur ein bis zwei Meter Wassertiefe schwimmen jede Menge bunte Fischlein direkt vor meiner Nase!

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Nach viereinhalb Stunden sehr unterhaltsamer und lehrreicher Geschichten, bringt uns Monsieur le Capitaine wieder zu der ersten kleinen Insel, die wir ganz am Anfang unserer Bootstour durch die Mangroven gesehen haben. Hier gibt es nun doch noch einen Planteuer zum Abschied – aber nur einen, und dazu noch ein paar Tipps für nette kleine Restaurants. Dann geht es wieder zurück in den Hafen. Und ich merke jetzt wo die Fahrt vorbei ist, dass ich vor Hunger fast sterbe! Ich muss jetzt dringend etwas Essen!

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Infos Bootstour Mangroven:

In dem kleinen Hafen von Sainte Rose gibt es jede Menge Stände verschiedener Anbieter solche Bootstouren. Wir entscheiden uns für Blue Lagoon, weil wir keine Lust auf Trinkgelage haben, sondern und mehr über die Natur, die Tiere und Pflanzen erfahren wollen. Preislich sind alle Touren ungefähr gleich, und die Routen und Zeiten sind auch ähnlich. Mehr oder weniger hängt es also nur davon ab, welcher Kapitän einem sympatischer ist.

Jean-Eudes ist ein echtes Original. Wegen seines unaussprechlichen Namens (schohnütt?) nenne ich ihn einfach Jean, oder Monsieur le Capitaine. Mit seinem unglaublich trockenen Humor und viel Charme unterhält er uns so gut und gleichzeitig so lehrreich, dass die vier Stunden im Flug vergehen.

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Die Bootstour durch die Mangroven kannst Du direkt im Hafen von Sainte Rose buchen.
Blue Lagoon
Port de Pêche
97115 Ste Rose
Guadeloupe
Abfahrt ist 9h morgens  – es gibt aber auch noch eine spätere Tour am Nachmittag.
Dauer: 4 Stunden
Preis: 38 Euro
Website: Blue Lagoon

Tipp: Sonnencreme, Badesachen und Wasser mitnehmen. Einen kleinen Snack dabei zu haben schadet auch nichts, denn als wir von unserer Tour gegen 14.00 Uhr zurück waren, hatten alle Restaurants bereits geschlossen – sogar der Imbisstand im Hafen.

Wichtig: Einigermaßen Französisch zu verstehen ist auf der Insel insgesamt von Vorteil. Nur mit Englisch kann es manchmal schwierig werden. 

Eine interessante Seite zum Thema „Fromager“  (auf Französisch):  la-sorciere-et-le-medecin.com Der Kapokbaum heißt auf Latein Ceiba pentandra und gehört zu den Wollbaumgewächsen.

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Wusstest Du, dass jedes Jahr mehr Menschen durch herabfallende Kokosnüsse, als durch Haiangriffe sterben?  Ein paar interessante Artikel zum Thema „Tod durch Kokosnuss“:  www.zeit.de