Die Route der Stille – Maestrazgo in Aragón

Vom Maestrazgo in Valencia fahren wir weiter in die Nachbarregion Aragón. Hohe Berge trennen die kleinen Dörfer in der dünn besiedelten Region. Immerhin bewegen wir uns hier in einer Höhe von 1300 bis 1500 Metern. Gefühlt leben hier nicht mehr als drei Menschen pro Quadratkilometer, vielleicht auch vier. Es ist wirklich einsam und still. Das nebelig feuchte Wetter passt zur Landschaft. Oft fahren wir durch eine heideartige Landschaft mit buschigen kleinen Sträuchern, die mich an die schottischen Highlands erinnert. Alte Trockensteinmauern ziehen sich überall durch die Felder und Äcker. Dazwischen treffen wir immer wieder auf Schäfer, die mit ihren Schaf- und Ziegenherden durch das Land ziehen. Seltener hören wir vereinzelte Kuhglocken in der Ferne. Jetzt im Oktober ist gerade Pilzzeit. Das Klima scheint ideal dafür zu sein, denn überall entdecken wir Leute, die mit ihren Körbchen durch das Dickicht der kleinen Wälder huschen und klettern.

schafe maestrazgo

Ganz plötzlich ändert sich dann die Landschaft wieder. Unerwartet strecken sich schroffe Felsen aus dem Boden und erheben sich majestätisch, manchmal schon fast bedrohlich wirkend, gen Himmel. Am Grunde der Schluchten plätschert Wasser in einem mit Kieselsteinen ausgelegten Flussbett.

route of silence maestrazgo ruta del silencio

Doch unser Problem aus Valencia verfolgt uns auch in Aragón: In der Nebensaison ist nicht viel los. Auch hier ist wieder vieles geschlossen. Wir wollten keine Menschenmassen und sind absichtlich unter der Woche unterwegs. Doch mit den vielen regionalen Feiertagen und spärlichen Öffnungszeiten hatten wir nicht gerechnet. Feiertage stehen im Herbst offenbar auf der Tagesordnung. Darauf sollte man sich besser einstellen. Warum hier wann, was geöffnet oder geschlossen ist, konnten wir in einer Woche nicht entschlüsseln, aber wir haben es mit Humor genommen und uns vorsichtshalber mit Proviant eingedeckt. Unsere kleinen Picknicke in der tollen Landschaft waren sogar schöner als viele Restaurants.

La Iglesuela del Cid

Iglesuela gehört zu einer der Wanderrouten des “Camino del Cid”. Der spanische Nationalheld hat auf den Eroberungszügen, an denen er für verschiedene Könige beteiligt war, seinen Namen in diversen Dörfern hinterlassen. Von der Burg des Templerordens, zu dem der Ort einst gehörte, ist bis auf einen einzigen Turm nichts erhalten geblieben. Im Zentrum nahe der Kirche gibt es einen hübschen Platz mit dem durch Bögen verzierten Rathaus und einer einzeln stehenden, sehr alten, vermutlich romanisch oder gotischen Säule, die an die prachtvolle Vergangenheit Iglesuelas erinnern.

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Cantavieja

Auch Cantavieja liegt wieder an einem Berghang. Im Gegensatz zu den anderen Orten treffen wir hier zum ersten Mal auf andere Menschen, die wie wir unterwegs sind, um die Gegend zu erkunden. Sogar die Touristeninformation und ein paar Bars haben geöffnet. Am Ende der hübschen Hauptstraße durch die Altstadt, die an einem großen, bedeutsam wirkenden Platz mit prachtvollen Palästen vorbeiführt, gelangt man zu den spärlichen Resten der Templerburg. Nicht viel mehr als ein Türmchen ist von der Befestigungsanlage der Ordensritter erhalten geblieben.

cantavieja maestrazgo templerburg
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Den besten Blick darauf hat man übrigens entweder von oben per Drohne oder von unten, wenn man an Cantavieja in Richtung vorbeifährt. Dann kann man auch erkenne, wie sich die Häuser am Hang an den Felsen schmiegen. Da wir relativ früh am Tag von hier aus die Ruta del Silencio erkunden wollen, liegt Cantavieja noch im morgendlichen Nebel verborgen. Erst gegen Mittag, mit steigender Temperatur, hebt sich der tiefliegende Wolkenschleier und gibt einen sauberen Blick auf den kleinen Ort frei.

Ruta del Silencio – die Route der Stille

Durch die Berge des Maestrazgos führt eine gute ausgebaute, aber sehr einsame Straße. Weil diese Straße so wenig befahren wird, aber tolle Aussichten bietet, hat man sie “la ruta del silencio” getauft. Besonders für Motorradfahrer ist diese Route ein Träumchen, denn es geht in engen Kurven durch die Landschaft. In den einsamen Bergen sollen sich hier nicht nur im Spanischen Bürgerkrieg die Widerstandskämpfer verborgen haben. So menschenleer und unwirtlich wie diese Gegend wirkt, haben die Menschen hier sicher auch in früheren Jahrhunderten Unterschlupf gefunden.

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Von Cantavieja aus machen wir uns auf den Weg nach Montoro de Mezquita, einem winzigen Dorf, gleich hinter einer ziemlich spektakulären Felsformation, die sich die “Orgeln von Montoro” nennt. Langsam verzieht sich der morgendliche Nebel und die Sonne bricht durch die Wolken. Dann erscheint hinter einer Kurve plötzlich Villarluengo vor uns. Stolz strahlt das Dorf im Sonnenschein und trotzt der Einsamkeit der Berge.

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Viele Ahs und Ohs begleiten uns auf dieser “Route der Stille”, denn still sein kann ich hier nicht. Natürlich muss ich den Schatz ständig fragen, wie die merkwürdigen Felsformationen zustande kommen. Da sich er sich mit solchen geologischen Besonderheiten gut auskennt, erklärt er mir wie genau sich die Erde gehoben und gesenkt hat. Atemberaubende Kräfte waren hier am Werk und haben eindrucksvolle Spuren hinterlassen. Immer wieder stoßen die Felsen wie aus dem Nichts in den Himmel, während sich nach unten hin mächtige, fast unsichtbare Abgründe auftun, die man manchmal nur erahnen kann.

Schließlich erreichen wir das winzige Örtchen Montoro de Mezquita. Michi hat ein Gänsegeierpärchen entdeckt, das weit oben in den Lüften schwebt. Während er auf einer Wiese liegend die Greifvögel am Himmel beobachtet, mache ich an den Abstieg hinunter zum Fluss. Schon oben am Weg höre ich das Wasser plätschern. Leider ist es ziemlich matschig und von dem vielen Schlamm recht glitschig. Doch unten angekommen entdecke ich nicht nur einen hübschen Wasserfall, sondern auch die “Pasarelas de Valloré”. Am Rande des Rio Guadalope ist nämlich ein Steg angebracht, sodass man trockenen Fußes am Bächlein entlang bis zum Mirador de Valloré, einem Aussichtspunkt, wandern kann.

montoro-de-mezquita Wasserfall

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pasarelas montoro-de-mezquita Wasserfall

Bis zum Mirador schaffe ich es heute leider nicht, denn dazu ist der Weg von dem Regen gestern zu aufgeweicht und außerdem wartet Michi ja oben bei den Geiern auf mich. Als ich schnaufend bei ihm ankomme, sehen meine Wanderschuhe aus, als hätte ich ein Schlammbad genommen. Aber kein Problem, ich habe Wechselklamotten im Auto. Im Dorf gibt es eine winzige kleine Bar namens “El Horno”, die den Eindruck eines Treffpunkts älterer Herrschaften im Dorf macht. Doch wir sind hier herzlich willkommen. Drei sehr liebenswerte Opis begrüßen uns freundlich und bewirten uns mit kühlen Getränken.

Im Fernsehen läuft ausnahmsweise kein Fußball, sondern eine Live-Übertragung der Feierlichkeiten zum “Día del Pilar” aus Zaragoza. In Aragón ist er 12. Oktober nämlich das wichtigste Ereignis des ganzen Jahres. Die gesamte Einwohnerschaft der Region lässt an diesem Tag die Arbeit ruhen und pilgert nach Zaragoza, um dort Blumen zu Füßen der Madonna nieder. Diese “Ofrenda de Flores” ist für die Gläubigen ein hochemotionales Ereignis, das mehrstündiges Schlangestehen und eine Prozession umfasst.

In dieser eher menschenleeren Gegend hatten wir bisher eher das Gefühl, die Menschen hier seien Fremden gegenüber erst einmal abwartend und sogar ein wenig misstrauisch allem gegenüber, was sie nicht kennen. Doch diese drei herzensguten älteren Herren in Montoro de Mezquita sind so nett und gastfreundlich, und lachen sogar mit uns, dass wir uns gern eines besseren belehren lassen. Der Tag, der so neblig begonnen hat, ist hier oben in den Bergen doch noch wunderschön geworden.

ruta del silencia maestrazgo VillarluengoVillarluengo del Maestrazgo erscheint am Wegesrand auf der Ruta del Silencio

Infos zum Maestrazgo

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Die Definition des Maestrazgos hat sich im Laufe der Zeit geändert. Eine Weile zählte man auch Mosquerela und Beceite noch zum Maestrazgo. Heute werden diese in anderen Gebirgstälern liegenden Ortschaften jedoch nur ihren jeweiligen Comarcas zugeordnet.

Mirabel haben wir uns auch angesehen. Der Ort hat zwar ein hübsches Portal, doch wir fanden es ansonsten ziemlich still und ausgestorben.

Geopark: www.geoparquemaestrazgo.com
Camino del Cid www.caminodelcid.org

 

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