Mit Resi erkunde ich heute mal ein ganz anderes Barcelona. Resi heißt eigentlich Theresia und stammt ursprünglich aus Österreich. Seit vielen Jahren macht sie Stadtführungen in Barcelona auf Deutsch, ganz ohne Regenschirm, darauf legt sie viel Wert. Kleine, private Gruppen führt sie an den Warteschlangen vorbei, aber nicht nur auf den klassischen Routen durch das Barri Gótic und die Eixample. Außer Themen wie Gaudí oder Picasso macht sie auch Führungen über den Spanischen Bürgerkrieg und durch das 22@ Viertel. Merkwürdigerweise haben sich unsere Wege erst vor ein paar Monaten gekreuzt, aber dafür haben wir uns auf Anhieb super verstanden. Da Resi gerade eine Ausstellung im Poblenou, in dem auch ein Teil ihrer Familie wohnt, kuratiert hat, kennt sie sich dort bestens aus und lässt mich ein paar Stunden lang hinter die Kulissen dieses spannenden Stadtteils blicken.
Poblenou und der Plan 22@
Das Poblenou ist eines der Viertel, in das sich bislang nur wenige Touristen verirren. Das „neue Dorf“, wie es übersetzt heißt, lag lange Zeit vor den Toren Barcelonas. Ende des neunzehnten Jahrhunderts, als Barcelona bereits aus allen Nähten platzte, und die Industrialisierung immer schneller voranschritt, siedelten sich hier viele Fabriken an. Eine Zeit lang blühte die Textilindustrie, doch irgendwann kam der Niedergang. Die Fabriken mussten schließen. In den siebziger Jahren standen viele der alten Gebäude leer, Grundstücke verfielen und das Viertel galt nicht unbedingt als Aushängeschild der Stadt. Das Poblenou war ein Schmuddelkind unter den Stadtteilen Barcelonas.
Als man im Rahmen der Stadtverschönerungarbeiten zu den Olympischen Spielen 1992 zahlreiche städtebauliche Umstrukturierungen vornahm, entstand auch das Projekt 22@. Der Name leitet sich von der Kennzeichnung 22a, die offiziellen Bezeichnung für industrielle Flächen in der Stadtplanung, ab. Mit den neuen Plänen sollten die alten Industrieflächen anders und besser genutzt werden. Grünflächen mussten her, saubere Dienstleistungsbetriebe der Tech- und Mediabranche sollten angezogen und das Wohnen angenehmer gemacht werden. Der Entwurf für das neue Poblenou sah einen Mix aus Wohnen, Arbeit, städtischen Organisationen und Grünflächen vor. Resi erklärt, dass die neu errichteten Gebäude unterirdisch mit einer hochmodernen Müllentsorgungsanlage verbunden sind. Die Energie, die bei der Müllverbrennung gewonnen wird, dient dann zum Heizen oder für die Klimaanlagen im Sommer.
Heute, nach mittlerweile 20 Jahren 22@, ist das Ergebnis umstritten. Die einen loben die innovativen Ideen, die anderen befürchten die Gentrifizierung des Viertels. Alteingesessene Bewohner:innen finden sich plötzlich inmitten kleiner Medienstartups und moderner Tech-Riesen wieder, die die bisher günstigen Mietpreise nach oben treiben. Die alten Fabrikgebäude, deren Überreste teilweise in die Grünanlagen oder auch in die neuen Bauten, wie die Universität Pompeu Fabra, mit einbezogen werden, verleihen dem Viertel trotz aller Modernität einen gewissen industriellen Charme. Geradezu gemütlich wirken die alten Backsteinfassaden und Schornsteine zwischen den architektonischen Neubauten wie dem Media-Tic, der Torre Glòries (ehemals Agbar), dem Design-Museum oder den modernen Hochhäusern. Das Poblenou trägt heute einen Hauch von Manhattan – mit grünen Flächen und verkehrsberuhigten Straßen.
Disseny Hub Barcelona – Design Museum
Los Guardianes von Xavier Mascaró
Museen wie das Disseny Hub, der Espai Subirachs oder das Museu Can Framis, das die Werke zeitgenössischer katalanischer Künstler zeigt, öffneten ihre Türen im Poblenou. Auf den Straßen gibt es Kunst, wie die Wächter „Los Guardianes“ von Xavier Mascaró, die neben der ersten Superilla Barcelonas, wie stumme Soldaten im Lotossitz verharren. Aber auch Amazon und Facebook zogen in das „neue“ Viertel. Die Torre Agbar, in denen früher die Wasserwerke zu Hause waren, sollte in ein Luxushotel umgebaut werden. Doch als eine der Maßnahmen gegen den Massentourismus stoppte die Stadt das Projekt. Stattdessen ließen sich Techfirmen in dem bunten Turm nieder.
ein Werk Jaume Plensas vor dem Museu Can Framis
Was sind die Superillas in Barcelona?
In Barcelona ist Bewegung in das triste Grau der Häuser und Straßen gekommen. Die neuen Superillas sollen mehr Lebensqualität bringen. „Una illa“ nennt man die traditionellen Häuserblocks der Eixample. Werden in einem gemeinsamen Projekt mehrere solche illas verkehrsberuhigt, so bilden sie eine Superilla, eine Superinsel. Hier können die Alten auf der Bank sitzen und plaudern, Arbeitende und Studierende verbringen ihre Mittagspausen auf den Grünflächen oder an den Picknicktischen, Kinder spielen. Mehrspurige Straßen sind auf einen Fahrstreifen für Autos verengt. Es gibt breitere Gehwege, mehr Platz für Fahrräder und es gilt Tempo 20 km/h. Blumenkübel wurden aufgestellt und bunte Muster zieren den Asphalt. Vorrang hat, wer zu Fuß unterwegs ist.
Die erste Superilla entstand in der Nähe des Universitätscampus der Pompeu Fabra und des Media-Tics. Mittlerweile gibt es neben der Superilla des Poblenou noch andere superillas in der Stadt verteilt. Und es sollen noch mehr werden. Die zunächst beweglichen Baumaßnahmen werden, wenn sie funktionieren, in feste, permanente Bauten umgewandelt. Spielplätze werden errichtet, statt Blumenkübeln werden Bäume gepflanzt und Beete angelegt. Anstelle der sonst üblichen Blumenrabatten setzt man hier jedoch auf resistente Pflanzen, die große Hitze und heftige Niederschläge vertragen. Das Viertel ist sichtlich grüner geworden.
Auch die einst ziemlich hässlichen Glóries sind zu einem Erholungsraum mitten in der Stadt verwandelt worden. Statt Beton und stinkender Autoabgase des unübersichtlichen Knotenpunkts großer Ausfallstraßen, dominieren nur Licht und Luft, Spielplätze und viel Grün diese Fläche inmitten der Stadt.
Klimt Ausstellung
Zum Abschluss unseres Bummels durch das Poblenou besuchen wir eine besondere Ausstellungshalle. Passend zum modernisierten Viertel zeigt das Centre d’Arts Digitals – Ideal Kunstausstellungen als audiovisuelles Erlebnis. Bis Ende November steht hier Klimt auf dem Programm. Doch die Ausstellungen wechseln.
Zunächst führt ein schmaler Flur an Informationstafeln vorbei, Gemälde schweben als dreidimensionales Mobile im Raum, das erst aus einem bestimmten Winkel betrachtet, ein bekanntes Motiv des Künstlers ergibt. Besonders interessant ist die Rolle der Frauen und der Einfluss, den sie nicht nur auf den Künstler, sondern in der damaligen Zeit hatten.
Emilie Flöge, Lebensgefährtin Klimts, war nicht nur Muse des Malers, sondern eine sehr spannende Persönlichkeit. Sie war Modedesignerin und führte bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs einen der angesagtesten Salons in Wien. Neben den eleganten Roben für wohlhabende Kundinnen entwarf sie sogenannte Reformkleider, die ohne Korsett auskamen und wesentlich bequemer und gesünder waren. Doch diese Art von Bekleidung war für die Gesellschaft zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts zu ungewöhnlich und zu fortschrittlich.
Dann kommt das Highlight der Ausstellung, der Kinosaal. Hier werden alle vier Wände, Decken und der Boden in das Kunsterlebnis mit einbezogen. Rund dreißig Minuten lang taucht man in Klimts Farben- und Formenwelt ein. Zu klassischen Klängen erscheinen Ausschnitte seiner Gemälde. Wie gebannt schauen sich alle um, es ist wirklich spannend! Im letzten Raum taucht man ganz individuell in die Gemälde Klimts ein. Mit einer VR-Brille und Kopfhören versehen, schwebe ich wie in einem Traum inmitten bunter Farben und Formen. Genial! Auf Anhieb hat es mich ans Tauchen erinnert. An diesen Moment, wo ich mich unter Wasser in alle Richtungen drehen kann und überall im endlosen Blau kleine Fische vorbeischwimmen. Nur dass sich hier keine Meeresbewohner, sondern lebendige Kunstwerke tummeln. Unglaublich schön!
Als Nächstes kommt eine Ausstellung über Frida Kahlo, die werde ich sicher auch besuchen.
Infos zu Resis Barcelona Stadtführungen (deutsch):
Natürlich kann ich dir hier nicht alles verraten, was Resi mir unterwegs gezeigt hat. Ich kann dir aber versprechen, dass sie sich wirklich gut auskennt und schon lange in Barcelona Wurzeln geschlagen hat. Sie ist offiziell anerkannter Guide und bietet Stadtführungen auschließlich für kleine, private Gruppen und Familien an. Auf ihrer Website Don’t follow the umbrella – Resis Barcelona findest du verschiedene Touren. Schreib ihr einfach mal unter: hi@resisbarcelona.com 🙂
Stadtführung Barcelona – Gotisches Viertel
Die Tour durch das Barri Gotic ist eine Reise in die Geschichte Barcelonas. Resi führt dich durch die Gassen des Gotischen Viertels, zu Resten römischer Tempel, mittelalterlichen Herrscherpalästen und kleinen Plätzen.
Stadtführung Barcelona – Gaudí und Co
Resi blickt mit dir hinter die Kulissen der Sagrada Familia, der Pedrera oder der Casa Batlló. Sie zeigt nicht nur die bekanntesten Bauwerke des katalanischen Jugendstils, sondern erzählt auch die Geschichten, die sich hinter den bunten Fassaden verbergen: Wie kam es zur Entstehung dieser Bauwerke? Wer waren die Stararchitekten des Modernisme und wie fanden die Menschen damals eigentlich diesen recht ungewöhnlichen Baustil?
Stadtführung Barcelona – Barceloneta und Born
1714 ist für alle Katalanen ein bedeutendes Jahr. Auf ihrer Route durch die Altstadtviertel erzählt Resi was es mit dem Spanischen Erbfolgekrieg auf sich hatte. Auch wieso Meer nicht immer gleich Meer war, und was sich an den Stränden Barcelonas alles verändert hat, erfahrt Ihr auf dieser Tour.
Stadtführung Barcelona – Picasso
In Malaga geboren, in Paris den Großteil seines Lebens verbracht – was verband Pablo Picasso mit Barcelona. Eine Route auf den Spuren des großen Malers durch das Barcelona der Jahrhundertwende.
Stadtführung Barcelona – Guerra Civil
Der blutige Bürgerkrieg hat tiefe Narben hinterlassen. Lange leistete Barcelona den Truppen des Militärputsches Widerstand, doch letztendlich trugen Francos Faschisten den Sieg davon und regierten Spanien bis in die 70er Jahren. Auf dieser Tour erklärt Resi, wie die Menschen diese schlimme Zeit in Barcelona er- und überlebten.
Natürlich kannst du sie auch fragen, ob sie dir Barcelona auf einer ganz individuellen Route zeigen kann. Übrigens organisiert Resi zusammen mit Chris auch Programme für mehrere Tage und bietet Barcelona Reisen speziell für Frauen an: Freisen
an der Meridiana
Hallo, wir suchen für eine Fahrradtour am Mittwoch den 27.10. einen Führer/in (Innenstadt Barcelona).
Hätten Sie Zeit für 2-3 Std.?
Was würde es kosten?
Viele Grüße
Jan-Peter