Haus Skansen Freilichtmuseum Stockholm

Leicht zu erkennen wartet Karin in ihrer winterlichen Bauerntracht am Eingang des Skansen Museums auf mich. Karin führt mich heute durch das Freilichtmuseum, eine riesige Parkanlage, in der man stundenlang umherspazieren kann. Aus den verschiedensten Regionen Schwedens und aus ganz unterschiedlichen Jahrhunderten, hat man hier alte Bauernhäuser, Kirchen und sogar eine Schule originalgetreu wieder aufgebaut. Schweden im Miniaturformat – aber nicht auf die Größe der Häuser, sondern auf die Anzahl bezogen. Karin erklärt mir auch gleich, dass es so etwas wie „traditionell schwedisch“ eigentlich gar nicht gibt. Egal ob es sich um Häuser, Baustile, Trachten oder typische Gerichte handelt, von einer Gegend Schwedens zur anderen kann alles schon wieder total unterschiedlich sein. Schweden war lange ein sehr „ländliches“ Land. Die Industrialisierung kam erst spät hierher. Einige der Häuser, die jetzt hier im Museum stehen und von alten Zeiten erzählen, waren bis zur Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts noch bewohnt!

skansen bäckerei museum

skansen schwedisches haus

Leider sind um diese Jahreszeit nicht alle Häuser geöffnet. Aber in jedem der Häuser, das man besuchen kann, wartet ein zeitlich und regional passend gekleideter Guide, der etwas zu dem Gebäude erzählt. Als Erstes besuchen wir ein Landarbeiterhaus. Hej Hej – werden wir fröhlich von Karins Kollegin begrüßt.

Das Farmarbeiterhaus ist ziemlich klein, es besteht nur aus zwei Zimmern. Ziemlich erstaunt bin ich, als Karin meint, jede Familie hätte immer nur ein Zimmer zugeteilt gekriegt, egal ob und wie viele Kinder zur Familie gehörten. So hat in speziell diesem Haus auf der einen Seite eine Familie gelebt, und auf der anderen Seite hat ein älteres Ehepaar das andere, gleichgroße Zimmer zu zweit genutzt. Merkwürdige Aufteilung. Im Zimmer des Paares steht noch ein Foto von den beiden letzten Bewohnern. Der Mann sieht genauso aus wie mein Urgroßvater! Aber vielleicht liegt es auch daran, dass die Menschen auf diesen alten schwarz-weiss Fotos sich immer alle ein wenig ähnlich sehen? Jedenfalls haben die beiden bis in die sechziger Jahre noch in diesen vier Wänden gelebt.

skansen landarbeiterhaus Museum

 Skansen Stockholm

Als Nächstes gehen wir in eine Schule. Alte Schiefertafeln, Griffel und Hasenpfötchen liegen in einer Klappe im Pult. Die Hasenpfötchen waren so was wie ein Radiergummi – erklärt mir Karin. Nein, echt? – staune ich ungläubig. Erstens kann ich mir nicht erklären, wie das funktionieren soll und zweitens, … das arme Häschen!

Die Kinder kamen von den umliegenden Bauernhöfen zu Fuß hierher. Jedenfalls, wenn sie Schuhe hatten. Selbst hier oben im Norden, wo es doch im Winter so bitterkalt wird, hatten scheinbar nicht alle Leute Schuhe. Und wenn, dann wurden sie oft nur für den sonntäglichen Besuch in der Kirche getragen. Statt Lederschuhen mußten sich viele Leute mit so etwas wie Stroh gefütterten Sandalen behelfen. Manchmal konnte man in den Schulen aber auch Schuhe leihen, wenn ich das richtig verstanden habe.

schule hasenpfote Skansen Stockholm

Im Schulgebäude befanden sich neben dem Klassenraum auch die Wohnräume des Lehrers bzw. der Lehrerin. Einem Lehrer standen insgesamt drei Zimmer zu, Schlafraum, Wohnraum, Küche. Eine weibliche Lehrkraft musste sich mit einem einzigen Zimmer begnügen. Lehrerinnen waren irgendwie nicht so gern gesehen und durften auch nur die kleinen Kinder unterrichten. Harte Zeiten.

Wir kommen zum Älvrosgården Hof. Karins Tracht ist aus dieser Gegend, der Provinz Jämtlands län, nahe der norwegischen Grenze, so ungefähr in der Mitte Schwedens.

Älvrosgården Skansen

SKANSEN KÄSE FISCH UND BROT

Älvrosgården besteht aus einem Wohnhaus und mehreren Ställen. In einer kleinen Kammer flackert ein warmes Kaminfeuerchen, auf einer Sitzbank liegt noch altes Kinderspielzeug und vor dem Feuerchen trocknet ein paar selbstgestrickte graue Wollsocken. Die nette Dame, die uns dort erwartet erzählt, was man dort gegessen hat: Auf einem kleinen Holztischchen liegen zwei Stücke Käse und ein getrockneter Fisch. Sehr abwechslungsreich war der Speiseplan in früheren Jahrhunderten nicht. Statt eines Betts gibt es einen kleinen Alkoven. Als Karin meinen verdutzen Blick sieht, antwortet sie schon, bevor ich überhaupt fragen kann: Ja, auch wenn das sehr klein aussieht, darin haben die Leute geschlafen. Früher streckte man sich nicht lang aus, sondern man schlief eher im Sitzen. Und die Leute waren vielleicht auch ein bisschen kleiner als heute. Es sieht trotzdem verdammt ungemütlich aus.

Nach den vielen ländlichen Häusern kommen wir schließlich zu einem Laden. Läden gab es nur in den Städten. Gehandelt und gekauft durfte man nur auf einem öffentlichen Markt oder in einer Stadt. Die Bauern mussten also um ihre Waren zu verkaufen, zu den jeweiligen Märkten reisen. Im Winter war das wohl einfacher, weil sie dann mit den Schlitten schneller vorankamen und über zugefrorene Seen fahren konnten.

Dieser kleine dunkle Laden stammt jedenfalls aus Stockholm. Hier konnten die Menschen früher nicht nur Produkte des alltäglichen Gebrauchs, sondern auch so besondere und ausgefallene Dinge wie Pfeffer, Nelke, Zimt oder Rosinen kaufen. Sogar Kaffeebohnen gab es im Laden. Allerdings in der grünen, ungerösteten Version. So „roh“ hält Kaffee sich nämlich besser.

Als ich nachfrage, wieso es immer überall so dunkel ist, erklärt mir die Verkäuferin, dass auch Kerzen nicht unbedingt billig waren. Man ging  sparsam mit Wachs um, und so musste auch in der langen, dunklen Winterzeit eine einzige Kerze oder eben ein Kaminfeuer, ausreichen, um einen Raum zu beleuchten.

Skansen ist wie eine Freiluft-Zeitkapsel, in der ich direkt in die Vergangenheit spazieren kann. Alle Häuser sind richtig liebevoll und mit vielen Details ausgestattet.

Bevor ich wieder gehe, will ich unbedingt noch einen Blick auf die Tiere werfen und bitte Karin, mit mir noch zu den Elchen und Rentieren zu gehen. Auf dem Weg dahin kommen wir an einer kleinen Samensiedlung vorbei. Die Samen (oder Lappen, wie sie in Deutschland auch oft genannt werden), sind ein nomadisches Volk. Lange Zeit lief alles gut und sie zogen friedlich hinter den Rentierherden her, egal ob die nun gerade auf finnischem, norwegischen oder schwedischem Boden grasten. Irgendwann ging es dann aber doch los mit den Problemen um Landbesitz und dessen Nutzung. Bis heute sind die Rechte dieser ethnischen Minderheit in Skandinavien ein offenes Thema. Im Sommer werden hier bei den Koten der Samen Lagerfeuergeschichten erzählt.

Samen Haus Skansen

skansen samen siedlung

Gern würde ich noch mehr über diese tapferen Leute erfahren, die seit Jahrhunderten im äussersten Norden Europas leben. Aber da sind wir schon bei den Tieren angekommen. Sowohl die Elche als auch die Rentiere machen allerdings gerade Mittagspause und liegen faul in der Wintersonne. Aber macht nichts. Ich habe meinen ersten Elch, bzw. meine erste Elchin und meine ersten Rentiere gesehen. Die sind übrigens auch Weibchen. Die Männer würden wohl zuviel Ärger machen, wenn man sie vom Sommer- ins Wintergehege bringt – und umgekehrt.

Putzmunter sind dagegen ein paar Ziegenbabys im Kinderzoo. Die sind so lustig drauf, dass sie natürlich nicht für ein Foto stillhalten wollen. In der Anlage sind mir schon den ganzen Morgen über die vielen Familien mit Kindern aufgefallen. Bei den Tieren häufen sich dann auch die Kinderwagen. Dick eingemummelt in ihre Schneeanzüge bestaunen die Kleinen an Mamas oder Papas Hand was da alles so kreucht und fleucht. Ich glaube die verbringen bestimmt den ganzen Tag hier. Ja, – meint Karin, viele Familien kaufen sich ein Ganzjahresticket und kommen fast jedes Wochenende her.

Das kann ich gut verstehen: Im Sommer muss es genial sein, auf den grünen Wiesen zu toben und zu picknicken. Und im Winter hat man einen guten Grund, die warme Stube zu verlassen. 🙂

skansen im Winter

Übrigens: Als ich vor dem Gehege stehe, kann ich natürlich mal wieder nicht erkennen, wer hier nun was ist. Der Unterschied zwischen Rentieren und Elchen ist dabei ganz einfach zu sehen: Die dunkelbraunen Elche haben schaufelartigere Hörner, die hellbraunen Rentiere eher verästelte. Und bei den Elchen tragen nur die Herren so ein Geweih, bei den Rentieren dürfen beide Geschlechter diesen Kopfschmuck tragen.

Rentiere Skansen

Skansen Elche weiblich

kleine ziege in skansen kinderzoo

skansen ziege

strasse Skansen

Wichtige Infos zum Nachreisen:

Skansen Museum
Djurgårdsslätten 49-51
115 21 Stockholm
Website: www.skansen.se/de/

Anfahrt:
Ich bin mit der Fähre von Gamla Stan nach Djurgarden übergesetzt.
Die Fahrt dauert nur rund 10 Minuten. Für 44 SEK (einfache Fahart) hat man dann gleich noch eine kleine Bootstour gemacht.

Skansen Eintritt:
Die Eintrittspreise sind je nach Jahreszeit unterschiedlich. Im Winter ist der Eintritt billiger, im Hochsommer etwas teurer. Bevor Ihr hinfahrt, also besser auf der Website nachsehen, da stehen die Preise ganz detalliert.
Jetzt im Januar kostet ein Ticket für Erwachsene: 100 SEK (umgerechnet ca. 10,55 Euro), für Kinder: 60 SEK (umgerechnet ca. 6,34 Euro)

Skansen Öffnungszeiten:
Wie auch die Eintrittspresie sind die Öffnungszeiten jahreszeitenabhängig. Da es im Winter ja schon früh dunkel wird, lohnt es sich natürlich auch nicht, bis spät am Abend geöffnet zu haben.
Jetzt im Januar war von 10 – 15 Uhr geöffnet. Im Sommer kann man dafür dann aber auch von 10 bis 22 Uhr durch die Anlage spazieren.

Tipp: Im Winter ganz es a…glatt werden, nicht nur im Freilichtmuseum. Mehr als ein Mal hätte ich mich beinah lang gemacht. Also entweder richtig festes Schuhwerk mit Rillen einpacken oder Spikes für die Schuhe besorgen!