Langsam schlendere ich am Tiberufer entlang. Eigentlich hatte ich geplant bis Trastevere zu gehen und mich dort ein wenig umzusehen. Wie so oft in Rom, ändere ich meinen Plan spontan, weil ich irgendetwas entdeckt habe. Genau das passiert mir auch heute. Auf dem Weg zur „anderen Seite“ des Tibers stolpere ich sozusagen in das jüdische Viertel hinein. Ghetto ebraico nennen die Römer die Ansammlung der kleinen Gassen und Plätze, in denen in früheren Jahrhunderten die jüdischen Einwohner der Stadt zusammengepfercht leben mussten.

Irgendwann im 16. Jahrhunderten mussten sie alle hierherziehen und wurden richtig „eingemauert“. Bei Tagesanbruch wurden die Tore des Ghetto geöffnet und am Abend wieder verriegelt. Bis ins 19. Jahrhundert hinein war das so! Erst nachdem die Mauern endlich eingerissen waren, konnten sich die jüdischen Römer wieder frei bewegen – bis Mussolini an die Macht kam. Mittlerweile leben aber wieder jüdische Familien hier im Viertel, in ganz Rom sogar einige Tausende.

Jüdisches Viertel Ghetto ebraico Rom

Ich setze mich in ein kleines Café und überlege, ob es hier irgendwie anders aussieht, als in den anderen, römischen Straßen, die nicht zum Ghetto gehören. Diesen unvergleichlichen, leicht demolierten Charme hat das Viertel auf alle Fälle, aber den haben andere Straßen, Häuser und Wege in Rom auch. Trotzdem fühlt es sich hier irgendwie „dörflicher“ an. Als befände man sich tatsächlich in einem abgetrennten Bereich der Stadt. Es scheint, als würden sich die Leute hier, von den Touristen mal abgesehen, alle kennen. Auf jeden Fall schwatzen sie miteinander: der Kellner, der auf Gäste wartend vor dem Restaurant steht, quatscht mit dem Tuchverkäufer, die ältere Dame, die ein Stück des Weges vor ihrer Tür fegt, grüßt den jungen Typen, der gerade sein Motorrad parkt… Wie in einem Dorf eben. Schön!

Ich fühle mich richtig wohl, und das obwohl gerade eine dicke Wolke aufzieht. Egal. Ich beschließe der Wolke einfach zu trotzen und bestelle mir Bruschetta. Eigentlich kenne ich das immer nur mit Tomate, aber hier gibt es sie mit Artischockencreme. Das probiere ich aus. Als Getränk nehme ich einfach das, was die Leute am Nachbartisch trinken, Cinotto. Sieht lustig aus. Ich bezweifele zwar, das diese braune, cola-artige Flüssigkeit mir schmecken wird, aber ich bin ja nicht hier, um das zu trinken, was ich zuhause immer trinke, sondern will schließlich neue Sachen entdecken.

Jüdisches Viertel Ghetto ebraico Rom

Ein junger Kellner bringt mir Brot und Erfrischung. Das Brot ist köstlich, und das dunkle Colagebräu ist überraschenderweise sogar echt genießbar. Hat was, dieses Cinotto.

Nebenan stehen die Menschen in einer unscheinbaren Bäckerei Schlange. Sehen kann man, außer der Schlange, nichts. Jedenfalls nichts Besonderes. Es gibt keine prächtigen Auslagen oder aufgedonnerten Torten in dem kleinen Schaufenster. Aber es riecht gut. Sogar verdammt gut. So gut, dass scheinbar die Leute von überall hierher kommen, um Brot und Gebäck zu kaufen. Es sind nämlich hauptsächlich Italiener, die hier geduldig auf ihre Backwaren warten. OK, ein paar Touris sind auch dabei. Ob das wohl die berühmte jüdische Bäckerei ist, der sogar Papst Benedikt verfallen sein soll? Da ich mich mal wieder „verbummelt“ habe, und nicht zu spät zur Schule kommen will, bleibt leider keine Zeit, um mich auch anzustellen und es herauszufinden. Schade! Diese Bäckerei muss ich mir unbedingt für meinen nächsten Besuch in Rom merken!

Jüdisches Viertel Ghetto ebraico Rom

BÄckerei Jüdisches Viertel Ghetto ebraico Rom

Jüdisches Viertel Ghetto ebraico Rom

Römische Säulen im Jüdisches Viertel Ghetto ebraico Rom

Der berühmte Schildkröten-Brunnen, am Eingang des Ghettos: Fontana delle Tartarughe

Tartarughe Fontana Jüdisches Viertel Ghetto ebraico Rom

Ein paar Häuser weiter finde ich dann sogar auch gestylte Torten, natürlich kosher:

kosher cake ghetto ebraico Rom jüdisches Viertel

Bruschetta mit Artischoken:

Artischocken Bruschetta Jüdisches Viertel Rom

Das Marcellus Theater war zufällig an einem Sonntag geöffnet. Das passiert nur einmal im Jahr. Leider waren so dermassen viele Leute dort, die definitiv schon wesentlich früher auf den Beinen gewesen sein müssen als ich, dass ich das Theater nur von außen, aus der Ferne, gesehen habe.

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