Noch immer finde ich es schwer, meine Japan-Eindrücke in Worte zu fassen, denn ich kann sie nicht benennen, geschweige denn einteilen. Ich habe für so viel Unbekanntes keine Schubladen. Teilweise war ich geschockt von so viel Asphalt und Beton, und so viel Plastik im Alltag, von der Enge und den vielen Menschen. Teilweise war ich zutiefst beeindruckt von dem zwischenmenschlichen Umgang, der Philosophie, der Sprache und vor allem von den Tempeln und Schreinen. Selten hat etwas in mir so gegensätzliche Eindrücke ausgelöst. Vielleicht ist genau das, was Japan so besonders macht.

Typische Japanische Laternen

Die Kansai Region, wo ich die meiste Zeit verbracht habe, ist ein Ballungsraum und umfasst die Präfekturen Nara, Wakayama, Kyoto, Osaka, Hyōgo. Die Metropolregion Osaka, Kobe und Kyoto (Keihanshin-Region) ist nach dem Großraum Tokio die zweitgrößte in Japan.

Schon vor der Anreise schaute ich mir die Region auf Google Maps an und sah, dass meilenweit alles bebaut war. Kaum ein grünes Fleckchen. Für mich als Landei also eine große Herausforderung. Was mich dabei tröstet, ist die Gewissheit, dass die Menschen aus Kansai offen, locker, witzig und lieb sind. Nichtsdestotrotz habe ich es geschafft, kleine Idyllen in Kansai zu finden, die die Reise spannend und lehrreich gemacht haben.

Hier kommen also einige meiner kleinen Glücksorte in Kansai.

KYOTO-SHI 京都市 – die (ehemalige) Hauptstadt

Die oberen Spitzen der Ahornbäume beginnen sich zu röten. Es ist Herbst. In Japan gibt es öffentliche Anzeiger, damit man weiß wann der Ahorn im Herbst rot wird und wann im Frühling die Kirschblüten blühen. Denn dann lockt die ehemalige Hauptstadt Japans besonders viele Besucher an.

Die hölzerne Togetsukyo-Brücke hält den Strömen des Flusses Katsura in Arashiyama Bergen (im Westen von Kyoto) stand. Am Ufer führt ein Weg am Fluss entlang. Kleine blaue Ruderboote liegen am Rande vertaut. Ich wandere endlose Treppen und Stufen hinauf zu einem kleinen buddhistischen Tempel, dem Daihikaku Senkōji, der einen der angeblich schönsten Ausblicke über die Berglandschaft von Kyoto bietet.

Kyoto Flussufer und Ruderboote

Glocke eines Buddhistischen Tempels in Kyoto

Am anderen Ufer des Flusses liegen viele Tempel. Dazu reihen sich dort unzählige der kleinen, typisch japanischen Häuser aneinander. Die meisten sind aus Holz gebaut und  bloß ein Stockwerk hoch. In den Fenstern und Schiebetüren haben sie Shoji-Papier und vor den Hauseingängen baumeln Chouchin-Laternen und Noren-Vorhänge. Wahrscheinlich stehen die Symbole, die darauf gemalt sind für das, was es in den Geschäften zu kaufen gibt, oder dafür, dass es Izakayas (japanische Gaststätte) sind, doch ich kann das alles noch nicht lesen. An den Enden der Regenrinnen hängen Regenketten (Kusari-doi), die das Wasser sammeln und nach unten leiten.

Fecher in Kyoto

Japan kyoto

In der Hauptraße dieses Viertels gibt es viele kleine Läden mit Okashi (japanischen Süßigkeiten), Fächern, Kimonos oder anderen Andenken. Natürlich zieht dies auch jede Menge Touristen an, deswegen kann es hier ziemlich voll und eng werden.

Der Kurama-dera Tempel auf dem Berg Kurama ist auch besonders schön. Als T und ich den Wanderweg beginnen und die ersten Stufen zum Tempel hinaufgehen schaue ich mich noch einmal um. Das Bild ist idyllisch: Durch das imposante rote O-Torii-Tor scheint das morgendliche Sonnenlicht durch die roten und grünen Ahornblätter hindurch, sodass die Farben noch lebendiger wirken.

Der rote Eingangs-torii zum Kurama Tempel in Kyoto

Kurama Tempel - Stufen und rote Leuchten

Taichi und Lina auf Mount Kurama in Kyoto

Taichi wandert zum Kurama Tempel

Ausblick vom Mount Kurama in Kyoto

Unser Weg führt erst hinauf zum Haupttempel und dann hinab zu einer kleinen Straße, die am Flussufer mitten im Wald liegt. Dort warten einige traditionelle Izakayas und kleine Läden auf die hungrigen Wanderer. Wenn der Wind durch die Bäume raschelt und man dem Gluckern des Wassers zuhört, wie es an der kleinen Wassermühle hinuntertröpfelt, kann ich gut nachvollziehen, was die Japaner zum dichten der Haikus inspiriert.

Wassermuehle beim Kurama Tempel

Heilige Wasserstelle beim Kuramatempel

Tempel und Schreine auf dem Kurama Berg - Japan

Kleiner Pfad bei Mount Kurama und japanische Schulmädchen

Auch der Botanische Garten von Kyoto ist wunderschön. An einer Stelle sind Bonsais ausgestellt, Miniaturbäume aller Art: Ahorn, Eiche, Kiefer… Es gibt auch einen Rosengarten, einen kleinen Bambuswald und viele exotische Blumen. Natürlich auch jede Menge einheimische Pflanzen. Die Teiche sind voll mit Karpfen und überall entdecke ich die kleinen roten und hölzernen Brücken, die so typisch für japanische Gärten sind.

Lina und ein Bonsai im Botanischen Garten von Kyoto

exotische pflanzen und blumen im botanischen garten in kyoto

Bunte Blumen und eine Bronzefigur im botanischen Garten in Kyoto

Der Fushimi Inari-Taisha Shinto-Schrein ist der wohl bekannteste Kyotos. Die vielen rot-orangen O-Torii hintereinander wurden von reichen Geschäftsleuten an die Gottheit Inari gespendet, denn sie ist Schutzpatronin der Wirtschaft und des Reichtums. Eigentlich stehen die Torii Tore für den Übergang vom Irdischen zum Heiligen, aber in Wirklichkeit stehen hier so viele davon so nah aneinander, und es gehen so viele Leute durch, dass man sich eher wie in einem Übergang zum U-Bahntunnel fühlt. Weicht man allerdings vom Hauptstrom der Besucher ab, gibt es kleine Pfade, die an einem Bambuswald entlang den Berg hochführen, wo es dann auch ruhigere Shinto-Schreine und Gedenkstätten zu bewundern gibt.

Rotorange Torii in Fushimi Inari-Taisha, Kyoto

Japans rote Torii beim Fushimi Inari-Taisha

Fushimi Inari Bambuswald in Kyoto

Viele Torii - Shinto Schreine in Kyoto

OSAKA-SHI 大阪市 – Der große Berg

Eigentlich hatte ich zunächst nicht viel Interesse daran, das Schloss zu sehen, denn die Male, die ich bei Osaka-Umeda umgestiegen oder durchgefahren bin, war ich wenig begeistert von dem, was ich gesehen hatte. Aber dann habe ich die Shogun-Serie geschaut und da kommt das Schloss ständig vor, sodass ich am Ende doch neugierig war.

Das Schloss ist das wohl bekannteste Juwel von Osaka. Die mächtige, robuste Festung mit tiefem, weitem Wassergraben steht da so standfest, als ob sie das Schloss von Osaka vom Verlauf der Zeit und allerlei Veränderung geschützt hätte.

Das Schloss von Osaka und der Zweig eines Ahornbaums

Die Stadt Osaka vom Schloss aus

Die Festung und der Graben des Schlosses - Osaka

Brücke zu einem der Eingangstore des Schlosses in Osaka

Das Schloss steht ganz unübersehbar oben auf der Spitze des Hügels und ist von allen Himmelsrichtungen zu bewundern. Von dort oben sieht es aus, als krönte es die Stadt. Doch das Schloss, das an seinen Verzierungen so prächtig golden schimmert und glänzt, ist umgeben von einer viel zu modernen und zugebauten Stadt. Dafür ist die Parkanlage drumherum aber sehr angenehm und gepflegt. Im Herbst kann man mit etwas Glück Künstler beobachten, die aus den heruntergefallenen Blättern vergängliche Schriftzeichen zusammenfegen.

Nachts verwandelt sich Osaka Minami zu einem Cyberpunk-Bladerunner-Szenario. Über dem Fluss, der in der Nacht den pechschwarzen, sternenlosen Himmel widerspiegelt, liegt dichter Smog. Der Himmel ist hier mit Licht so kontaminiert, dass man keinen einzigen Stern erkennen kann. Tausende bunte Neonlichter, Leuchtreklamen und LED-Bildschirme bestrahlen die Passanten. Schrille japanische Werbestimmen dröhnen in den Ohren und riesige Hummer-, Krabben- und Oktopus-Figuren hängen über den Essensständen, um Kunden für Takoyaki zu begeistern. Aus den Gatcha-Gatcha Läden dringen die unterschiedlichen Melodien der Spielautomaten, die alle auf einmal erklingen, in den Straßen. So viel Input überwältigt mein Wahrnehmungsvermögen. Ich finde es beeindruckend, sogar spannend hier durchlaufen, aber länger als einen Tag könnte ich hier nicht bleiben.

osaka bei nach japan

japan osaka

Das Szeneviertel in Osaka ist Amerikamura und liegt auch in Minami. Dort laufen viele Urban-Hipster herum: Secondhand-Klamotten und Schallplatten werden verkauft und gesammelt, die Kombinis sind 24 Stunden am Tag geöffnet, Skater skaten und auf der Straße hört man mit der Bierdose in der Hand die neuesten Beats.

KOBE-SHI 神戸市 – Die Hafenstadt

Die große Akashi Kaikyō Hängebrücke verbindet Honshu, Japans Hauptinsel, mit Awaji, der kleinen Insel, die laut Kojiki, dem Buch, das die Entstehung Japans erzählt, als erste erschaffen wurde. Sie ist auch das Erste, was ich von der Stadt Kobe zu sehen bekomme. Diese Brücke ist die längste und größte Hängebrücke Japans. Mir war vor meiner Reise gar nicht bewusst, dass drei der Hauptinseln Japans mit Brücken verbunden sind. Mit dem Auto kommt man also bis in die hintersten Ecken dieser drei Inseln (In Japan fährt man übrigens auf der linken Straßenseite, wie in England und Neuseeland).

Kobe Hafenblick - Kobe Brücke

Kobe Hafenblick

Als wir irgendwann später wieder nach Kobe fuhren, um die Ikebana Ausstellung von T’s Tante zu besuchen, hatte ich mir eigentlich vorgenommen, das berühmte Kobe-Rindfleisch zu probieren. T hatte mich vor dem hohen Preis zwar gewarnt, trotzdem hatte ich keine 18000 Yen, ungefähr 110 Euro, erwartet. So gern esse ich Fleisch dann doch nicht. Als wir uns bei der Ausstellung zwischen den vielen Blumen- und Pflanzenkompositionen umschauten, stellten wir fest, dass das Publikum für so eine Ausstellung sehr traditionell und schickimicki ist. Ganz leise habe ich T deswegen zugeflüstert “Die sehen aus, als ob sie sich jeden Tag Kobe Beef leisten können.” Dann mussten wir beide kichern.

Ikebana - Japanische Blumenkompositionen

Ikebana-Blumenaustellung in Kobe

Kobe Blumenaustellung - ikebana

Mehr über Japan

Wenn du darüber lesen möchtest, was ich von den frei laufenden Rehen in Nara halte, wie sehr die Märkte in Wayakama nach Fisch stinken, wie der Pilgerweg Kumano Kodo ist und was ich noch so über Japan zu erzählen habe, dann bleib dran.

Wenn du etwas über meine ersten Eindrücke und den japanischen Alltag lesen möchtest, kannst du das im Beitrag Japan – Berichte aus dem Fernen Osten.

P.S. Eigentlich hat jede Stadt den Suffix -shi (市), der bedeutet “Stadt”