Vor dem Calcinha, dem ältesten Café der kleinen Stadt Loulé, sitzt ein Dichter einsam an seinem Tisch. Der Dichter ist António Fernandes Aleixo, der Großvater des heutigen Bürgermeisters. Obwohl Aleixo gar nicht hier geboren wurde, hat man dem kleinen portugiesischen Volksdichter hier ein Denkmal gesetzt. Zu Lebzeiten kam der einfühlsame und sensible Künstler oft hierher und trug seine Verse vor. Aleixo war arm und auch des Lesens und Schreibens nicht mächtig. Er hielt sich mit verschiedenen Jobs über Wasser, bis er keine 50 Jahre alt, an Tuberkulose starb. Aber seine Gedichte sind fester Bestandteil der portugiesischen Kultur geworden.
Ich gehe in das Café hinein. Nur ein Tisch ist besetzt. Zwei ältere Herren unterhalten sich angeregt bei einer Tasse Café. Ich verstehe leider kein Wort, denn ich spreche kein Portugiesisch. Manchmal erkenne ich zwar einzelne Worte, wenn sie dem Spanischen ähneln, aber diese beiden reden unglaublich schnell. Das soll sehr typisch für die Portugiesen der Algarve sein, behauptet jedenfalls João, der uns später über den Markt begleitet.
Ich bestelle mir ein Pasteis de natas und einen Café. Es gibt noch diverse Kugeln und Küchlein, die insgesamt, wie alles Gebäck hier, sehr, sehr süß zu sein scheinen. Aber nach diesen Natas könnte ich echt süchtig werden.
Auf dem Bauernmarkt
Jeden Samstag strömen die Menschen aus dem gesamten Umland auf den Markt von Loulé. Die riesige Markthalle im Art Nouveau Stil füllt sich schnell und es wimmelt vor Menschen, buntem Gemüse, Fischen und was man auf einem Bauernmarkt eben alles so finden kann. Es gibt rote Bohnen, rote Riesenrettiche, Rote Beete und rote Baumerbeeren, aus denen man hier einen schnapsartigen Likör zubereitet. Und es gibt jede Menge Carob, die schwarzen länglichen Bohnen, die auf dem Johannisbrotbaum wachsen. Daraus macht man hier Mehl, Kuchen, Schnaps und sogar eine Art Kaffee. Das gemahlene Carobpulver ist offenbar sogar ein prima Ersatz für Schokolade. Und natürlich gibt es jede Menge Feigen.
João, der uns heute sein Loulé zeigt, entdeckt einen bereits gehäuteten Fisch, den einzigen, der so nackig in der Auslage präsentiert wird, denn alle anderen Fische sind normalerweise noch ganz. „Das ist ein Peixe Porco. Der hat so dicke Haut, dass der Fischverkäufer ihn schon vorbereitet in die Auslage legt“ Auf Deutsch nennt man diesen Wasserbewohner Drückerfisch und er gehört zu der Sorte, die unter Wasser Laute von sich geben. Ihre Rückenflossen sind beweglich und so hart, dass sie beim Umklappen Geräusche machen. Sogar mit den Zähnen können sie knirschen. Diesen Peixe Porco hätte ich gern mal lebendig unter Wasser gesehen.
Nach dem Besuch der Markthallen führt João uns zu einem kleinen Platz in der Nähe. Eine Trachtengruppe zeigt hier nicht nur traditionelle Tänze, sondern fordert die Umstehenden zum Mitmachen auf. Die Louletaner machen vor, die Besucher machen nach. Ehe ich mich versehe, bin ich auch dran und drehe am Arm eines schmucken Trachtenhelden meine Runden im Tanzkreis. Wir gehen, drehen, klatschen und hüpfen. Die Tänze sind ziemlich schnell und fröhlich. Sicher hat jede Bewegung auch eine ganz bestimmte Bedeutung. Gern würde ich mehr über die Geschichte dieser Tänze erfahren, aber wir müssen weiter. Denn es gibt hier jede Menge zu tun.
Banhos Islâmicos
In Loulé gibt es einen ganz besonderen Schatz, den man erst im letzten Jahr durch Zufall gefunden hat: Ein arabisches Badehaus, ein Hamam oder banhos islamicos, wie die Portugiesen sagen. Zur Zeit der maurischen Kalifate muss es diese Bäder im ganzen Land gegeben haben, aber heute ist davon leider nichts mehr übrig. Lediglich in Lissabon ist ein Hamam erhalten und nun hat man hier in Loulé auch eines entdeckt!
Unter einem leer stehenden Haus hat man die Heiß- und Kaltbaderäume freigelegt. Ein Teil des ehemaligen Hamam liegt aber noch immer unter der Erde begraben, denn dieser Teil befindet sich heute unter einer Straße und unter einem kleinen Platz. Da man nicht die ganze Straße stilllegen kann, musste man sich damit begnügen, die Umgrenzungsmauer des Hamam zu kennzeichnen.
Altstadt Loulé
Wir spazieren mit João noch ein wenig durch Loulé, besuchen die alte Igreja Matriz de São Clemente, die wohl einst auf den Fundamenten einer Moschee errichtet wurde und sehen uns den kleinen Garten Jardim dos Amuados, direkt gegenüber der Kirche, an. Von hier aus kann ich auf einem gegenüberliegenden Hügel die Santuário de Nossa Sra. da Piedade, eine der wichtigsten Wallfahrtskirchen der Algarve, erkennen. Für mich sieht der kuppelartige Bau eher wie eine Moschee aus, aber João behauptet, es sei eine wichtige katholische Kirche.
Am Nachmittag bummle ich noch ein wenig allein durch die engen Gassen der Altstadt und entdecke dabei ein paar wunderschöne Ecken. Das Kopfsteinpflaster biegt sich teilweise wohl durch Witterung und auch durch die vielen Jahre, in denen hier die Leute entlang gelaufen sind. An einigen Stellen kämpft sich frisches Grün zwischen den alten Steinen hindurch.
Im Zentrum der Altstadt muss früher ein Handwerkerviertel gewesen sein, denn viele Straßen tragen noch heute Namen nach alten Berufsbezeichnungen wie zum Beispiel die Calçada dos Sapateiros, Schustergasse. In einem der Häuser ist auch noch ein alter Schuster bei der Arbeit. Er ist wohl der Letzte in Loulé, der noch wie zu Großvaters Zeiten mit Ahlen und Leisten an den Schuhen arbeitet.
Workshops: Loulé criativo
Loulé hat sich als erster Ort in Portugal eine ganze Reihe kreativer Aktivitäten auf die Fahne geschrieben. Hier liegt man auch als Besucher im Urlaub nicht einfach auf der faulen Haut, sondern kann an allen möglichen Workshops teilnehmen. Loulé ist nämlich Teil des Netzwerks Kreativer Tourismus.
In der Burg, mitten in der Altstadt, findet gerade einer der zahlreichen Workshops statt. Ein Künstler aus Lissabon ist dabei, den Teilnehmern das Arbeiten mit Acryl zu erklären. Sie sägen und basteln an kleinen Acyrlteilen, die sie zu einem Schmuckstück verarbeiten. Alle sind sehr konzentriert bei der Sache und werkeln, tief versunken an ihrer Arbeit.
In einem ehemaligen Kloster, dem Convento do Espírito Santo, in dem heute eine Hochschule untergebracht ist, finden ebenfalls Workshops statt. Als wir ankommen, sind Kinder und Erwachsene gerade dabei, die traditionellen Mandelsüßigkeiten, eine Art Marzipan, zuzubereiten. Voller Eifer kneten und formen sie ihre Figuren. Bei uns hat Marzipan ja oft die Form eines Brotes, aber hier ist es Gemüse, das dann in der entsprechenden Farbe bemalt wird.
An einem anderen Tisch bereitet eine Gruppe gerade traditionellen Feigenkuchen zu. Jetzt im Herbst ist gerade Feigenernte. Lyssie, eine Teilnehmerin des Workshops aus Schottland, ist total begeistert und erklärt uns, was genau sie da machen. In einem Topf wird die Masse aus Feigen, Zimt und Zucker gekocht. Dann formt man die Kuchen zu einer Blüte oder zu einer Rolle. Das Ganze wird mit Mandeln dekoriert und noch mal in Zucker gewälzt. Lyssie ist total happy mit ihrem Feigenkuchen und lässt mich probieren. Die bräunlichen kleinen Kuchen sehen zwar nicht so wahnsinnig lecker aus, schmecken dafür aber köstlich. Jedenfalls, wenn man Feigen mag. Mir schmeckt’s prima.
Aber es gibt noch mehr interessante Workshops. Als Nächstes besuchen wir eine der ältesten Druckereien Loulés. Hier sollen wir lernen, wie man früher mit beweglichen Lettern und wunderschönen, alten Maschinen druckte.
Joãozinho ist einer der Gründer der Druckerei. Heute ist der Betrieb zwar modernisiert und auf dem letzten Stand der Technik, aber in einer Ecke stehen noch die alten Maschinen. In den Jahren vor der Revolution (1974, Nelkenrevolution in Portugal) ging Joãozinho in den Widerstand. Er hat viele spannende Geschichten zu erzählen, zum Beispiel, wie sie damals heimlich Flugblätter druckten und immer auf der Hut vor der Geheimpolizei sein mussten. „Keine Revolution ohne Drucker“, lächelt er und erzählt mir eine seiner Geschichten.
Dann geht es an die Arbeit. Einer der Mitarbeiter, Luís, erklärt, wie die alten Maschinen funktionieren. Jetzt bin ich dran und versuche meinen Namen zu setzen. Das ist alles gar nicht so leicht, wie es aussieht. Jahrelange Erfahrung haben die Drucker in den Fingerspitzen und setzen die Buchstaben noch heute flink wie die Kätzchen. Ich bin dagegen furchtbar langsam. Bis ich die sechs Buchstaben von N I C O L E zusammen gepuzzelt habe, hat Luís schon ein komplettes Gedicht auf seine Leiste gesetzt. Diese Leisten werden dann in die Druckerpresse eingesetzt. Luís streicht noch eben etwas Tinte auf eine dicke Rolle und los geht’s. Hier an einem Hebel ziehen, da einen Knopf drücken und noch einen anderen Hebel umlegen, dann rattert die Maschine los und die Verse erscheinen auf dem gelben Bogen Papier. Als Luís mich ran lässt, stelle ich fest, dass man zum Bedienen der Maschinen ordentlich Kraft braucht. Das ist echte Muskelarbeit. Am Ende haben wir aber schließlich alle stolz einen Vers des Dichters Aleixo gedruckt. Naja ein bisschen Hilfe hatten wir zum Glück schon.
Hinweis: Zum Besuch der Workshops wurde ich von Loulé Criativo eingeladen. Die hier dargestellte Meinung sowie die erzählten Erlebnisse und Eindrücke sind selbstverständlich ausschließlich meine eigenen.
Wunderbar, liebe Nicole !!
Ich war letztes Jahr schon dort und habe mich an der Initiative „Loulé Criativo“ – Kreativ Reisen in der Algarve erfreuen können. Welches war denn Dein liebster Kreativ-Workshop?
😉
Alles Liebe und bis bald,
Deine Creativelena 🙂
Hallo Elena,
den mit den Palmenblättern und den Spielzeugen aus Bambusrohr fand ich total gut. Diese Handarbeitssachen liebe ich total. Da hätte ich noch gut viel länger weiter machen können!
bis bald!
Das klingt gut! Konntet ihr euch da an der Küste mal umsehen?
Wir waren so im Hinterland unterwegs. Direkt am Meer waren wir dieses Mal nicht, aber weit weg ist es ja nicht
Loulé ist ja hübsch! Das liegt nicht direkt am Wasser, ne? Weißt du, wie weit das ist bis zum Meer? Liebe Grüße von der Nordsee 😉
Nee liegt nicht direkt am Wasser, aber bis zum Meer sind es nur rund 20 Minuten mit dem Auto. Ein Katzensprung!