Meine Reise durch Wales beginnt in einem kleinen Dorf im Norden, in Llangollen. Llangollen besteht nur aus ein paar Häusern, aber drum herum gibt es so Einiges zu sehen.

corn mill muehle llangollen WalesBlick vom Bahnhof auf die alte Mühle in Llangollen

Als Erstes schleppt mich Mike, mein Guide, zu einem winzigen Hafen. Die Boote, die hier liegen, sind allerdings merkwürdigen dünn und lang. Bald verstehe ich aber, warum sie so schlangenförmig sind. Diese Boote fahren nämlich auf einem schmalen Kanal über das alte Aquädukt von Pontcycllte. „Von hier aus gehst du einfach dort um die Ecke am Kanal entlang. Ich warte auf der anderen Seite auf dich“ ruft Mike mir noch zu und schon fährt er los.

Boot-Pontcysyllte-Aquaedukt– Llangollen-River in the Sky

Pontcysyllte Aquädukt – River in the Sky

Ich marschiere dann mal los und nach nur wenigen Metern stehe ich tatsächlich auf dem Aquädukt. Wow, was für ein Gefühl! Das Wasser plätschert in bestimmt vierzig Metern Höhe neben mir dahin. Ein kleiner Fluss im Himmel. Ich spaziere auf einem schmalen Weg direkt neben dem Kanal über das Tal hinweg. Es riecht nach frisch gemähtem Gras und fühlt sich aufregend an, obwohl ich ja eigentlich nur spazieren gehe. Aber irgendwie hat das hier was von Seiltanzen. Der Wind pfeift mir um die Ohren und es ist ziemlich kalt hier oben. Nur sehr wenige Leute machen sich auf den luftigen Weg über die Schlucht. Das ist auch besser so, denn wenn sich zwei Fußgänger hier begegnen, muss man schon ein wenig zur Seite gehen und ich habe wirklich keine Lust, in das eiskalte Wasser zu fallen.

kanal-boot-Pontcysyllte-Aquaedukt– Llangollen-River in the Sky

bruecke-Pontcysyllte-Aquaedukt– Llangollen

Während ich so über das Aquädukt laufe, sind gerade keine Boote unterwegs, aber dafür kann ich auf beiden Seiten dieser Wasserbrücke tief hinunter ins Tal sehen. Wie kommt man bloß auf die Idee, so etwas Geniales zu bauen? Ich staune völlig fasziniert über dieses massive Meisterwerk aus Stein und Eisen. Das ist ja unglaublich! Als ich bibbernd aber happy auf der anderen Seite ankomme und wieder ins Auto steige, erzählt mir Mike dann die Geschichte des Aquädukts.

Der Kanal geht nämlich nicht nur hier über das Aquädukt, sondern führt von Llangollen aus weit durch die Gegend. „Bevor die Eisenbahn erfunden wurde, waren die Kanäle die einzige Verbindung von London bis in den Nordwesten der Insel, wo die Schiffe nach Irland ablegen. Sie waren der Transportweg für Mensch und Material, durch die dichten Wälder des walisischen Nordens“.

Pontcysyllte-Aquaedukt– Llangollen-kanal

fluss in den wolken llangollen aquaedukt

Im Jahre 1815 wurde ein Ingenieur namens Thomas Telford damit beauftragt, eine Straße für die Postkutschen durch Wales wilden Westen zu bauen. Eine wahre Mammutaufgabe, bei der er Berge und Täler überwinden musste. Aber er ging die Sache sehr geschickt an und baute neben dem Aquädukt auch zahlreiche Brücken, wie zum Beispiel die Menai Suspension Bridge auf Anglesey, die ich später auch noch sehen werde. Telfords Entwürfe sind eher klassisch und fast schon behutsam in die Umgebung eingebracht. Die Erbauer der Eisenbahnlinien, ein paar Jahre später, waren da nicht so rücksichtsvoll, findet Mike.

Pontcysyllte-Aquaedukt– Llangollen

Emma, die Dampflok in Llangollen

Wo wir gerade beim Thema Eisenbahn sind – als wir am späten Nachmittag in Llangollen ankommen, sind wir gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie eine alte Dampflok in den kleinen Bahnhof einfährt.

Alter Bahnhof Llangollen Wales

Der Bahnhof, auf der gegenüberliegenden Seite der alten Mühle, sieht aus wie in einem Film, als sei die Zeit hier stehen geblieben. Sogar ein Stapel alter Koffer aus echtem Leder steht noch auf dem Bahnsteig neben dem Gleis. Jetzt fehlt nur noch eine feine Dame mit langem Kleid und gerüschtem Sonnenschirm, die an uns vorbeirauscht, um in den nächsten Zug zu steigen. Die Lok fährt ein. Irgendwie hat sie etwas sehr Elegantes an sich. Sofort taufe ich sie, ganz leise und im Geheimen: Emma passt einfach total perfekt zu der alten Dame. Weißer, dichter Dampf düst schnaubend aus irgendwelchen Rohren. Emma muss sichtlich verschnaufen.

alte Dampflok Bahnhof Llangollen Wales

Auch der Schaffner sieht schon etwas in die Jahre gekommen aus. Er hat schütteres, weißes Haar und geht leicht gebeugt, aber er ist Feuer und Flamme, als er mit mir über die schöne, schwarze Lok spricht. Achtzig Jahre sei die dampfende Lady schon alt. Aber sie ist nicht die einzige Lok in Llangollen. Es gäbe da noch ein paar jüngere Modelle. Angeblich habe man sogar noch alte Konstruktionspläne gefunden. „Wahrscheinlich wollen sie bald eine ganz neue Lok bauen, originalgetreu, nach den Plänen von früher“, verrät er mir. Für Eisenbahnliebhaber muss das hier ein Himmel auf Erden sein.

bahnhof Llangollen Wales

Die Weinbar im Gales Hotel

Abends sitzen Mike und ich dann in einem urgemütlichen Pub, das eigentlich gar kein Pub ist, sondern eine Weinbar. Was so rustikal und sehr hölzern daherkommt, hat es in sich. Allerfeinste Weine aus Frankreich, Italien und Spanien (und noch mehr Ländern) hat Pip, der eigentlich Philipp heißt, für seine Gäste bereitstehen. Und die Gourmets mit feinem Gaumen lassen sich gern von ihm beraten. Mich lässt er drei verschiedene, trockene Rotweine kosten. Alle drei sind sehr lecker. Pip lächelt, als ich mich für einen kräftigen Portugiesen entscheide.

gale hotel llagollen wales

Das Haus selbst ist bestimmt ein paar Hundert Jahre alt. In den Fluren und in den Zimmern knarren die Holzdielen und die Balken, als wollten sie Geschichten erzählen. Wenn das deutsche Wort „urig“ irgendwo hinpasst, dann hier. Auch die Zimmer sind einfach echt richtig gemütlich.

Richard ist Pips Vater. Er hat das Gales in den siebziger Jahren eröffnet. Das alltägliche Geschäft managt längst sein Sohn, aber Richard ist dennoch sehr präsent und genießt es sichtlich, in der Weinbar mit den Gästen zu plaudern. Eigentlich ist Richard zwar Engländer, aber verkörpert das walisische Sein wie ein echter Waliser. Warmherzig, gesellig, ein ganzer Kerl und eben ein Original. Und sofort hat er auch Mike und mich in ein nettes Gespräch verwickelt.

abends im Gale hotel Llagollen Wales

Damals, als Richard den Weinladen aufmachte, wurde er von der lokalen Presse fast schon verhöhnt. Niemand glaubte daran, dass ein Weinladen in diesem kleinen Ort überleben würde. Nun, wie man sieht, die Zeit hat ihm recht gegeben. Es gibt eindeutig mehr Feinschmecker in der Gegend, als die Zeitungsleute damals annahmen. Der Weinladen und die Bar sind zu einem Treffpunkt der Dorfbewohner geworden, die Besucher wie mich sehr unkompliziert und charmant in ihre gemütliche Runde aufnehmen. So kommen der Stadtschreier Austin, der mit seinem weißen Bart original wie der Weihnachtsmann aussieht, und seine Frau auf ein Gläschen Wein vorbei. Und auch Mel und Dafydd setzen sich eine Weile zu uns, fachsimpeln über den ausgeschenkten Wein und das gute Essen, philosophieren über das Leben an sich, und tauschen die neuesten Neuigkeiten aus.

Ich fühle mich schnell pudelwohl und gut aufgehoben in dieser kleinen Dorfgemeinschaft. Das Gläschen Châteauneuf-du-Pape in meiner Hand trägt sicher auch dazu bei, dass ich hier sitze und meinen ersten Abend in Wales einfach nur genieße.

Noch mehr Infos und Tipps zu Llangollen:

Gales Of Llangollen
Hotel & Wine Bar
18 Bridge Street,
Llangollen
Denbighshire LL20 8PF
Website des Hotels mit vielen guten Infos:  www.galesofllangollen.co.uk

Bahnhof und Eisenbahn:
Website mit Infos zur Dampfeisenbahn: www.llangollen-railway.co.uk

Ganz in der Nähe des kleinen Ortes gibt es noch ein paar interessante Dinge zu sehen. Leider hatte ich aber keine Zeit mehr, mir das genauer anzugucken, hier also nur ein paar Fotos:

Eliseg s Pillar LlangollenElisig’s Pillar

Elisig’s Pillar ist eine steinerne Säule. Es ist das Einzige, was von dem mächtigen keltischen Kreuz übrig geblieben ist, das ein walisischer Herrscher im neunten Jahrhundert an dieser Stelle errichten lassen hatte. Das Kreuz gab auch der ganz in der Nähe liegenden Klosterkirche ihren Namen : Valle Crucis Abbey.

llangollen Valle Crucis Abbey klosterruine
Ruinen der Klosterkirche – Valle Crucis Abbey

Die Valle Crusis Abbey gehörte zu einem im dreizehnten Jahrhundert gegründeten Zisterzienserkloster. Viele Zisterzienser siedelten sich damals oft in der weit abgelegenen, rauen Gegend, im Norden von Wales an. Viele der Klöster und Kirchen wurden im sechzehnten Jahrhundert, im Zuge der Reformation der englischen Kirche durch King Henry VIII, dem Erdboden gleichgemacht. Henry übernahm den Besitz der katholischen Kirchen und bereicherte seine eigenen Kassen um beträchtliche Schätze und Güter. Aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte.

llangollen wales
Blick von der alten Mühle auf den Bahnhof in Llangollen

muehle-llangollenRestaurant in der alten Mühle

Dieser Artikel entstand im Rahmen eines Blogtrips, der von Visit Wales unterstützt wurde. Besonders lieben Dank an Mike, meinen allwissenden und geduldigen Guide von Dragon-Tours.