Simone lebt schon seit einigen Jahren in Malaga und ist heute mein Foodsherpa. Um einen traditionellen Reis und Gazpacho zu kochen, gehen wir zunächst auf dem Markt einkaufen. Während wir vor dem schönen alten Gebäude stehen, erzählt mir Simone die Geschichte der Markthalle. Ganz früher, so im dreizehnten Jahrhundert, befand sich hier nämlich eine Werft. Damals reichte das Mittelmeer noch bis kurz vor die Tore des heutigen Marktes. Die Nasriden, die in dieser Zeit Malaga beherrschten, bauten hier ihre Schiffe. Das schöne Eingangstor ist jedoch das einzige Überbleibsel der einst prächtigen maurischen Anlage. Oben kann man an einer Ecke noch das Motto der Nasriden Dynastie lesen – jedenfalls, wenn man Arabisch versteht.
Auch der Name des Marktes, Mercado Central de Atarazanas, erinnert noch an die Zeit der Mauren, den das Wort atarazanas stammt aus dem Arabischen und bedeutet nichts anderes als Schiffswerft.
Nachdem die Katholischen Könige dann im fünfzehnten Jahrhundert Malaga erobert hatten, verfiel die alte Werft. Unter anderem befanden sich hier ein Militärkrankenhaus und eine Kaserne. Doch die Malagueños brauchten einen Markt. Bis ins achtzehnte Jahrhundert verkauften die Marktleute ihre Waren einfach auf dem Boden. Aus hygienischen Gründen und sicher auch weil Les Halles in Paris gerade neu gebaut und schick waren, beschloss man auch in Malaga eine richtige Markthalle zu errichten. Im Stil des französischen Marktes entstand also der gusseiserne Atarazanas Markt. Die bunten Fenster sind allerdings neueren Datums, die wurden erst 2008-10 eingebaut, erklärt Simone.
Dann betreten wir endlich den Markt. Drinnen herrscht ein wunderbar farbenfrohes Wirrwarr. Simone führt mich durch das bunte Labyrinth zu den einzelnen Ständen, denn sie kennt hier jeden und weiß, wo wir was am besten kaufen. Die Fischverkäufer riecht man nicht nur, man hört sie vor allem. Laut brüllen sie ihre Angebote den Marktbesuchern entgegen. Und wirklich alle sind hier gut gelaunt, haben Zeit für ein nettes Wort und eine freundliche Begrüßung. Es ist fast wie eine große Familienfeier, voll, laut und lustig. Einige der Marktleute stellen sich sogar für mich in Pose zum Fotografieren. Was für liebe, fröhliche Menschen!
Simone erklärt mir die Vielfalt der Obst- und Gemüsesorten, die es hier gibt. Allein vierzig Sorten Tomaten, die so lustige Namen haben wie huevo de toro (Stiereier), teta de cabra (Ziegenbusen) oder corazon de buey (Ochsenherz). Dann gibt es über dreißig Sorten Zitrusfrüchte, von den verschiedenen Zitronen über Orangen bis zu Pampelmusen und Kumquats. Sogar eine süße Zitronensorte und eine, die aussieht wie ein gelber Tintenfisch, die mano de buda gibt es hier.
Gleich neben Malaga, etwas weiter an der Küste entlang, liegt die Axarquía. Dort herrscht ein subtropisches Klima, in dem exotische Früchte wie Papaya, Mango, Chirimoya, Litchis oder Avocado wachsen. Sogar Zuckerrohr gibt es, aus dem man traditionell eine Art Honig-Melasse herstellt.
Und dann sind da noch die bläulichen Rosinen, die werden hier aus den Moscatel Trauben, aus denen man auch den süßen Wein macht, hergestellt. Die Trauben, die nicht im Wein landen, werden noch wie in alten Zeiten von der Sonne getrocknet und von Hand verarbeitet. Simone erzählt so viele spannende Geschichten, während wir hier und da einkaufen: von Pedro Ximenez, der angeblich ein Deutscher namens Peter Siemens gewesen sein soll und die süßen Trauben einst hier hergebracht habe, von den typischen Ziegen aus der Gegend, die besonders gute Milch geben, aus der dann leckerer Ziegenkäse gemacht wird, von traditionellen Gerichten mit viel Schmalz und natürlich auch von Boquerones, von verschiedenen Tintenfischen und sogar kleinen Haien, die hier zum Verkauf angeboten werden.
Nicht zu vergessen die Oliven! Spanien ist mit Abstand der weltgrößte Olivenölhersteller. Und innerhalb Spaniens wiederum kommt der größte Teil der Oliven aus Andalusien. Hier gibt es die besten Öle, preisgekrönte Virgen Extra Öle aus Hojiblanca, Arbequina, Manzanilla, Gordalilla und wie sie alle heißen. Die Aloreña ist eine besondere Olivensorte aus Malaga, die sogar eine eigene D.O., eine geschützte Herkunftsbezeichnung, hat.
Wir kaufen noch ein leckeres Brot und machen uns auf den Weg zum Kochkurs.
Kochkurs in Malaga
Ámparo wartet schon auf uns. Im Soho Viertel Malagas, dem Künstlerviertel der Stadt, hat sie eine kleine Kochschule, in der wir heute ein traditionelles Reisgericht und Gazpacho machen wollen. Ámparo liegt die regionale Küche sehr am Herzen. Es gibt so viele wunderbare, frische Produkte hier. Während wir schnipseln und kochen und leckere Düfte beginnen durch die Küche zu ziehen, erzählt sie von ihrer Philosophie. Sie gibt mir auch nicht einfach die Mengenangaben für das Rezept, denn sie möchte, dass ihre Schüler lernen, ein Auge für das Gericht und die Produkte zu entwickeln. Ein Satz von ihr bleibt mir besonders im Gedächtnis:
In der Küche musst du mit all deinen Sinnen arbeiten!
Das ist im Grunde genau der Punkt, um den es hier geht. Wie muss das frische Produkt riechen? Wie soll es aussehen, wenn du damit arbeitest? Geschmack, Textur, Duft, Aussehen – das alles gehört in ihrer Küche zusammen! Ich genieße es total, dieser faszinierenden Frau beim Kochen zuzuschauen und von ihr zu lernen. Sie liebt gutes Essen ohne viel Firlefanz und sie liebt Malaga.
Genau das ist für mich das Schönste am Reisen, wenn ich die Menschen durch die Kochtöpfe kennenlernen kann. Über das Wie und Was die Menschen essen, kann ich so viele über ihre Kultur und ihre Geschichte erfahren. Ich will wissen, welche Produkte diese Landschaft hervorbringt und wie die Malagueños sie zubereiten. Ich will essen, was sie essen, um näher dran zu sein, um Malaga nicht nur zu sehen, sondern auch zu schmecken.
Während unser Reis mit Gemüse und Hühnchen im Topf vor sich hinzieht, bereiten wir ein Gazpacho zu. Ámparo erklärt mir aber gleich, dass selbst die meisten Einheimischen gar nicht mehr wissen, wie das ursprüngliche Rezept dieser kalten Sommersuppe zubereitet wird. In ganz Spanien ist Gazpacho eine beliebte Vorspeise, besonders im Sommer. „Aber eigentlich gehört da keine Zwiebel und keine Gurke rein“. Ich bin echt überrascht, denn ich kenne das Gazpacho Rezept auch mit diesen Zutaten, die laut Ámparo gar nicht bekömmlich sein sollen. Traditionell nimmt man nur Tomaten, etwas grüne Paprika, ein bisschen trockenes in Wasser eingeweichtes Brot, gutes Olivenöl, etwas Essig, Salz und Pfeffer. Mehr nicht.
Wir schneiden das Gemüse, pürieren alles und gießen dann das Öl drauf. Ámparo achtet darauf, dass ich mir die Suppe genau ansehe, wie sie beginnt die Farbe zu ändern und zu glänzen, während ich das Öl langsam zugebe. Das Ergebnis ist perfekt! Gazpacho fand ich ja schon immer lecker, aber jetzt, wo die beißende Zwiebel wegfällt, schmeckt sie mir gleich noch zehnmal besser.
Wo wir schon bei den Suppen sind, erklärt Ámpao mir auch noch die anderen Suppen des Südens. Denn bevor die Entdecker Amerikas die Tomate in die mediterrane Küche einführten, aßen die Andalusier vorwiegend Brotsuppen. Die frische, rote Gemüsekugel aus dem Westen brachte eine willkommene Abwechslung in ihre Teller und wurde schnell zum festen Bestandteil ihrer Rezepte. In der Gegend von Córdoba isst man zum Beispiel Salmorejo, auch eine frische rote Sommersuppe auf der Basis von Tomaten, nur etwas dicker und sämiger als der Gazpacho.
In Malaga findet man noch eine noch dickere Variation des Salmorejo, in der der Löffel fast schon stehen kann, nämlich die Porra antequerana. Als Porra bezeichnete man den eigentlich den Mörser, mit dem die Zutaten für Suppe in einem Schälchen zerstampft wurden. Diese Porra antequerana isst man eigentlich nicht nur in Antequera, sondern in allen Dörfern der Region. Den Ortsnamen als Zusatz erhielt die Suppe, nicht weil sie hier erfunden wurde, sondern weil noch zu Zeiten des Francoregimes eine Hausfrau aus Antequera dieses Gericht als Beitrag zu einem Kochwettbewerb in Madrid beigesteuert hatte. Seither setzte sich diese Bezeichnung, sehr zum Ärger der Nachbardörfer, durch.
Sowohl Gazpacho als auch Salmorejo und Porra werden mit diversen klein geschnittenen Zutaten, wie Gurke, hart gekochtem Ei, Schinken, etc. „ergänzt“. Ámparo holt ein geflochtenes Körbchen. Es ist so eine Art andalusischer Henkelmann, denn die Arbeiter, die auf den Olivenplantagen stunden- oder manchmal tagelang unterwegs waren, nahmen sich ihr Essen mit auf die Felder. Die Region war arm und karg und so war auch das Essen. In Gruppen saßen sie zusammen und aßen gemeinsam ihre Suppe. Jeder hatte von zu Hause irgendwelche Reste mitgebracht, die er in sein Schüsselchen gab, um das magere Mittagessen zu ergänzen und das war eben mal eine Gurke, mal ein Ei, oder was auch immer gerade übrig geblieben war.
Während wir schließlich gemeinsam am Tisch sitzen, und uns den Gazpacho und den Arroz del Monte schmecken lassen, erzählt Ámparo noch von anderen traditionellen Gerichten, wie den weißen Suppen Ajoblanco und Gazpachuelo. Beide Suppen sind weiß, enthalten aber keine Milchprodukte. Gazpachuelo ist im Grunde eine Fischsuppe und Ajoblanco besteht vorwiegend aus Mandeln und Knoblauch.
Ich sehe schon, ich werde gar nicht genug Zeit haben, alle diese Gerichte zu probieren …
Gazpacho Rezept:
Tomaten
grüne Paprika
Olivenöl
Essig
Salz Pfeffer
Wasser
Brot
Zunächst wird das Brot mit etwas Wasser eingeweicht. Das Gemüse wird klein geschnitten und mit Salz und Pfeffer in eine Schale zu dem Brot gegeben. Dann kommt etwas Wasser und Essig dazu. Das Ganze pürierst Du und lässt ganz langsam das Olivenöl in die Suppe laufen. Eigentlich war es das auch schon. Den Gazpacho noch in kleine Gläser füllen und probieren!
Gazpacho und Arroz del monte – Das Reisrezept kommt auch noch!
Tausend Dank an Ámparo und Simone von den Spain Food Sherpas, die mich zu diesem Kochkurs eingeladen haben. Wenn Du in Malaga bist und auch einen Kochkurs machen willst, findest Du bei den Food-Sherpas garantiert etwas Passendes: Kochkurse-in-Malaga
Hinweis: Vielen Dank auch an only-apartments, die mir ein kleines Apartment für meinen Aufenthalt in Malaga zur Verfügung gestellt haben. Die hier dargestellte Meinung ist wie immer einzig und allein und ausschließlich meine eigene.
Danke für diese kulinarische Reise. Wir lesen gern Blogbeiträge über unsere neue Wahlheimat!