In meinen letzten Artikeln, wie Abenteuer Japan berichtete ich bereits über meinen Aufenthalt in Japan, in der Kansai Region, darüber welche Bräuche und Sitten ich dort erleben durfte und welche kulturellen Unterschiede mir besonders aufgefallen sind. Im letzten Bericht, schrieb ich über die roten Ahornbäume in Kyoto, über das Schloss und die Neonlichter in Osaka und das überteuerte Rindfleisch in Kobe.
Auch wenn Japan ein sehr sicheres Land ist, kann es ganz schön gruselig sein, sich nicht verständigen, geschweige denn irgendetwas lesen zu können. Anfänglich hatte ich deswegen Bedenken, alleine Bahn zu fahren. Doch wie es mit allem ist, braucht man manchmal nur einen kleinen Schubs, um sich selbst zu überwinden. So entschloss ich mich dann eines Tages endlich, mich doch an das japanische Schienennetz JR (Japanese Railways) zu wagen und nahm die grüne Linie nach Nara.
Hier kommt mein Tagesausflug nach Nara.
NARA-SHI 奈良市
Die Stadt Nara war für kurze Zeit im 8 Jh. kaiserliche Hauptstadt von Japan. Sie gilt als eine der kulturell reichsten Städte, denn von ihrer traditionellen japanischen Architektur ist vieles fast intakt erhalten geblieben. Die meisten und bekanntesten Tempel befinden sich im großen Nara Park und gehören zum UNESCO Weltkulturerbe.
Der Nara Park ist voll mit frei herumlaufenden Sikahirschen, die auch die Protagonisten der meisten Souvenirs der Stadt sind. Hirschköpfe sind auf T-Shirts, Taschen und allerlei Verpackungen gedruckt. Postkarten, Schürzen, Socken und Plüschtiere sind mit Geweihen verziert. Sogar einige Buddha-Figuren tragen Sika-Geweihe. In meinen Augen, eine äußerst kuriose Kombination.
Der Beginn der Parkanlage erstreckt sich auf der Seite, die der Stadt zugewandt ist, zunächst auf flachem Gelände. In seinem Verlauf geht der Park jedoch in den Berg über. Je tiefer es in den Park und zu den Tempelgebäuden geht, desto höher geht es bergauf.
Schon ganz am Anfang, wo die Straßen geteert sind und kaum ein Grashalm wächst, kann man schon mal ein verirrtes Hirschlein sehen, das sich die Blumen im Vorgarten eines Anwohners gönnt. Je näher man dem Park kommt, und je weiter in den Park hinein, desto mehr dieser Tiere findet man. Die meisten von ihnen sind alles andere als scheu. Sie lassen sich von Touristen gern den Nasenrücken streicheln und wenn sie gefüttert werden, beschweren sie sich auch nicht gerade. Ich persönlich mag sie lieber nicht anrühren, denn fast alle haben dreckiges, klebriges Fell.
Das Wandern durch diesen Teil des Parks ist mehr ein Ausweichen der Touristengruppen, uniformtragender Schülergruppen und der Hirsche samt ihrem Kot, den sie in regelmäßigen Abständen auf dem Boden platzieren.
Natürlich respektiere ich es voll und ganz, dass diese Tiere hier lange vor den Touristen lebten, als heilig gelten und geschützt sind. Der Legende nach, ritt Takemikazuchi, einer der vier Gottheiten des Kasuga-Schreins, eines Tages auf dem Rücken eines weißen Hirsches. Seitdem werden die Sikahirsche als heilige Boten von den Einwohnern von Nara geschützt. Aber ob die Hirsche das alles wissen?
Der Tōdai-ji Tempel ist ein riesiger buddhistischer Tempel – das größte Holzbauwerk der Welt und beherbergt eine ebenso große Buddha-Figur. Der Haupteingang zum Tempel ist das Tōdai-ji Nandaimon, das große Südtor. Allein das Eingangstor ist schon prächtig. Mit seinen zwanzig Metern Höhe und den gruseligen Agyō-Werter-Statuen links und rechts ist es ein sehr imposantes Bauwerk.
Das Gelände um den Tempel herum ist gut besucht. Genau zwischen dem südlichen Haupttor und dem Tōdai-ji Tempel liegt der Wallfahrtspfad aus Kopfsteinpflaster (und Hirschkot). Rechts davon, ein Teich voller Karpfen. Hier ist die Menschenansammlung am größten. Doch wie so oft, reduzieren sich die Touristenströme auf ein oder zwei Hauptpfade, wenn man von denen abweicht, findet man ruhige schöne Ecken.
Je höher man auf den Wakakusa-Berg gelangt, desto weniger Leute, und umso ruhiger geht es zu und umso magischer sind die Tempel. Ähnlich wie bei unseren gotischen Kirchen, die weit in die Höhe gebaut wurden, um näher bei Gott zu sein, bauten auch Buddhisten und Shintoisten ihre Tempel und Schreine hoch oben auf den Bergen, denn je höher, desto näher an den Kami (Gottheiten).
Über viele Stufen die links und rechts von moosbewachsenen Tōrō 灯籠 Steinlaternen gesäumt sind, komme ich langsam aber sicher nach oben. Als ich beim Nigatsu-do Tempel 二月堂 (Ni “2” Gatsu “Monat”, also “Saal des zweiten Monats”) ankomme, fühlt es sich an wie eine Zeitreise. Die regengeschützten Korridore, die die unterschiedlichen Ebenen verbinden, der Hof unten zwischen den traditionellen Holzbauten… Man kann sich richtig vorstellen, wie hier früher die Mönche auf ihren klappernden Holzsandalen herumliefen und wie die Samurai in ihren Rüstungen auf dem Platz ihre Schwertkünste übten. Ich verbeuge mich vor noch einem Torii tief, bevor ich ihn durchquere. Als ich das Bildnis eines Drachen sehe, werde ich richtig ehrfürchtig. Ich bin ich so sehr gerührt von der Schönheit des Tempels, des Ausblicks und dem Bildnis des Drachens, dass mir fast Tränen kommen. Benzaiten ist T’s Lieblingsgottheit, denn sie ist die Schützerin der Drachen, mit der sie durch das Wasserelement verbunden ist.
Wie T es mir beigebracht hat, werfe ich also eine Münze, schließe die Augen, klatsche einmal in die Hände, verbeuge mich tief und läute die Glocke des Tempels. Ich verweile eine halbe Minute in meiner Verbeugung, dann gehe ich weiter.
Auf dem Rückweg kann ich nicht widerstehen, in einem Stoffladen japanische Stoffe und in einem traditionellen Stäbchenladen Hashioki (Hashi sind Stäbchen; Hashioki, Stäbchenhalter) zu kaufen. Ganz ohne Hirschmotive und ohne Geweih.
Als ich dann schließlich wieder am Bahnhofplatz angelangt bin, erklingt die metallische, etwas wackelige Melodie eines Shamisen 三味線, das mit einer Art Klinge auf drei Saiten gespielt wird. Dazu kommt der hölzern klingende Aufprall der Hyoshigi 拍子木 Stöcker, der durch das Echo der umliegenden Gebäude verstärkt wird. Ein schönes traditionelles Abschiedsständchen für die Heimreise nach Itami.
Sehr schöner Bericht man kann sich alles vorstellen und es erweckt Reisesehnsucht