Die goldbraunen Getreidefelder um mich herum sehen vertrocknet aus. Der Staub, den vorbeifahrende Autos vom Sandweg aufwehen, paniert die Blumen, die am dichtesten am Wegesrand stehen. Das dürre Klima erinnert mich an zu Hause. Hier strahlt die Landschaft nicht mehr dunkelgrün, üppig bewachsen, feucht und tropisch wie auf der Nordinsel. Auch nicht mehr so wild und ungezähmt. Hier hat die Menschenhand viel mehr in die wilde Natur eingegriffen. Äcker, Felder und Plantagen wurden angelegt.
Nachdem ich mit dem Interislander Ferry auf der Südinsel Neuseelands angenommen bin, geht es jetzt in Richtung Nelson, in den Norden der Südinsel, den so genannten Top of the South.
Nelson: eine ruhige Stadt
Die Stadt Nelson hat alles, was eine Stadt braucht: Wochenmarkt, Kino, Läden, Cafés und Restaurants, auch ein Museum fehlt nicht. Wenn du meine anderen Neuseeland Artikel bereits gelesen hast, hast du vielleicht bemerkt, dass mich die Städte nicht besonders begeistern. Nelson ist da keine Ausnahme. Die Stadt ist nicht besonders schön, aber bietet gutes Wetter und Nähe zu schönen Stränden und Naturgebieten. Und immerhin ist immer irgendetwas Kulturelles los. Ich finde sogar eine coole Laufstrecke, die dem Fluss bis zum Black Hole folgt, einer beliebte Schwimmstelle, an der das Flussbett etwas tiefer ist.
Doch meine nächste Workaway/Wwoofing-Stelle führt mich noch weiter in den Norden, nach Motueka. Dort werde ich ein paar Wochen lang in einer kleinen Gemeinschaft leben und im Garten mithelfen.
Auf dem Weg dorthin mache ich einen kurzen Zwischenstopp in Mapua, einem kleinen Fischerdorf mit vielen Kunstgalerien. Hier soll es lecker Fish ‘n Chips geben. In Neuseeland wird Fish’n Chips einfach mit den Händen aus dem Einwickelpapier gegessen.
In Mapua findet zu Ostern die Mapua Easter Fair statt, ein besonderer Markt, der alle Leute aus der Umgebung anlockt.
Motueka Valley – Motueka & Riwaka: Schlaraffenland
Tasman, und insbesondere das Tal von Motueka, in der Gegend nördlich von Nelson, gelten als Fruit Basket, als Obstkorb Neuseelands. Eine Fahrt durch die Hauptstraße in Riwaka oder Motueka verrät warum: Wie im Schlaraffenland baumeln Früchte aller Sorten prall und reif, verlockend von den Bäumen am Wegesrand und in den Hausgärten. An jeder Ecke, vor jedem Haus und in jeder Einfahrt werden frisches Obst und andere Nahrungsmittel angeboten: frische Beeren für wenige Dollar, echtes Fruchtbeereneis, Aprikosen, Avocados, Pflaumen, Zitronen, sogar Honig und Eier von fröhlichen Hühnern. Auch Wein wird angebaut, Äpfel, Kiwis,Hopfen und Getreide, alles, was man sich nur vorstellen kann. Es wimmelt nur so von Orchards, Obstgärten und Plantagen.
Seit die ersten europäischen Siedler sich hier niederließen und bemerkten, dass das warme Klima perfekt für den Anbau von Früchten geeignet ist, gedeihen die verschiedensten Obstsorten. Heute übernehmen viele Leuten, die wie ich mit einem Working Holiday Visum unterwegs sind, die Erntearbeit, das Fruit picking.
Mit dem Fahrrad unterwegs: der Great Taste Trail
Der Great Taste Trail klingt schon vom Namen her verlockend, wie Radeln durchs Schlaraffenland. Es ist eine Fahrradroute, die auf fast 200 km der Küste folgt und dann im Inland von Nelson bis Kaiteriteri verläuft. Auf der Strecke fährt man an vielen Gärten und Weinstöcken vorbei. Als ich die Gelegenheit habe, mir ein Fahrrad zu leihen, muss ich unbedingt einen Teil der Strecke abfahren. Ich komme von Port Motueka bis Kaiteriteri. Zwischendurch führt ein Stück durch einen Mountainbike Park. Es ist der anspruchsvollste Teil der Strecke, aber ich hab auf meinen Radreisen schon härter in die Pedalen getreten. Allerdings hatte ich da auch ein echtes Mountainbike.
Hippies, Flower-Power und Leben in Gemeinschaft
Bummelt man ein wenig durch Motueka, dauert es nicht lange, bis einem auffällt, dass hier viele Hippies unterwegs sind. Die Kleidung in den Läden, die Musik, die gespielt wird, die Aromen aus den Bars und Cafés, es liegt irgendwie in der Luft. Auf dem sonntäglichen Wochenmarkt in Motueka gibt es nicht nur viele Foodtrucks mit Essen aus aller Welt, sondern es wird auch jede Menge Selbstgemachtes verkauft: Von Hand gehäkelt und genäht, selbst gebacken und gekocht, selbst gewoben, gepflanzt und gepflückt oder weiterverarbeitet in Form von Kerzen, Seifen, Kräutern, Naturkosmetik, Keramikkrügen, Teller und Tassen, und und und. Es ist schön zu sehen, wie Menschen Sachen mit ihren eigenen Händen schaffen und dabei auf uraltes Wissen zurückgreifen. An so vielen anderen Orten in dieser modernen Welt, in der wir leben, werden die Finger und Hände nur noch zum Wischen auf dem Smartphone genutzt. Da scheinen viele handwerkliche Fähigkeiten und Erfahrungen fast verloren. Aber nicht hier in Motueka.
Viele Menschen leben hier in kleinen Gemeinschaften auf dem Land, abgelegen von der Stadt in kleinen Hütten, Yurten, Erdhäusern oder alten Bauernhäusern. Sie führen ein einfaches, selbstgenügendes, nachhaltiges und respektvolles Leben im Einklang mit den Zyklen der Natur. Man spürt diese besondere Verbundenheit der Menschen mit der Erde, die sie ernährt, die Liebe zum Land, zur guten Nahrung, die Aufmerksamkeit in allem was sie machen, egal ob tanzen, Musik spielen, basteln oder kochen. In Gemeinschaft zu leben, das Miteinander zu teilen und sich gegenseitig zu unterstützen. Die Vorstellung so zu leben, geht mir oft durch den Kopf, denn alleine kommt man nicht weit. Menschen brauchen sich gegenseitig.
Bei Jenny, Jamie und Ju in der Tree Song Community lerne ich vieles über Hügelkultur, wie man veganen Käse zubereitet und wie man Hafermilch selber machen kann. Hier wird das Brot selbst gebacken, der Brotaufstrich selbst angerührt und Kohlköpfe zu Sauerkraut verarbeitet. Ich bin sehr dankbar für die Zeit, die ich dort verbringen, und für all das, was ich lernen durfte.
An einem der Tage gehen wir zum Gemeinschaftsessen zur Nachbargemeinde, der Riverside Community. Es ist die älteste Community dieser Art in Neuseeland. Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg ließ sich hier eine Gruppe christlicher Pazifisten nieder, die gegen den Krieg protestierten und einen anderen friedlicheren Lebensweg suchten. Seitdem wohnen hier Menschen friedlich und gut organisiert in einer Gemeinschaft. Alles was erledigt werden muss, wann und von wem, ist genau geplant. Es gibt einen Foodclub, einen kleinen Selbstbedienungs-Unverpackt-Laden, in dem die Bewohner alles Lebenswichtige besorgen können, und auch einen riesigen gut gepflegten Gemüsegarten. Für Besucher, die an so einem Lebensstil interessiert sind und gern einmal hereinschnuppern möchten, gibt es sogar ein Hostel. Auch ein Café wird von den Bewohnern der River Side betrieben, ein beliebter Treffpunkt für die Locals, indem oft Events oder Workshops stattfinden.
Von Bergen und Seen: Gipfel des Mount Arthur und Nelson Lakes
Bis zum Flora Carpark kommt man mit dem Auto. Ab hier geht der Weg hoch bis zum Gipfel des Mount Arthur. Die Steigung mit dem Auto bis hierher ist krass. Das Gelände ist bis zum Anfang des Wanderweges in keinem guten Zustand. Das Auto raucht und dampft aus der Motorhaube. Es ist völlig außer Puste, als wir oben am Parkplatz ankommen, der Motor scheint halb durchgebrannt. Von hier aus geht es zu Fuß weiter.
Am Anfang ist der Wanderweg sehr gepflegt, ein genau markierter Pfad führt relativ flach zwischen den Bäumen im Wald langsam den Berg hinauf. Nachdem man an der Berghütte vorbeikommt, folgt eine Gratwanderung. Das letzte Stück ist sehr felsig. Hier und da liegt noch ein wenig Schnee. Oben angelangt, wird man mit einer wunderschönen Panoramaaussicht beschenkt. Vom Gipfel des Mount Arthur sieht man die ganze Küste bis Nelson hinunter, dahinter erkennt man sogar die Marlborough Sounds. Auch den Abel Tasman Nationalpark kann man von hier aus erkennen.
Von Motueka eine Autostunde ins Landesinnere, liegen die von Bergen umgebenen Nelson Lakes. Von der kleinen Ortschaft Saint Arnaud aus führt eine sehr entspannte Wanderung ohne große Höhenmeter rund um das Ufer des Lake Rotoiti, bis zu den Whisky Falls.
Marahau und Abel Tasman National Park
Etwas nördlich von Motueka, zwischen Tasman Bay und Golden Bay liegt der Abel Tasman National Park. Schon lange bevor der niederländische Seemann Abel Tasman, nach dem der Nationalpark benannt wurde, an dieser Stelle vor Anker ging, lebten die Maori hier. Sie ernährten sich von Fischen, Meeresfrüchten und dort, wo es möglich war (denn die Erde in dieser Region besteht meist aus Granitgestein und ist relativ unfruchtbar), bauten sie Kumeras, neuseeländische Süßkartoffeln, an.
Der Abel Tasman ist Neuseelands kleinster, aber dafür meistbesuchter Nationalpark. Vor allem ist der Park bekannt für den Wanderweg, der bis zur Golden Bay führt und nur über Wasser oder zu Fuß zu erreichen ist. Da es sich nicht um einen Rundweg handelt, lassen sich viele Leute mit dem Taxiboot bis an eine der Buchten fahren und wandern dann bis Marahau zurück. Oder auch andersherum. Manche leihen sich einen Kajak. Campen ist an den meisten Buchten erlaubt. Hütten gibt es zwar auch, aber die sind oft ausgebucht. Viele Besucher wagen es nur auf die ersten paar Kilometer und wandern am gleichen Tag wieder zurück.
Als ich mich auf den Weg mache, nehme ich ein Taxiboot bis Anchorage Bay. Dort steige ich aus und wandere etwas weiter in den Wald, bis zum Cleopatras Pool, einem Swimming Hole, in dem man baden kann. Auf dem Weg dorthin muss ich knöcheltief durch einen Fluss waten. Als ich mich nach einer Weile wieder auf den Rückweg mache, reicht mir das Wasser bereits bis auf die Höhe meiner Hüfte! Die Flut steigt hier bis zu 5 Meter an, und das in kürzester Zeit. So schnell hatte ich es mir nicht vorgestellt. Zum Glück habe ich meine Badesachen noch an und es ist so warm, dass ich schnell trocken werde. Danach geht es ca. 13 km an der Küste entlang zurück nach Marahau.
Der Abel Tasman Nationalpark ist auch unter Neuseeländern ein beliebtes Urlaubsziel. Die Sommerferien sind hier in Neuseeland sind zugleich die Weihnachtsferien, und zu dieser Zeit ist am meisten los. Viele Neuseeländer lockt es zu dieser Jahreszeit in die Natur und an den Strand.
Auch ich verbringe Weihnachten in Marahau, bei einer anderen Wwoofing-Stelle. Doch es kommt mir überhaupt nicht weihnachtlich vor. Sommer, Strand, Sand, Hitze, Sonnencreme. Nichts davon bringt weihnachtliche Stimmung auf. Der Winter in Neuseeland muss schlimm sein, denke ich mir, wenn es dunkel und kalt ist, und man sich nicht mal auf Weihnachten freuen kann.
Eine Waharoa (so heißen die Maori Torwege), eine Caféteria/Pizzeria in der in der Sommersaison jeden Donnerstag beim Open-Mic viel los ist, einen Campingplatz und einen Kajakverleih – mehr gibt es in Marahau nicht zu entdecken. Nur die Häuser reicher Urlauber. Auch hier in Marahau, dem Eingang zum Abel Tasman Nationalpark, scheint sich alles um Äpfel zu drehen: der Split Apple Rock Beach, an dem sich nachts angeblich blaue Pinguine treffen und die Appletree Bay, überall trifft man auf irgendetwas mit Apfel.
Mystisch und Magisch: Takaka Hill und Riwaka Resurgence
Der Takaka Hill, der von den Einheimischen auch als Marmorberg bezeichnet wird, ist von einer besonders verzauberten Atmosphäre umgeben. Als ob der Berg aus einem Märchenbuch entsprungen wäre, sind seine Wälder besonders Grün und dicht bewachsen. Die vielen Wasserfälle und Quellen, die aus dem Boden unter dem Berg an die Erdoberfläche hervorkommen, sind so kristallklar, dass manche Menschen ihnen magische Heilkräfte zuschreiben.
Viele dieser Wasserquellen waren oder sind den Maoris heilig. Die Riwaka Resurgence im Kahurangi-Nationalpark liegt mitten im kühlen, feuchten Wald. Nur schüchtern durchbrechen einige Lichtstrahlen das Dach der dicht gewachsenen Blätter. Tief unter der Erde läuft das Grundwasser unter dem Takaka Hill durch eine Höhle hinaus bis an die Erdoberfläche, wo das kristallklare Wasser kleine Seen bildet. Wie ein Spiegel liegt die Wasseroberfläche still und ruhig. Die einzige Bewegung kommt von einem kleinen schwarzen Vogel, der in einer der kleinen Höhlen über dem Teich nistet und in Kreisen fliegt. Sonst regt sich nichts. Einer der flachen Felsen soll angeblich ein Geburtsstein sein, auf dem die Frauen des Ngati Tumatakokiri Maori-Stammes früher ihre Kinder zur Welt brachten. Die Atmosphäre hat etwas sehr Mystisches. Manche Leute füllen hier ihre Trinkwasserkanister auf, denn das Wasser soll ganz besondere Eigenschaften haben.
Rund um das Dorf Takaka gibt es viele solche verzauberten Stellen. Die Waikoropupu Springs, etwas weiter nördlich, sind die größten Süßwasserquellen Neuseelands. Auch hier ist das Wasser so kristallklar, und die Wasseroberfläche liegt so still, dass es aussieht, als wären die Algen und Pflanzen unter der Wasseroberfläche in Harz verewigt worden.
Auch die Wainui Falls, am oberen Ende des Abel Tasman National Parks haben dieses besondere Etwas. Der Wanderweg, um zum Wasserfall zu kommen, folgt dem Wainui River Flussbett. Schon von weitem hört man den Wasserstrom. Der Wasserfall ist genau so majestätisch wie er sich anhört.
Golden Bay: Wharariki Beach, der Hintergrund von Windows 10
Egal zu welcher Jahreszeit, wenn man zur Golden Hour, wenn die Sonne kurz davor ist unterzugehen, entlang der Kurven an der Küste von Takaka bis zum Cape Farewell fährt, kommt man sich vor wie in einem Indie-Roadmovie. Links und rechts paradiesische Fels- Berg- und Strandkulissen, und die letzten Sonnenstrahlen glitzern und funkeln auf der Wasseroberfläche.
Wilden Strömungen und Winden ausgesetzt ist Cape Farewell der nördlichste Punkt der Südinsel. Eigentlich war das Kap immer ein Rastplatz für allerlei Wale, die in den Ozeanen der Welt unterwegs sind. Mittlerweile werden aber immer weniger von ihnen gesichtet. Robben und Seelöwen toben sich aber noch regelmäßig herum.
Der bekannteste Strand in dieser Gegend ist der Wharariki Beach. Vom Parkplatz aus muss man erst durch eine Wiese stampfen, auf der Schafe grasen, dann durch einen Hain und anschließend durch grüne Teletubby-Hügel wandern. Am Ende geht es zwischen Sanddünen zum Strand. Der Wharariki Beach ist vor allem deswegen bekannt, weil ein Bild des Strandes die Standardeinstellung des Sperrbildschirms und eines der Desktop-Hintergrundbilder auf Windows 10 war.
Dadurch, dass man nur zu Fuß hierher kommt, ist es sehr friedlich. Nur die Fußstapfen im Sand verraten, dass auch andere Menschen da gewesen sind
TIPPS
- In der Region von Tasman und Golden Bay ist Wwoofing und Workaway gang und gebe.
- Der Sonntagsmarkt in Motueka ist in der ganzen Region sehr beliebt.
- Orchard Jobs, „Picking“ und „Packing“ sind saisonalbedingt.
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