Eigentlich bin ich auf dem Weg zu meinem Buchhalter in Sants, einem der „normalsten“ Viertel in Barcelona. Hier ist die Stadt noch ganz ungeschminkt. Sants kommt ohne Touristen und ohne Sehenswürdigkeiten aus. Arbeiter und Studenten bevölkern die Straßen und Plätze. Keine hippen, angesagten Clubs oder schicke Cafés, sondern ganz normale, schlichte Bars. Barcelona noch ganz echt eben. Da ich noch etwas Zeit und meine Kamera dabei habe, bummle ich noch etwas durch die Gegend und finde sogar doch ein paar sehenswerte Dinge…

Im neunzehnten Jahrhundert war Sants sehr von der gerade im Aufbruch befindlichen Industrie dominiert. Vor allem Textilfabriken befanden sich in dem kleinen Ort, der damals noch außerhalb Barcelonas lag. Erst am 20. April 1897 wurde Sants eingemeindet.

sants barcelona

Barcelona Sants ungeschminkt

Sants beginnt eigentlich da, wo die Eixample aufhört, am Hauptbahnhof. Die Straßen, die sich hinter dem zentralen Metro- und Bahnkreuzpunkt erstrecken, grenzen im Norden an die edlen Stadtteile Les Corts und Sant Gervasi, und im Süden an den Montjuïc und das Poblesec.

Die Lebensader des Arbeiterviertels bildet el Carrer de Sants, diese langgezogene Hauptstraße mit ihren zahllosen kleinen Läden und Boutiquen, die quer durch Sants verläuft. Große Marken sucht man hier allerdings vergeblich.

Barcelona Sants Bäckerei

Ähnlich wie in Gràcia, das ja auch erst im Laufe der Zeit von Barcelona eingemeindet wurde, ist an der Plaça d’Osca noch der einstige Dorfcharakter des Viertels zu spüren. Da es in Sants sehr eng und dicht bebaut war, gab es wenig Raum für Grünflächen oder Plätze. Genau genommen gab es nur die Plaça d’Osca, auf der der Markt stattfand. Heute reihen sich rings um den Platz Bars und Restaurants aneinander. Im Sommer sitzt man hier abends gemütlich an den Tischen auf den Terrassen draußen und genießt die lauen Sommernächte.

Barcelona Sants Plaça Osca

plaça d osca Barcelona Sants

Und was das Grün angeht, gibt es seit den achtziger Jahren des letzten Jahrhundert sogar einen Park in Sants. Direkt neben dem Bahnhof wurde nämlich nach dem Abriss einer alten Textilfabrik eine Erholungszone für die Anwohner angelegt, der Parc de l’Espanya Industrial. Ganz so einfach war die Durchsetzung der Grünfläche natürlich nicht. Ursprünglich hatten die Besitzer des Grundstücks einen Gewinn versprechenden Verkauf an eine Immobilienfirma geplant, aber glücklicherweise mischte sich die Stadtverwaltung auf Druck der Bürger ein, und gab das Grundstück schließlich zur öffentlichen Nutzung frei. So entstand in den achtziger Jahren die von dem baskischen Architekten Ganchegui entworfene Grünanlage mit Kanälen, Picknick-Plätzen und einem riesigen Drachen. Nur noch der Name des Parks erinnert heute an die Textilfabrik die hier stand, bevor Bäume gepflanzt und ein kleiner See angelegt wurden.

Barcelona Sants Neptun
Der Neptun von Manuel Fuxà wurde eigentlich schon 1881 entworfen und hat hier im Park ein neues Zuhause gefunden.

Barcelona Sants Parc
Barcelona Sants Drachen Park

Der Schwanz des insgesamt 12 m hohen Drachen wird von den Kindern im Sommer als Rutsche benutzt. Entworfen wurde der Drache übrigens von dem Basken Andrés Nagel.

Sants Barcelona Drache

Sants Barcelona Parc D espanya industrial

Der Entwurf der neun Leuchttürme, die den See und den Park zum Bahnhof hin einrahmen, stammen von dem Architekten des Parks, Luís Peña Ganchegui.

Sants Barcelona skulptur Parc espanya industrial
Der Frauentorso, eine der zahlreichen Skulpturen im Parc de l’Espanya Industrial, ist eine Replik. Das 1947 entstandene Original wurde leider zerstört.

Wenn Du also in Barcelona am Hauptbahnhof vorbeikommst, kannst Du ruhig einmal aus der Metro oder dem Zug aussteigen und Barcelona ganz ungeschminkt erleben.