Ein Staudamm sollte hier gebaut werden. In den neunziger Jahren wollten die Behörden mitten in der friedlichen Landschaft des Vale do Côa einen riesigen Wasserspeicher anlegen. Doch die Oliven- und Mandelbäume, die in diesem versteckten, abgelegenen Winkel Portugals die Landschaft prägen, stehen noch immer. Es war wirklich knapp, aber die Bewohner und ein paar Archäologen konnten diese wunderschöne Naturlandschaft gerade noch retten. Im Eiltempo erklärte die UNESCO 1998 die letzten zwanzig Kilometer des Côa Tals zum Weltkulturerbe. Das stoppte den bereits begonnenen Bau des Staudammprojekts. Was war passiert?

 vale do côa felsmalerei

Archäologen hatten an den Ufern des Flusses die ersten prähistorischen Felsmalereien entdeckt. Von der Altsteinzeit bis in die jüngste Vergangenheit haben Menschen hier Spuren hinterlassen. Fast zugewachsen von Moos und Flechten, teilweise versteckt unter Sträuchern und angesammelten Sedimenten, fanden sie Hunderte prähistorischer Gravuren. Gerade noch rechtzeitig wurden die Arbeiten am Staudamm gestoppt. Dort, wo man schon mit dem Bau begonnen hatte, ist allerdings ein Teil der archäologischen Funde unter Wasser gesetzt worden und damit mehr oder weniger verloren.

Von den geretteten Fundorten des Archäologischen Parks sind nicht alle für Besucher zugänglich. Teilweise liegen sie in sehr unwegsamem Gelände. Doch einige der alten Felsmalereien kann man mit einem Guide besuchen. Organisiert wird das vom 2000 gebauten Museum in Vila Nova de Foz Côa.

Das moderne Gebäude des Museums befindet sich ganz oben auf einem Hügel. Von dort aus kannst Du das ganze Côa Tal und den Zusammenfluss des Côa mit dem Douro sehen!

 vale do côa felsmalerei
Im Museum do Côa werden die alten Felszeichnungen erklärt. Als originalgetreue Nachbildung kannst Du hier auch die Steine bewundern, die draußen in der Natur nicht besichtigt werden können. Manchmal muss man wirklich gut hingucken, um überhaupt etwas zu erkennen. Aus irgendeinem Grund überlappen sich viele Felsmalereien nämlich. Absichtlich oder unwissentlich haben die Menschen immer wieder genau dieselben Steine bemalt, wie andere Menschen tausend Jahre vor ihnen.

Museum Peñascosa vale do côa felsmalerei

Auerochsen, Pferde und Ziegen sind die am häufigsten vorkommenden Motive der ältesten Felsmalereien. Einige Tiere haben scheinbar mehrere Köpfe. Die Wissenschaftler vermuten, dass hier zum ersten Mal so etwas wie Bewegung in der Zeichnung festgehalten werden sollte. Auch die Bilder ähnlich aussehender Tiere derselben Art, die alle in eine Richtung zu gehen scheinen, interpretieren die Forscher als eine Art Markierung. Vermutlich haben die Menschen damals bereits eine Struktur angelegt, die wir heute, ohne den Kontext der Menschen von damals, nicht mehr lesen können. Vielleicht wollten sie sich so mitteilen, in welche Richtung die Herden gezogen sind.

 doppelkopf vale do côa felsmalerei

Museum vale do côa felsmalerei

Eines der Highlights ist der Spaghetti-Stein. Mehr als sechzig Zeichnungen sind hier übereinander gemalt worden! Es sieht aus wie eines der Schnittmuster in den Modeheftchen meiner Oma. Da habe ich mich auch immer gewundert, wie sie das lesen konnte.

 museum quinta da barca vale do côa felsmalerei

Noch mehr überlagernde Gravuren, nämlich an die 100, hat eine andere Stelle im Côa Tal, die heißt Fariseu, aber sie liegt leider heute unter Wasser.

fariseu museum vale do côa felsmalerei
Während Nordeuropa in der letzten Eiszeit unter Eis- und Schneemassen begraben lag, müssen die Herden der Tiere auf ihrer Futtersuche hier entlang gewandert sein. Den Herden folgten die nomadischen Menschengruppen. Richtige Trails müssen hier durch das Tal geführt haben. Außer Feuerstein, den es hier normalerweise nicht gibt, der also mitgebracht worden sein muss, fanden die Archäologen ganz unterschiedliche Reste menschlicher Niederlassungen im Vale do Côa. Neben Überresten von Homo sapiens sapiens hat man sogar Knochen von Neandertalern gefunden. Viele Menschen sind hier also schon entlang gezogen, lange bevor die Römer die Gegend entdeckten.

Die ersten Zeichnungen von Menschen kommen im Vale do Côa erst in der Eisenzeit vor. Hier im Museum ist auch für Laien wie mich eine deutliche Entwicklung im Stil der Felszeichnungen zu erkennen. Im Laufe der Zeit wurden die geradlinigen Umrisse der Tiere zu ausgefüllten Flächenzeichnungen. Fell und Augen werden dargestellt, manchmal sogar richtige Szenen, wie die Paarung der Pferde oder ein kämpfende Ziegen.

museum Peñascosa vale do côa felsmalerei

Am Abend ist es dann so weit. Ana ist nicht nur die Gastgeberin in der kleinen Pension, in der ich schlafe, sondern auch ausgebildeter Guide für den Besuch der Felsmalereien. Um die Fundstelle Peñascosa zu besuchen, treffen wir uns mit Ana in dem kleinen Dörfchen Castelo Melhor. Dort am Weg hat der Mandelbauer Carlos einen kleinen Laden mit regionalen Produkten, in dem er auch Honig, Seife und Liköre verkauft. Er erklärt uns welche unterschiedliche Sorten Mandeln es gibt und nimmt uns ein Stückchen mit zu seinen Feldern. Die Blüten seiner Mandelbäume sind dem üppigen Grün frischer Knospen gewichen.

Bald werden hier, wie jedes Jahr, wieder Mandeln wachsen. Doch Carlos denkt ans Aufhören. Sein Papa, heute stolze 90 Jahre alt, hat einst mit den Mandelbäumchen angefangen. Doch seit Carlos die wunderschönen Ländereien übernommen hat, wird es immer schwieriger, Arbeitskräfte zu finden. So manches Feld liegt längst brach, weil sich die Arbeit auf dem Feld nicht mehr rentiert. Schade eigentlich. Die Menschen ziehen weg, raus aus dem Dorf, hinein die großen Städte. Von den einst 900 Einwohnern leben hier nur noch rund fünfzig. Auch eine Schule gibt es in Castelo Melhor nicht mehr. Das und ähnliche Sätze werde ich auf meiner Reise durch den Osten Portugals noch öfter hören …

mandeln

Es ist schon dunkel, als wir schließlich bei den Felsmalereien ankommen. Im Dunkeln kann man die in den Stein geritzten Zeichnungen nämlich viel besser erkennen, als bei hellem Sonnenlicht am Tage. Mit Taschenlampen ausgerüstet machen wir uns auf den Weg. Der Mond scheint heute so hell, dass wir die Taschenlampen fast gar nicht brauchen. Ana meint, die Aussicht hier sei unglaublich schön. Davon sehe ich bei Nacht natürlich wenig, aber ich kann es mir lebhaft vorstellen. Nur das laute Rauschen des Flusses ist hier zu hören. Sonst ist es absolut still. Um uns herum sind nur grüne Hügel.

 vale do côa felsmalerei

Peñascosa vale do côa felsmalerei
Peñascosa vale do côa felsmalerei

Und dann sind wir da. Vor einem Stein bleibt Ana stehen. Erst als sie mit der Taschenlampe auf die feinen Linien leuchtet, kann ich die Zeichnungen erkennen. Es ist schon beeindruckend, wie die Menschen hier vor Tausenden von Jahren immer wieder übereinander gemalt und ihre Kennzeichnungen in die Schiefersteine geritzt haben. Etwas weiter, an einem anderen Stein, zeigt Ana uns sogar einen Fisch! Das ist selten, denn normalerweise kommen in den Felsmalereien Pferde, Ziegen und Auerochsen vor. Doch hier in Peñascosa ist definitiv ein Fisch zu erkennen. Da wir nahe am Fluss sind, ist es ja durchaus wahrscheinlich, dass die Menschen damals auch Fisch aßen. Anhand der Form vermutet Ana, dass es wohl ein Lachs sein muss. Das würde bedeuten, dass vor vielen Jahrtausenden die Lachse zum Laichen den Côa Fluss hinaufgeschwommen sein müssen.

Peñascosa vale do côa felsmalerei

Infos zum Vale do Côa

Parque Arqueológico do Vale do Côa
Museu do Côa

Rua do Museu
5150-610 Vila Nova de Foz Côa
Website:  www.arte-coa.pt
Öffnungszeiten: 9.00 – 13.00 Uhr  und 14.00 – 18.00 Uhr

Eintritt Museu do Côa:
Erwachsene: 6 Euro, Kinder 4-12 Jahre: 3 Euro,  Kinder unter 4 Jahre frei

Eine ausführliche Erklärung zu den Petroglyphen und dem Archäologischen Park findest Du bei Wikipedia unter „Parque Arqueológico do Vale do Côa“.

Im Museum gibt es übrigens auch ein Restaurant. Das Essen ist lecker und der Ausblick von dort lohnt allein schon den Besuch 🙂

museum restaurant vale do côa felsmalerei

Ana, unser Guide, betreibt ein niedliches Gästehaus in Castelo Rodrigo, in dem ich auch geschlafen habe.

casa cisterna castelo rodrigo

 vale do côa felsmalerei

Der Artikel entstand im Rahmen einer Pressereise, zu der ich von TCP/ARPT Centro de Portugal eingeladen wurde.