Wäre Goethe damals nicht nach Italien, sondern hierher nach Ulldecona gereist, hätte er sie sicher auch bestaunt, die Olivenbäume. „Ölbäume“ wie Goethe die Olivenbäume nannte, sind schon wunderliche Pflanzen. Meist ist ihr Stamm verwachsen und gekrümmt, ihre Äste sind mit wenigen Blättern bedeckt und Früchte tragen sie nur, wenn und soviel sie wollen. Dafür werden diese beeindruckenden Bäume aber auch über 1.000 Jahre alt. Selbst die scheinbar verbrannten und toten Bäume schlagen wieder aus und bringen neue Triebe hervor.
Schon Zeus soll von Athene und ihrem Olivenbaum so beeindruckt gewesen sein, dass er ihr die Stadt Athen schenkte. Griechen und Phönizier brachten diese nützliche und sehr haltbare Pflanze über das Mittelmeer bis auf die Iberische Halbinsel. Die Römer hoben die Produktion des Olivenöls dann auf ein fast schon industrielles Niveau. In ihrem Reich gab es verschiedene Sorten Öl: das einfache Öl wurde für die Lampen benutzt, das etwas bessere Öl für heilende Cremes und kultische Salben und die beste Qualität war für den Verzehr gedacht. Da die Römer viel Olivenöl verbrauchten, verwandelten sie die iberischen Provinzen zu den Hauptlieferanten für dieses flüssige Gold.
Nach den Römern eroberten die Mauren weite Teile der Halbinsel. Ulldecona lag jahrhundertelang an der Grenze zwischen dem maurischen Süden und der christlich regierten Marca Hispanica bis Ramon Berenguers IV die Stadt Tortosa und die umliegenden Ländereien im zwölften Jahrhundert erstürmte und mithilfe der Tempelritter die Schlacht gegen die Mauren gewann. Die einst sarazenische Burg von Ulldecona stand nun unter christlicher Herrschaft.
Heute ist Ulldecona ein verschlafenes kleines Nest. Doch ein paar der Olivenbäume, die hier stehen wurden bereits gepflanzt, als das Dorf noch zum maurischen Kalifat gehörte. Einige der Bäume sind weit über tausend Jahre alt und geben bis heute Früchte! Das Öl, das aus diesen Oliven gewonnen wird, schmeckt sehr viel sanfter, als die meisten Öle jüngerer Olivenbäume. Statt pfeffriger, würziger Noten, verbreiten sich weiche, samtige Aromen auf der Zunge.
Die Dorfkirche Sant Lluc stammt aus dem vierzehnten Jahrhundert. Eine kleine Besonderheit sind die Darstellungen der Engel mit ihren detailgenauen Abbildungen mittelalterlicher Musikinstrumente an den Kapitellen. Direkt gegenüber der Kirche erhebt sich auf der anderen Seite ein hübsches, modernistisches Gebäude, die Casa de la Feligresa. Mit ihrer Sgraffito verzierten Fassade blickt sie auf den zentralen Platz des Dorfes hinunter. Während wir bislang kaum jemandem begegnet sind, treffen wir hier auf dem Platz die Einwohner beim Kaffeetrinken und Schwätzchen halten in den umliegenden Bars.
Nachdem wir heute morgen die Olivenhaine mit ihren uralten und unkaputtbaren Bäumen bestaunt haben, fahren wir weiter zur Ermita de la Pietat. Hier haben Kletterer jede Menge Gelegenheiten, ihre Kräfte an den Felsen zu messen. Wir haben jedoch etwas anderes im Sinn. Auf der anderen Seite der kleinen Kapelle gelangt man nämlich zu steinzeitlichen Felsmalereien. In den vielen Höhlen des Gebirgszuges trafen sich schon vor Jahrtausenden Menschen, um ihre Erlebnisse auf der Felswand festzuhalten.
Info zu Ulldecona
Für die Besuche der privat bewirtschafteten Olivenhaine kannst Du Dich bei conficon oder im Tourismusbüro in Ulldecona anmelden. Zu den geführten Touren gehört eine kleine Olivenölverkostung. Der Besuch kostet 5 Euro pro Kopf: https://terresdelebre.travel/
Zu den Felsmalereien kannst Du eine Führung für 10 Euro pro Kopf buchen. Unser Guide war Paco von https://conficon-turisme.com/
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