Nun sind wir wieder zu Hause. Die letzten Wochen haben wir in Ayamonte, einem kleinen Ort an der Grenze zu Portugal verbracht. Ähnlich wie vor zwei Jahren, als wir uns im Winter in Apulien eingerichtet hatten, haben wir es uns diesen November in Andalusien gemütlich gemacht. Statt schnell über das Wochenende irgendwo hinzufliegen, arbeiten wir lieber ein paar Wochen lang in anderer Umgebung. Wir wissen natürlich, dass es ein großes Glück ist, beruflich so flexibel zu sein und genießen diese Freiheit sehr bewusst. Es ist einfach wunderschön Zeit zu haben um Einheimische kennenzulernen, die regionale Küche zu probieren und an den Wochenenden die Umgebung zu erkunden.

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Ayamonte

Die ersten Wochen schien es, als ginge der Sommer hier gar nicht vorbei. Es war angenehm warm, über 20 Grad, und auch die Wassertemperatur lud noch zum Schwimmen ein. Doch während der letzten Novemberwoche wurde es kalt. Nach einem heftigen Regenschauer zogen zwar die grauen Wolken schnell wieder fort, doch es wurde nicht mehr so warm wie vorher. Da war ich dann doch froh, ein paar Winterklamotten eingepackt zu haben.

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ayamonte brunnen

Bis in die 70er Jahre standen Autos, Fußgänger und Radfahrer in Ayamonte Schlange, um von der Fähre ans andere Ufer gebracht zu werden. Ehe die Autobahnbrücke über den Guadiana gebaut wurde, war der Weg über den Fluss die einzige Verbindung nach Portugal. Seit die Autos Ayamonte in einem großen Bogen umfahren und auf schnellstem Weg an die Algarve zu gelangen, ist es hier ruhiger geworden. Ruhiger, aber keineswegs still.

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Auf den mit bunten Kacheln und blühenden Bougainvilleen geschmückten Plätzen toben Kinder und die Alten versammeln sich zum Plauschen. In den engen Gassen, die vom Hafen zum Rathaus führen, reihen sich die Modeboutiquen, Sportfachgeschäfte, Drogerien und Eisläden aneinander. An den Wochenenden sorgt eine Animateurin mit bunten Haaren und Luftballons für Unterhaltung der Kleinsten. Schrille Popsongs klirren dann aus dem tragbaren Lautsprecher. Die Mädchen kopieren eifrig die Tanzschritte der Animateurin, während die Väter mit ihren Söhnen Stühle und Mülleimer zu Torpfosten umfunktionieren. Die Rollenverteilung ist klassisch. Mittendrin kläffen zwei Hunde, bis sie von ihren Besitzern fortgezerrt werden.

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Jetzt im November kommen nur wenige Besucher:innen in die kleine Stadt an der Grenze. Im Sommer jedoch drängen sich in diesem hintersten Winkel Spaniens Menschen aus Huelva, Sevilla und Madrid, denn zu Ayamonte gehören viele Strände. Auch wenn man im Guadiana wegen der Strömungen nicht schwimmen kann, erstrecken sich südlich von hier die breiten Sandstrände von Isla Canela und Isla Cristina. Im Hafen schaukeln hunderte kleine und große Yachten. Fischerboote gibt es nur noch wenige und die legen hinter der Fähre weiter oben am Fluss an.

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ayamonte isla cristina

Die Fischkonservenindustrie, die Ayamonte einst zu Wohlstand verholfen hat, ist längst Geschichte. Aus den Fabrikhallen an der Muelle de Portugal sind inzwischen Diskotheken oder chinesische Krimskrams-Bazare geworden. Oder sie stehen leer und verfallen langsam. Schade.

ayamonte fischkonserven denkmal

ayamonte alte fischfabriken

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Obwohl ich keinen einzigen Reisebus entdeckt habe und es keine Bahnverbindung nach Ayamonte gibt, ist die kleine Stadt voller Touristen. Englisch- und deutschsprachige Menschen strömen neben den portugiesischen Besuchern in die Cafés und Restaurants. Seltener hört man Französisch. Dabei sind die einmal pro Stunde verkehrenden Fähren alles andere als überfüllt. Im Gegenteil, so oft wie ich fast allein auf dem Boot übergesetzt habe, frage ich mich, ob sich der Fährbetrieb überhaupt lohnt.

Immerhin sind auf jeder Überfahrt mindestens ein bis zwei Fahrräder dabei. Radfahrer können natürlich nicht die Autobahnbrücke benutzen und die nächste Fähre ist erst in Alcoutim. Eine zweite Brücke muss sich noch weiter entfernt befinden. Doch die Radfahrer:innen sind fast ausschließlich im sportlichen Freizeitdress unterwegs. Die Einheimischen, von denen nicht wenige auf einer Seite der Grenze arbeiten und auf der anderen Seite leben, verkehren mit dem Auto im Grenzgebiet.

Etwas gewöhnungsbedürftig war für uns die Zeitverschiebung. Portugal befindet sich nämlich nicht in derselben Zeitzone wie Spanien. Jedes Mal, wenn wir in Vila Real oder Castro Marim unterwegs waren, mussten wir aufpassen, um pünktlich zum Mittagessen zu erscheinen. Letztendlich habe ich mir ein Widget aufs Handy geladen, das ständig beide Zeitzonen anzeigt.

ayamonte Kirchturm

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ayamonte kirche

Kleiner Tipp: Wirklich schön war der Besuch der Gezeitenmühle in Ayamonte. Von einer Gruppe privater „Freunde der Mühle“ wurde die alte Anlage wieder restauriert und als Museum eingerichtet. Die Führung war super interessant 🙂 Vielleicht schreibe ich bald mehr dazu.

Praktische Infos Ayamonte

Ferry Ayamonte: Die Abfahrtszeiten sind in spanischer Zeit angegeben. Für die Abfahrt in Portugal musst Du immer eine Stunde zurückrechnen. In Vila Real do Santo Antonio sind die Zeiten natürlich nach der dort geltenden Zeitzone angegeben: Website Horarios Ferry  Die Überfahrt kostet pro Person 1,90 Euro, mit dem Fahrrad ein bisschen mehr. Obwohl die Fähre sehr klein aussieht, nimmt sie auch Autos mit.

ferry ayamonte anleger

In Vila Real de Santo Antonio befindet sich unweit der Fähranlegestelle ein kleiner Bahnhof. Von dort gelangt man mit einer Bummelbahn, die an jedem kleinen Dorf hält, bis nach Faro. In Faro kann man umsteigen und bis nach Lagos oder Richtung Lissabon weiterfahren.

PDF Abfahrtszeiten der Züge |  Info auf Portgiesisch über die Linha_do_Algarve

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Da im Zentrum Ayamontes ständiger Parkplatzmangel herrscht, stellen sich besonders an den Wochenenden ein paar Männer und Frauen auf die Straße und weisen die Autofahrer in die Parklücken ein. Diese Menschen (von denen einige kein Dach über dem Kopf) haben, verdienen sich ein wenig Kleingeld, wenn sie als Dankeschön für die oftmals nützliche Hilfe ein paar Münzen erhalten. Sie fragen nicht danach, doch jeder Euro ist willkommen. Wir haben uns mit einigen von ihnen unterhalten. Es ist wirklich erstaunlich, was diese Menschen teilweise alles erlebt haben. Noch erstaunlicher finde ich es, wie manche Zeitgenossen in dicken Autos sich ihnen gegenüber benehmen. Ich finde, man sollte zu jedem Menschen nett sein, weil man einfach nicht weiß, mit welchen Geschichten der oder die andere gerade zu kämpfen hat.