Warschau ist keine leichte Stadt. Sie öffnet sich nicht einfach so. Warschau ist reserviert, zurückhaltend, vorsichtig, fast ein wenig schüchtern. Warschau hat eine schwere Geschichte hinter sich. Das ist noch immer überall sichtbar, obwohl eigentlich fast alles neu gebaut wurde.
Im Krieg wurden 80-90% der Stadt zerstört. Auch das Altstadtviertel Stare Miasto ist nicht wirklich alt. Es wurde Stein für Stein nach den Gemälden des italienischen Malers Canaletto wieder aufgebaut. Baupläne gab es nicht, aber in jahrelanger, harter Arbeit, gelang es den Warschauern diese Häuser detailgetreu neu zu errichten. Ich komme mir ein wenig vor, als würde ich durch ein Bild laufen. Die in mühevoller Arbeit zusammengepuzzelten und wieder aufgebauten Häuser sind wunderschön und der alte Marktplatz ist eine Erinnerung an prachtvollere Zeiten. Aber es ist nicht wirklich lebendig.
Warschau ist nicht elegant und mondän wie Paris, nicht prunkvoll wie Madrid, nicht chaotisch und aufregend wie Barcelona oder quirlig und kreativ wie Berlin. Warschau ist aufgeräumt, sauber und brav. Warschau ist bescheiden und fleißig. Für Verrücktheiten ist hier wenig Platz. Im neuen Wolkenkraterzentrum rund um den Hauptbahnhof wächst eine Bankencity heran, die mit den alten stalinistischen Bauten wie dem Kulturpalast um die Wette prunkt. Warschau ist eine Stadt der Gegensätze, der Vergangenheit und der Gegenwart, grau und grün zugleich (es gibt nämlich erstaunlich viele Parkanlagen!). Warschau ist keine Stadt in die man sich auf Anhieb verliebt. Das braucht Zeit. Dazu muss man diese Stadt verstehen, sich einlassen und Geduld haben. Am besten, man kann auch noch Polnisch. Mit Englisch allein öffnet sich einem diese Seele nicht so wirklich. Ich bleibe jedenfalls etwas außen vor und dringe nicht wirklich durch, obwohl ich natürlich auch sehr viele liebe und nette Menschen treffe. Aber dennoch überwiegt eine gewisse Traurigkeit, eine Art zurückhaltende Melancholie. Chopins Musik könnte ein Soundtrack zu Warschau sein.
In Warschau gibt es viele Legenden. Eine der wichtigsten Geschichten ist die der Meerjungfrau:
Eines Tages ruhte sich eine liebliche Meerjungfrau am sandigen Ufer der Weichsel aus. Es gefiel ihr so gut, dass sie beschloss, hier zu bleiben. Allerdings befreite sie, sehr zum Ärger der Fischer, die in der Nähe siedelten, die Fische aus den Netzen. Die Menschen fingen daraufhin die Nixe, damit sie sich nicht mehr an den Netzen zu schaffen machen konnten. Sie war aber so schön anzusehen und sang so lieblich, dass sie sie gar nicht wieder freilassen wollten. Nur ein junger Mann, der Sohn eines Fischers, war so gerührt von ihrem Weinen, dass er sie heimlich befreite. Die Meerjungfrau war ihm unendlich dankbar und versprach ihn und alle seine Freunde und seine Familie für immer zu beschützen.
Seit jener Zeit kämpft also die kleine Meerjungfrau mit Schild und Schwert gegen alle, die der Stadt Böses wollen.
Es gibt gleich mehrere Statuen, die an diese Sage erinnern: Eine steht auf dem alten Marktplatz. Sie ist nicht besonders groß, aber leicht zu finden, da sie meist von einer Gruppe Asiaten mit Fotoapparat umkreist wird :-). Die zweite, wesentlich größere Meerjungfrau erhebt sich imposant am Ufer der Weichsel.
Eine andere Geschichte dreht sich um eine goldene Ente: In einem dunklen Kerker, irgendwo in den Tiefen eines Schlosses in Warschau, war eine schöne Prinzessin gefangen. Sie war in eine goldene Ente verzaubert worden und es hieß, sie würde denjenigen, der sie befreite unendlich reich machen. Ein junger Mann fand die goldene Ente. Sie stellte ihm allerdings eine Bedingung: Bevor sie ihm zu Reichtum verhelfe, müsse er einen ganzen Beutel Gold an nur einem einzigen Tag nur für sein Vergnügen ausgeben. Kein Problem, dachte der junge Mann und zog los, um das Gold zu verprassen.
Gegen Abend hatte er nur eine letzte, kleine Münze übrig, die er einem Bettler gab. Das war gegen die Abmachung und so verlor er alles. Der große Reichtum wurde ihm verwehrt. Dafür heiratete er später eine liebe Frau, hatte viele Kinder und arbeitete fleißig. Die Moral von der Geschichte: Geld macht auch nicht glücklich, Gesundheit und fleißige Arbeit schon.
Der kleine Brunnen mit der Ente steht übrigens direkt vor dem Chopin Museum.
Und es gibt noch mehr Geschichten, zum Beispiel die des Basilisken, der einen Schatz bewacht und jeden zu Stein verwandelt, der ihm in die Augen sieht.
Mmmmh… ich hatte eigentlich überlegt über Ostern nach Warschau zu fahren, weil die Bilder der Stadt eigentlich recht schön aussahen, aber so richtig begeistert scheinst du von der Stadt nicht zu sein.
Danke in jedem Fall für den schönen Bericht, es hilft bei der Reiseplanung. 😉
Hi Karina, nee – die Stadt ist schon voll schön! Es lohnt sich auf jeden Fall sie mal gesehen zu haben. Warschau ist sehr interessant, eben nur nicht so „leichtlebig“, aber das kriege ich vielleicht in den folgenden Artikeln noch besser rüber. Morgen kommt der nächste, vielleicht kann ich Dich mit dem dann besser überzeugen 🙂
ganz liebe Grüße!!