Keine Ahnung warum, aber irgendwie hatte der Mann es sich in den Kopf gesetzt, Windmühlen anzugucken. Nach einem kurzen Telefonat und ein paar Minuten im Internet hatten wir einen Flug gebucht und eine Unterkunft organisiert. Also waren wir im Juni ein paar Tage in Holland, in dem Teil der Niederlande, dessen Name oft synonym für das ganze Land verwendet wird, manchmal sogar von den Niederländern selbst, um nach den berühmten Mühlen zu suchen.
Amsterdam
Und da sitzen wir nun, mitten im viel zu kalten Amsterdam, das gerade im Fußballfieber schwebt, in einer komplett in orange getauchten Stadt. Wirklich wahr : Amsterdam sieht aus, wie in einen orangen Farbtopf gefallen. Überall hängen Girlanden, Ballons, Fähnchen und „Hop Holland“ Plakate. Sogar einige der Busse sind mit anspornenden Fußballsprüchen beklebt! Der Sieg der Oranjes über die spanische Nationalelf hat die niederländische Fußballseele wohl ordentlich beflügelt. Aber bisher keine Windmühle weit und breit…
Das Hotel ist eine kleine Überraschung. Es verströmt einen leicht angestaubten Charme der 30er Jahre. Es fehlen wirklich nur noch ein Schlafrock und ein Nachttopf (Ich habe geguckt, es stand aber dann doch keiner unter’m Bett). Seit Rembrandt scheint hier jedenfalls nicht mehr renoviert worden zu sein. Egal, wir stellen unsere Taschen ab und bummeln erst mal durch die Stadt. Schnell stellen wir fest, dass unsere Pullis, die wir aus dem spanischen Sommer vorsichtshalber in die nördlichen Gefilde mitgebracht haben, für einen holländischen Sommer nicht ausreichen. Es ist kalt und windig und fängt auch noch an zu nieseln. Anstatt des geplanten Stadtbummels fahren wir also lieber raus nach Baarn, einen alten Freund, der in Amsterdam einen Gitarrenladen* hat, besuchen. Arnaud hat lecker für uns gekocht! Wir essen, sabbeln, spielen mit den Kindern – ein wunderschöner Abend.
Gutgelaunt und mit vollem Bauch kommen wir gegen 1.00 Uhr morgens zurück zum Hotel. Die Rezeption ist 24 Stunden geöffnet – hatte man uns gesagt. Um 1.00 Uhr aber scheinbar nicht. Wir klingeln zweimal, dreimal, viermal… Niemand macht auf. Die Telefonnummer des Hotels liegt oben im Zimmer, auf einem Zettel. Sehr schlau. Nach 15-20 Minuten vergeblichen Klingelns und Wartens sind wir etwas ratlos. Die gute Laune ist verflogen. Wir brauchen einen Plan. Sollen wir die Nacht einfach in einer Kneipe abwarten? Oder uns ein anderes Zimmer suchen? oder wieder nach Baarn fahren? Wir klingeln ein letztes Mal – und siehe da, die Tür geht auf. Ein mürrisch und sehr verschlafen dreinblickender Rezeptionist drückt uns knurrig den Zimmerschlüssel in die Hand (natürlich ist es ein echter, alter Schlüssel, keine Karte!). Immerhin. Wir sind drin.
Nach einer kurzen Nacht machen wir uns am nächsten Morgen auf die Suche nach etwas Essbarem. Das Frühstück ist in dem relativ edlen Übernachtungspreis leider nicht inbegriffen. Vielleicht auch besser so. Ein paar Meter entfernt finden wir sofort ein kleines, aber total nettes Café: Güllüoglu. Ja ich weiß, das hört sich nicht sehr typisch niederländisch an. Ist es auch nicht. Es ist eine türkische Café-Bar und kein Geheimtipp. Aber für durchgefrorene Südländer im Amsterdamer Nieselregen ist es perfekt. Es ist warm, es ist nett und es ist lecker. Am Nebentisch sitzen – mal wieder- Katalanen :-).
In roten Plüschsesseln mit Blick auf eine der Grachten, machen wir es uns gemütlich und futtern ausgiebig: Bagels, Käsebrötchen, Ei, … Die Bedienung hinter’m Tresen ist total lieb und hilfsbereit, ein richtiger Schatz halt. Ganz kuschelig und in Ruhe können wir also einen Plan schmieden, wie und wo wir uns denn am besten auf die Suche nach den Windmühlen machen wollen. Auf jeden Fall werden wir Amsterdam hinter uns lassen und auf dem Land weitersuchen.
Leiden
Wir schnappen unsere Koffer und fahren nach Leiden. Am Bahnhof wartet Ainhoa, bei der wir übernachten werden, schon auf uns. Sie wohnt direkt an einer Gracht, gegenüber der alten Universität. Super schön! Dieses alte Gebäude ist der ganze Stolz der kleinen Stadt. Nicht nur wegen der Architektur, sondern weil diese Uni die erste im ganzen Land war. Wilhelm von Oranje hatte den Leidenern nämlich für ihre besondere Tapferkeit im Kampf gegen die römisch-katholischen Spanier ein Geschenk versprochen.
Die Stadt Leiden hatte den spanischen Belagerern im 16. Jahrhundert nicht nur erfolgreich Widerstand geleistet, sondern sie mit einem schlauen Trick in die Flucht getrieben (sie haben einfach die Deiche geflutet). Die Spanier kriegten im wahrsten Sinne des Wortes nasse Füße und mussten abziehen. Und die Leidener kriegten die erste Universität der Niederlande.
Am 3. Oktober gedenkt man hier in der Stadt noch heute dem Abzug der spanischen Truppen. Zur Feier des Sieges über die Belagerer wird jedes Jahr ein besonderes Gericht serviert: Haring, Wittebrod und Hutspot (Hering, Brot und Eintopf). Das war nämlich das einzige, was es damals während der wochenlangen Belagerung zu Essen gab und den Bewohnern das Überleben gesichert hat.
Leiden ist ziemlich klein, aber sehr niedlich und nicht überlaufen. Irgendwie wie Amsterdam, nur kleiner eben. Ich habe mich gleich ein bisschen in diese schnuckelige Stadt verliebt. Das mag an dem wunderschönen Blick direkt auf die Grachten und die Universität liegen, oder an der Sonne, die auf einmal mediterran vom Himmel brennt.
Auf den Grachten schippern jede Menge kleine Boote: Familien, Freunde und Pärchen haben sich Picknickkörbe gepackt und genießen die Fahrt auf dem Wasser bei einem Glas Wein oder Bier. Das könnte mir auch glatt gefallen. Manche gehen es sportlich rudernd an und haben sogar einen Trommler an Bord. Sogar ein Drehorgel-Vielfach-Musiker, der gleichzeitig mehrere Instrumente spielt und dabei noch sein Bötchen lenkt, kommt an uns vorbei.
Ainhoa kennt ein nettes Café, das „Francobolli“, von dem aus man dem Treiben auf dem Wasser zugucken kann. Ich muss natürlich die Appeltaart probieren, die mich vom Tresen aus schon so verschwörerisch angeblinzelt hat. Ein dickes Stück appeltaart met schlagroom – mit viel Schlagsahne. Echt Lekker!!! Und ich habe die Runde Kuchen für alle sogar ganz allein auf Niederländisch bestellt. Naja, war ja auch nicht so schwierig. Niederländisch scheint immer so einfach, aber oft verstehe ich dann doch nur Bahnhof. Leider ist bei meiner Rumreiserei nie genug Zeit mich mal ein paar Tage am Stück hinzusetzen und zu lernen. Dabei finde ich diese Sprache total spannend. Irgendwie ist es doch viel schwerer, als ich gedacht habe! Aber zum Bestellen reicht es schon!
Nach der leckeren Stärkung entdecken wir dann sogar noch eine Windmühle! Unser Glückstag, heute :-)! Zwar ist es nur eine einzige Windmühle, aber immerhin. Und dann klettern wir noch auf den Berg. Ja, Leiden hat einen kleinen Hausberg. Obendrauf stehen noch die Reste der Burg, auf der die Bewohner früher bei Überflutungen des Rheins Schutz gesucht haben. Als wir den Burgberg schnaufend erklimmen, erwarten uns oben überraschenderweise ein paar bunte Matratzen. Kunst? oder doch ein verlassenes Pfadfinderlager? keine Ahnung!
Was mir total gut gefallen hat, sind die vielen Gedichte an den Wänden. Hier und da steht man nämlich in Leiden auf einmal vor einem Gedicht. Mal auf Französisch, auf Niederländisch, auf Hebräisch, auf Deutsch, sogar auf Katalanisch gibt es welche. Eine poetische Alternative zu Graffitis sozusagen.
Am Abend stöbern wir bei einem Gläschen Bier dann noch in Ainhoas Reiseführer. Da steht, dass es in Kinderdijk wohl noch richtig viele, alte, holländische Windmühlen geben soll. Damit steht dann wohl fest, was wir morgen machen werden :-)!
Ach ja, noch was: in Leiden gibt es manchmal auch nette Konzerte in versteckten Hinterhöfen „Musikalische Höfe in Leiden„. Die habe ich dieses Mal leider verpasst, aber ich hoffe, es gibt sie nächstes Jahr wieder 🙂
Nützliche Infos:
Amsterdam Café:
Güllüoğlu
Reguliersbreestraat 7
1017 CL Amsterdam
Website: www.gulluoglu.nl
Leiden Café:
Francobolli
Apothekersdijk 38
2312 DD Leiden
Website: www.francobolli.nl
*Gitarrenladen:
Falls Du zufällig in Amsterdam mal eine Gitarre brauchst, kannst Du ja mal bei Arnaud reinschauen und von mir grüßen ;-). So ganz nebenbei ist er übrigens eine unglaubliche Fundgrube für alte Sagen und Geschichten, egal ob die der Niederländer oder der alten Griechen!
SOUND PLAZA
Amstelveenweg 162 a
1075 XN Amsterdam
Sound Plaza
PS. der Online Kurs wurde mir von Rosetta Stone kostenlos zum Testen zur Verfügung gestellt. Meine Erfahrungen und meine Meinung hierzu sind natürlich meine eigenen.
Spanien gegen Holland und das gleich zweimal auf der Reise : ) Die schönen Gedichte und Zitate an den Häuserwänden – zum Beispiel das oben auf dem Foto, an der schwarz getünchten Wand – sind mir auch aufgefallen. So etwas mag ich sehr. Ich habe Ähnliches auch auf Gehsteigen entdeckt. Das sind kleine Stopper, die Menschen ganz unvermittelt überraschen. Eine Art von Kunst, die auch diejenigen erreicht, die vielleicht kein Buch zur Hand nehmen oder keine Ausstellung besuchen. Warum hieß denn das Café „Francobolli“ (Briefmarken)? Gibt es eine Geschichte dahinter?
🙂 Hallo Jutta, ja jetzt im Nachhinein voll schade, dass ich nicht mehr Gedichte fotografiert habe. Das wäre bestimmt eine schöne Geschichte geworden… Das Francobolli heißt so, weil man da auch Postkarten kaufen kann (und francobollis auch nehm ich an). Innen ist das Café voller witziger, kitschiger, schöner und interessanter Karten, die die Wände schmücken. Warum die dafür ausgerechnet einen italieniscchen Namen genommen haben, weiß ich leider nicht. In den Niederlanden ist aber eh immer alles so international… 🙂
Ohje, da hat es euch erwischt. Amsterdam ist leider voll mit sehr angestaubten Hotels, die zwar ihren Preis, aber nicht ihre Einrichtung an den heutigen Standard angepasst haben. Und die Hotelpreise in Amsterdam sind schon ordentlich hoch.
In schönen Städtchen Leiden war ich kürzlich auch. Zum ersten Mal muss ich zu meiner Schande gestehen.
LG Simone
Haha, ach war halb so schlimm. Wir haben es mit Humor genommen. Schließlich wollten wir uns ja ein paar schöne Tage machen 🙂 . Leiden ist echt ein guter Tipp! Irgendwie bilderbuchmässig und nicht so voll wie in Amsterdam. Ich habe auch noch nach Hinterhofkonzerten gesucht aber die habe ich dann nicht mehr gefunden.
lg
Nicole