Langsam und unaufhörlich dreht sich das alte Mühlrad über meinem Kopf. In über 10 Meter Höhe transportiert es frisches, klares Wasser zu den Feldern. Hier in Abarán beginnt meine Route durch das Valle de Ricote.
Ein schmaler Streifen Land begleitet den Segura Fluss zwischen den kargen Hügeln hindurch. Als die berberischen Stämme die iberische Halbinsel eroberten, ließen sie sich in dieser fruchtbaren Schlucht nieder und begannen damit, ausgeklügelte Bewässerungskanäle anzulegen, um das Wasser klug zu nutzen. Schnell entwickelte sich das Tal in eine Garten Eden, eine grüne Oase in einem eher trockenen Landstrich, in dem Menschen jahrundertelang Obst und Gemüse anbauten.
Abarán
Iberer und Römer hatten sich schon früh in der Nähe des Flusses niedergelassen, jedoch keine größere Siedlung errichtet. Erst in maurischer Epoche begann die Gründung einer Reihe kleiner Ortschaften wie Fauaran aus dem sich das heutige Abarán entwickelte.
Das besondere an Abarán sind die Norias, aus maurischer Zeit stammende Wasserräder. In dem kleinen Ort finden sich nicht nur die meisten noch funktionierenden Norias, sondern auch die größte des ganzen Landes. Auf einer rund vier Kilometer langen Route durch den kleinen Ort kann man die alte Technik ausgiebig bewundern, denn bis heute werden die (modernisiert mit Motor ausgestatteten) Wasserräder und das System der Acequias, der Kanäle, zum Bewässern der Felder genutzt.
Erfunden haben die maurischen Siedler diese Wasserränder zwar nicht, aber sie waren diejenigen, die diese Technik am effektivsten nutzen, verbesserten und in ganz Spanien verbreiteten. Es war eine sehr kluge Technik, die sparsam mit einem wertvollen Gut wie Wasser umgeht und die regnerierbare hydraulische Energie als Antrieb nutzt.
Blanca
Auch in Blanca finden sich Spuren einer Besiedlung durch die Iberer. Eine befestigte Burg errichteten jedoch erst die maurischen Bewohner im 12. Jahrhundert. Vermutlich ist es auf die Peña Negra, einen dunklen, beinah schwarzen Felsen in der Nähe zurückzuführen, dass der Ort rund zweihundert Jahre lang Negra, die schwarze Stadt, hieß. Im 14. Jahrhundert unter christlicher Herrschaft benannte man die Ortschaft auf Drängen der Königin Blanca de Borbón in Blanca um.
Lohnenswert ist auf jeden Fall ein Besuch des Aussichtspunkt im hochgelegenen Teil des Ortes. An einer kleinen, eher unscheinbaren Kirche Sagrada Familia vorbei fahrend, erreicht man den Mirador de Alto de Bayna. Die 2004 gebaute stählerne Passarelle führt auf einen Felsüberhang, sodass man von der Plattform aus das Gefühl hat 50 Meter über dem Fluss zu schweben.
Der Ausblick von dort oben ist spektakulär. Vor mir erstreckt sich der Embalse del Azud de Ojós, ein Stausee, der in den 70er Jahren angelegt wurde, um die Versorgung der weiter südlich liegenden Ortschaften mit Wasser zu sichern. Vier Jahre lang hatte man an dem Staudamm gebaut, bis sich 1979 das Wasser des Tajos zum ersten Mal an dieser Stelle sammelte und den kleinen See bildete, der sich nun zu meinen Füßen erstreckt.
Ojós
Man vermutet dass schon zu Zeiten der gotischen Besiedlung der heutigen Region von Murcia unter Theodemir im 8. Jahrhundert eine Siedlung bei Ojós existierte. Wahrscheinlich gehörte der Ort zu dem kleinen gotischen Reich, über das Theodemir dank eines mit den Mauren geschlossenen Friedensvertrags unbehelligt von den benachbarten Herrschern regieren konnte. Doch in der Folge wurde auch diese kleine Ortschaft muslimisch und fortan Oxox genannt.
Bis heute hat sich die Struktur der engen Straßen gehalten. Wie in früheren Jahrhunderten führen schmale, mit hohen Mauern begrenzte Wege zwischen den fruchtaren Gärten entlang, die aus dem Streifen Land, der sich am Flussufer des Segres entlang durch die Schlucht schlängelt, eine grüne Oase machen.
An der kleinen Dorfkirche erinnert das Kreuz des Santiago-Ordens auch heute noch daran, dass Ojós nach der christlichen Eroberung 1285 unter die Herrschaft des militärischen Ordens gestellt wurde. Direkt hinter Ojós führt eine knallrote Hängebrücke über den Segura-Fluss, la Puente Colgante de Ojós, die ich leider nicht gesehen habe. Ein weiterer Punkt auf der To-Do-Liste für meinen nächsten Besuch in der Region.
Im Zuge der christlichen Eroberung der iberischen Halbinsel wurden die maurisch besiedelten Gebiete immer kleiner. 1492 fiel das letzte muslimische Königreich an die katholischen Könige Isabella und Ferdinand. Viele Bewohner des Valle de Ricote ließen sich christlich taufen und blieben hier. Unter der Herrschaft des spanischen Königs Philipp III. wurde zu Beginn des 17. Jahrhunderts auch diese neuen ”Morisken” genannten Christen des Landes vertrieben. Als letzte Bewohner maurischen Ursprungs verließen die Einwohner des Valle de Ricote um 1614 die iberische Halbinsel.
800 Jahre lang hatten sie die islamischen Techniken der Wasserwirtschaft aufrechterhalten und dem Landstrich zu einer wirtschaftlichen Blüte verholfen. Nicht nur das Valle de Ricota litt aufgrund der Vertreibung an einem schwerwiegenden Mangel an Fachkräften. Überall lagen landwirtschaftliche Flächen brach, für ganze Handwerkszweige fehlte das notwendige Wissen und die Erfahrung, die mit den maurischstämmigen Bewohnern vertrieben worden waren. Eine wirtschaftlich schwierige Zeit war die Folge.
Salto de la Novia
Kurz bevor wir am Ende der Schlucht durch einen Tunnel fahren, kommt an der linken Seite ein Felsvorsprung in Sicht. Der Legende nach stürzte sich eine junge Christin an dieser Stelle in die Tiefe, weil ihre Familie die Beziehung zu einem maurischen Geliebten nicht akzeptierte. Von der Legende gibt es allerdings mehrere Varianten, allen gemeinsam ist lediglich, dass es sich um eine unglückliche Liebe handelt und tragisch mit einem Sprung in den Abgrund endet.
Informationen zum Valle de Ricote
Hinweis: Mein Besuch fand im Rahmen einer Pressereise statt und war leider viel zu kurz. So bald wie möglich werde ich wiederkommen und diese Gegend mit mehr Zeit erkunden.
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