Eigentlich habe ich ganz viel zu tun, wie immer. Aber gestern hat mich unterwegs auf einem kurzen Roadtrip eine Nachricht auf Facebook kalt erwischt. Und zwar von meinem Liebsten daheim.

Nach über einem Jahr hat er mal wieder versucht einen Spaziergang zu machen. Und er hat durchgehalten, begleitet und motiviert von unserem Töchterchen. Mir kamen die Tränen. Ich bin so froh und dankbar, so einen Sonnenschein an meiner Seite zu haben.
Hoy me siento muy feliz

Es hat sich so viel verändert in seinem und auch in meinem Leben, seit diese Krankheit bei uns eingezogen ist. Manchmal dreht sich das ganze Leben und plötzlich ist von einem Tag auf den anderen alles anders. Bei uns war das vor ein paar Jahren so. Längere Zeit schon hatte mein Schatz Schwierigkeiten bei seinen täglichen Laufrunden. Er kam unerklärlicherweise immer öfter ins Stolpern. Dabei war er topfit und gut trainiert. Ein totaler Sportfanatiker eben. Kein Tag ohne körperliche Bewegung, egal ob Fußball, Volleyball, Joggen, Radfahren, Workouts, Steps, was auch immer. Und nicht nur aktiv, auch passiv stand Sport auf der Mattscheibe zur Erholung auf dem Tagesplan: japanische Liga im Fußball, Tischtennis Weltcup oder Rudern in Australien.

Wegen des Stolperns ging er irgendwann zum Arzt. Der fand natürlich nichts. Aus dem ersten Arztbesuch wurde im Laufe der Monate eine Ärzte- und Heilpraktiker-Odysee. Irgendetwas stimmte da nicht mit seinen Beinen, aber niemand konnte erklären, was los war. Von „Nehmen Sie doch ein Aspirin“, über „Ihr Gehirn ist zu klein“ bis „möglicherweise Amyotrophe Lateralsklerose“ (unter der Stephen Hawking leidet) hat man ihm so ziemlich alles Un-/Mögliche erzählt. Die Ärzte wußten es eben auch nicht.

Nach drei Jahren des Umherirrens kam dann bei einem Spezialisten die Diagnose: HSP, degenerativer Muskelabbau, unheilbar. In ein paar Monaten oder vielleicht auch Jahren würde Michi im Rollstuhl sitzen. Therapien? Keine! Die Krankheit ist einfach zu selten, als dass es sich für die Pharmaindustrie lohnen würde, in die Forschung zu investieren. Bei nur rund 2000 Betroffenen in ganz Deutschland ist da eben kein Geld zu machen. Mit Glück könnte irgendwann eventuell etwas aus der Multiple Sklerosis Forschung für die HSP Kranken abfallen. Aber auch nur vielleicht.

Das war erstmal ein Schock. Michi im Rollstuhl, undenkbar. Das Stolpern würde immer schlimmer werden, bis das Gehen eben gar nicht mehr geht. Natürlich kam auch die unausweichliche Frage „warum ausgerechnet ich?“ „warum muss mir das passieren?“ Es war eine harte Zeit. Aber sehr schnell hat mein Schatz seinen Optimismus wiedergefunden. Er leidet keine Schmerzen, die Krankheit ist nicht tödlich, er kann seinem Job weiter nachgehen und wir, seine Familie, sind ja auch bei ihm. Also sportet er seither so gut es eben noch geht, gegen die Krankheit an. Langsame, gleichmässige Bewegungen sind immer noch möglich. Alles was mit Laufen zu tun hat, fällt allerdings weg. Eine Zeit lang hat Tai Chi gut funktioniert, aber leider gibt es immer wieder Schübe der Verschlechterung. Radfahren geht bisher noch ganz gut.

Tauchen

Vor etwas über zwei Jahren haben wir dann das Tauchen entdeckt. Das Wasser trägt. Die Bewegungen fallen ihm im Wasser deutlich leichter als an Land. Und das Allerschönste: Tauchen ist ein Sport, den wir zusammen machen können! Es kommt nicht auf Kraft oder Schnelligkeit an. Wir wissen nicht, wie lange es noch geht. Möglicherweise ist auch beim Tauchen irgendwann eine Grenze seiner Mobilität erreicht. Aber bis dahin genießen wir so oft es nur geht, unseren neuen, gemeinsamen Sport. Zusammen gleiten wir schwerelos durch das Wasser, genießen die Natur und die Stille.

Da Wanderungen zu zweit an Land nun mal nicht mehr gehen, träumen wir jetzt eben davon, in alle Meere der Welt einzutauchen und vielleicht zusammen ein Buch darüber zu schreiben. Ich glaube, dass er mit seiner positiven Einstellung vielen anderen, die vielleicht in einer ähnlichen Situation stecken, helfen könnte. Seine positive Kraft ist einfach ansteckend, er ist und bleibt ein Sonnenschein, mein Sonnenschein!

Angst und Verzweiflung überkommen dich manchmal schnell, aber sie bringen dich nicht weiter. Natürlich gibt es diese Momente, in denen man weinen muss, traurig ist und alles hinschmeißen will. Wie ein Hase im blendenen Scheinwerferlicht, steht man gelähmt seinen Schicksal gegenüber. Der Verstand setzt aus und man weiß nicht mehr, wohin der Weg eigentlich geht. Aber wenn man es schafft, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, und versucht die schönen Seiten im Leben zu sehen, findet sich auch irgendeine Lösung und die Angst verschwindet wieder.

Für uns hat sich so manches geändert, besonders auf Reisen. Einige Dinge können wir leider nicht mehr zu zweit machen, aber vieles eben doch. Wir planen jetzt einfach anders. Und wenn es irgendwann dann doch mal der Rollstuhl sein soll, dann geht es eben auf Rädern weiter durch die Welt 🙂

So, dass musste ich einfach mal loswerden. Ich hoffe, diesen Gefühlsausbruch nimmt mir niemand krumm, aber ich bin einfach so stolz auf meinen Schatz und auch auf unsere Kinder, die damit so geduldig und selbstverständlich umgehen.

family