Im Hafen von Cartagena riecht es nach Meer und Nostalgie. Es fühlt sich ein wenig an, wie bei meinem ersten Besuch in Cádiz, wo das Ambiente mich an eine der alten Kolonialstädte der Karibik erinnert hat. Auch in Cartagena blättert der alte Glanz an manchen Stellen, aber die Stadt ist dennoch eine beeindruckende Schönheit. Auch oder gerade wegen einiger Risse und Falten schafft die alte Dame es, mich auf den ersten Blick zu verzaubern. An jeder Ecke spürt man die Öffnung zum Meer, das mediterrane Ambiente und die Erinnerung an antike Handelsvölker, die vor vielen Jahrtausenden das Mittelmeer beherrschten.

Hafen Cartagena

Schon die Phönizier besuchten die Küste der Iberischen Halbinsel regelmäßig und standen in regem Warenaustausch mit den iberisch-tartessischen Einwohnern der Gegend. Historiker gehen davon aus, dass das heutige Cartagena ungefähr an derselben Stelle errichtet wurde, an der einst Mastia, eine tartassische Siedlung, die bereits in römischen Schriften erwähnt wird, lag. Als offizielle Gründung Cartagenas gilt jedoch die Stadt Qart Hadasht durch den karthagischen Feldherr Hasdrubal 217 v. Chr. Unter römischer Herrschaft setzte sich die lateinisierte Form Cartagena Nueva, Neu-Karthago, durch.

Nach dem Ende der punischen Kriege blieben die Römer und bauten ein römisches Forum, ein Theater, ein Amphitheater und vieles mehr. Mayca erklärt, dass Cartagena besonders wegen seiner Bodenschätze ein wichtiger Hafen der Antike war, denn schon die Römer bauten in den Minen vor der Stadt Silber, aber auch Eisenerz und Zink ab. Den Schriften des griechischen Geschichtsschreibers Polybios zufolge, einem Freund und Berater des jüngeren Scipios, sollen damals um die 40.000 Menschen in den Silberminen Cartagenas gearbeiten haben.

Cartagena Murcia Spanien

Museo Teatro Romano

Vom Hafen aus bummeln Mayca, meine Stadtführerin und ich Richtung Palacio Pascual de Riquelme, ein prächtiges Wohnhaus aus dem 19. Jahrhundert. Hier befindet sich der Eingang des 2008 eröffneten Museums des Teatro Romano. Als man bei der Planung für ein neues Kulturzentrum auf einem der fünf Hügel der Stadt durch puren Zufall 1988 auf Überreste aus römischer Zeit stieß, war schnell klar, dass sich unterhalb der umliegenden Häuser des Viertels etwas Großes verbarg. Die umfassenden archäologischen Ausgrabungen begannnen noch im selben Jahr. Bald stellte sich heraus, dass es sich um ein römisches Theater handeln musste, das im Laufe der Zeit nicht nur von Wohnhäusern, sondern auch mit einer Kathedrale überbaut worden war.

Rathaus Cartagena

In der alten Kathdrale Santa María la Vieja wurden schon seit dem 18. Jahrhundert keine Gottesdienste mehr abgehalten und während des Spanischen Bürgerkriegs wurde das alte Gotteshaus weitestgehend zerstört, doch die Ruinen thronen noch heute auf dem Hügel, unter dem man das Theater freilegte. 1.700 Jahre lag diese Anlage unter der Erde verborgen, ohne dass jemand auch nur ahnte, welcher Schatz hier ruhte.

 

Museo Teatro Romano Cartagena

Museo Teatro Romano Cartagena

Mit der Gestaltung des Museums beauftrage man den Pritzker-prämierten Architekten Rafael Moneo, der bereits in Mérida ein beeindruckendes Museum römischer Kunstwerke entworfen hatte. Moneo gelang es nicht nur die archäologischen Fundstücke so zu präsentieren, das sie gebührend zur Geltung kommen, sondern er schuf einen Zeittunnel, in dem die Besucher rückwärts reisen. Vom Wohnhaus der Familie Riquelme aus geht es unter der Straße entlang, durch ein anderes Gebäude hindurch und den Hügel hinauf bis wir die alte Kathedrale erreichen und sich schließlich das römische Theater zu unseren Füßen erstreckt.

Altarsteine Museo Teatro Romano Cartagena
Museo Teatro Romano Cartagena
Augustus Museo Teatro Romano Cartagena

Wir wandeln durch Flure und Säle, die einige der schönsten Fundstücke der römischen Epoche zeigen. Umgeben von den Kapitelen korintischer Säulen steht eine kopflose Statue aus italienischem Carrara-Marmor, die vermutlich in einem Stück gemeißelt wurde. Aufgrund des wertvollen Materials und der eleganten Haltung der Toga geht man davon aus, dass sie Kaiser Augustus darstellt. In einem anderen Saal werden die Jupiter, Juno und Minerva gewidmeten Altäre gezeigt, die einst das Theater geschmückt haben. An der Wand bewundere ich die wunderschöne Darstellung einer fein gearbeiteten Rea Silvia, der Mutter von Romulus und Remus.

Museo Teatro Romano Cartagena

Museo Teatro Romano Cartagena

Als wir schließlich die freigelegte Ausgrabungsstätte erreichen, bin ich wirklich beeindruckt. Es ist unglaublich, was die archäologischen Arbeiten hier nach so langer Zeit zutage gefördert haben. Mayca zeigt mir die Liegeplätze der reichen Römer, denn wer es sich leisten konnte, lag nicht nur bei Tisch, sondern auch im Theater und ließ sich so unterhalten. Um die Zuschauer vor der prallen Sonne zu schützen, war die komplette Anlage wahrscheinlich mit Tüchern überspannt, die als Sonnensegel, Velarium genannt, fungierten. Schließlich erklärt sie mir noch, was ein Vomitorium ist, nämlich ein schneller Ausgang, der es den meist wohlhabenden Besuchern der vordersten Reihen des Theaters ermöglicht, die Anlage schnell und direkt zu betreten bzw zu verlassen.

 Teatro Romano Cartagena

 Teatro Romano Cartagena

 Teatro Romano Cartagena

Bevor wir das Theater verlassen, werfe ich noch eine Blick auf die Ruinen der alten Kathedrale. Schon im 3. Jahrhundert errichteten die ersten christlichen Gemeinschaften der Iberischen Halbinsel in Cartagena eine Bischofskirche. Im 6. Jahrhundert, während der visigotisch-römischen Epoche, sollen die vier Geschwister Leandro, Fulgencio, Isidoro und Florentina entscheidend an der Christanisierung der Region mitgewirkt haben. Der Legende nach brachten San Leandro, San Fulgencio, San Isidoro und Santa Florentina das Christentum hierher, weswegen sie die Quatro Santos de Cartagena genannt werden.

Catedral Teatro Romano Cartagena

Im 13. Jahrhundert schien sich der Bischof in Cartagena jedoch zu langweilen und beantragte eine provisorische Verlegung seines Bischofsitzes in die immer größer werdende Stadt Murcia. Auch seine Nachfolger blieben in Murcia, bis der Papst rund 100 Jahre später sogar den Bau einer Kathedrale in Murcia genehmigte. Damit war Cartagena nun kein Bischhofsitz mehr. In der ehemaligen Kathedrale Santa María la Vieja, fanden bis ins 18. Jahrhundert noch Gottesdienste statt, dann errichtete man eine neue Kirche im Zentrum Cartagenas, die Iglesia de Santa María de Gracia. Lange hofften und kämpften die Einwohner um ihre Kathedrale, doch so prachtvoll die neue Kirche auch war, der Titel des Bischofsitzes kehrte nicht mehr in die Hafenstadt zurück.

Die von dem murcianischen Bildhauer Francisco Salzillo im 18. Jahrhundert geschaffenen Figuren der Quatro Santos de Cartagena, die ursprünglich die alte Kathedrale zierten, zogen anschließend in die neue Marienkirche um, wo die Geschwister nun die Virgen del Rosell auf dem Hauptaltar flankieren.

Weitere archäologische Ausgrabungsstätten

Wir bummeln weiter durch die Straßen Cartagenas und gelangen zu einem weiteren der fünf Hügel der Stadt. Auf dem Molinete befindet sich die Ausgrabungsstätte des Forum Romanums, das politische und wirtschaftliche Zentrum lag in unmittelbarer Nähe zur Hautpstraße Decumanus Maximus. Neben einem kleinen Museum kann man auch eine Therme bestaunen, die hier freigelegt wurde.

Forum Romanum Cartagena

Ebenfalls im Zentrum in einer kleinen Seitenstraße verborgen führt Mayca mich zu einer anderen, deutlich kleineren Ausgrabungsstelle. Unter der Erde hat man hier ein römisches Wohnhaus aus dem ersten Jahrhundert v. Chr. entdeckt. Nach einer Inschrift “Fortuna” nannte man diese domus romana Casa_de_la_Fortuna. Außer den Mauern und Resten der römischen Straße sind vor allem die Wandmalereien beeindruckend, die hier erhalten geblieben sind. Unglaublich gut ist ein Schwan oder storchenähnlicher Vogel zu erkennen, der mit ausgebreiten weißen Flügeln und seinem langen Hals auf der roten Wand deutlich hervorsticht.

Casa de la Fortuna Cartagena Murcia Spanien

Casa de la Fortuna Cartagena Murcia Spanien  Casa de la Fortuna Cartagena Murcia Spanien

Nördlich der Casa Fortuna liegt ein weiteres archäologisches Museum, das ein Stück der punischen Stadtmauer zeigt. Zwei moderne hohe Mauern geben einen Eindruck davon, wie hoch und mächtig der Eingang in die Stadt auf dieser Seite einst gewesen sein muss. Im zweiten punischen Krieg konnte diese Mauer die römischen Angreifer zunächst abwehren. Erst mit der Ankunft Cornelius Scipio Africanus wurde das punische Bollwerk überwunden und die karthagische Herrschaft in der Stadt fand ein jähes Ende.

Punische Mauer Cartagena

Modernismus in Cartagena

Kurz vor den Überresten der punischen Mauer befindet sich aber noch zwei andere Sehenswürdigkeiten: einerseits das regionale Museum für moderne Kunst, das im Eingangsbereich eine Skultpur Jaume Plensas zeigt. Direkt neben dem MURAM liegt der Palacio de Aguirre, ein modernistischer Bau, den der Architekt Victor Beltrí zur letzten Jahrhundertwende für die Familie Aguirre errichtete. Die Biene im Wappen soll für den Fleiß der arbeitsamen Familie stehen, die ihren Wohlstand nicht durch eine adelige Herkunft, sondern das Betreiben eines Bergbauunternehmens erreicht habe. Durch das Kunstmuseum hindurch kann man einen Blick in die modernistisch eingerichteten Wohnräume des Palastes werfen.

Palacio Aguirre

Palacio Aguirre Treppe

Palacio Aguirre Cartagena

Ein anderes bedeutendes Gebäude Cartagenas ist die ebenfalls im Auftrag eines reichen Minenbetreibers von Victor Beltrí entworfene Casa Serafín Cervantes. Besonders auffällig sind die für Cartagena typischen weißen Erkerbalkone. Im unteren Geschoss befindet sich heute der Sitz einer Bank, doch ursprünglich war hier das Café España untergebracht, in dem, so sagt man, das süße Gebäck der Suspiros den Komponisten Antonio Alvarez Alonos zu einem der bekanntesten spanischen Paso Dobles (Suspiros de España) inspiriert haben soll.

Ebenfalls modernistisch, allerdings mehr an den Stil der Städte wie Paris oder Wien erinnernd, ist das Gran Hotel. Ursprünglich von einem anderen Architekten entworfen, übernahm Victor Beltrí nach drei Jahren die Leitung des Baus bis zu seiner Fertigstellung. Heute funktioniert das Gebäude nicht mehr als Hotel, sondern beherbergt Büroräume.

Gran Hotel Cartagena

Ein weiteres Beispiel für den Wohlstand der Bergbaubetreibenden Unternehmen ist die an einem grün bepflanzten Platz liegende Casa Maestre. Die mächtigen Bäume verleihen dem Platz ein beinah tropisches Ambiente und lassen die Zeit der spanischen Kolonialepoche in der Karibik anklingen. Marceliano Coquillat y Llofriu, der in Barcelona Architektur studiert hatte, gestaltete gemeinsam mit Victor Beltrí dieses an katalanischen Modernismus erinnernde Wohnhaus. Die dreiteilige, symetrische Gestaltung der Fassade trägt schon erste noucentistische Züge.

Casa Maestre Cartagena

Mehr Sehenswürdigkeiten Cartagena

Ganz nah am Meer, kurz vor dem Hafen erhebt sich der Palacio Consistorial in dem das Rathaus Cartagenas untergebracht ist. Bis hierher reichte in früheren Jahrhunderten die Küste, das kann ich auf einer alten Landkarte sehen, die den Verlauf der Uferpromenade zu Zeiten der Römer zeigt. In den vergangenen 2000 Jahren haben die Menschen dem Meer viele Meter Land abgerungen. Der Grundriss des prächtigen Rathauses, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebaut wurde, ist dreieckig, die Fassade ist aus weißem Marmor und Granit und die auffälligen, sehr unterschiedlich geformten Kuppeln erinnern an französische Bauten im Stil des Boulvard Haussmann in Paris.

Rathaus Cartagena

Direkt dahinter, nur wenige Schritte weiter befindet sich das Museo Naval Cartagenas, das mit zahlreichen Objekten und Dokumenten die Geschichte des Schiffsbaus und der Marine erzählt. In einem Nebengebäude kann man von der Straße aus durch ein großes Fenster ein U-Boot bestaunen. Das von Isaac Peral entworfene U-Boot war das erste, das allein wieder auftauchen konnte. Elektrisch (mit einer aus Deutschland kommenden Batterie) betrieben und zwei Propellern ausgestattet, die beim Ab- und Auftauchen halfen, machten aus der Erfindung ein tatsächlich praxistaugliches U-Boot. Sogar an einen Korkboden hatte Peral gedacht. Dass diese geniale Erfindung dennoch nicht in Serie ging und von den Militärs abgelehnt wurde, hatte angeblich politische Gründe. Man sagt, ein Neider hätte sämtliche Anträge Perals, der damals einen Ministerposten innehatte, abgelehnt, weil er Isaac Perol seinen Erfolg nicht gönnte.

Museo Naval

Informationen zu Cartagena:

Das Tourismusbüro Cartagena gibt auf seiner Website  viele nützliche Informationen, sogar auf Deutsch. Schon am Flughafen von Murcia hat mich die deutsche Ausschilderung überrascht. Hier ist man auf deutschsprachige Besucher vorbereitet 🙂 .

Bootsfahrt: An der Uferpromenade vor dem Rathaus startet ein Catamaran regelmäßig zu einer Hafenrundfahrt, bei der man Cartagena vom Meer aus betrachten kann.

 

Cabo de los Palos

Von Cartagena fahren wir weiter nach Cabo de Palos. In der Ferne erkenne ich das Mar Menor, eine riesengroße, salzwasserhaltige Lagune, die im Laufe der Jahrtausende vom Mittelmeer getrennt wurde. Durch Wellenbewegungen und Strömungen lagerten sich Geröll und Sedimente an, die zur Versandung führten. Die 22 km lange Landzunge wurde in den 60er Jahren jedoch mit Hotels und Hochhäusern fast komplett zugebaut.

Cabo de Palos

Cabo de Palos Hafen

Wir erreichen Cabo de Palos, ein Mitte Oktober relativ ruhiges Küstendorf, an dessen Promenade jedoch auch an einem normalen Mittwoch noch reger Betrieb in den Restaurants herrscht. Im Restaurante Bocana finden wir einen Platz mit Blick auf den Hafen und das Meer und genießen ein traditionelles Reisgericht: Caldero de Mar Menor mit Reis aus der D.O. Calasparra, einem der traditionellen Reisanbaugebiete Spaniens.

Caldero de mar menor

Caldero de mar menor

Cabo de Palos Restaurant

Nach dem köstlichen Essen spazieren wir an der Küste entlang bis zum Leuchtturm, dem Faro de Cabo de Palos. Schwarze Felsen aus vulkanischem Gestein markieren die raue Küstenlandschaft. Kleine Wellen brechen an den spitzen Felsen und plätschern in die kleinen Buchten. Wir spazieren durch die Cala del Clavo, die Cala del Muerto und nähern uns dem Leuchtturm. Kleine und etwas größere Inseln tauchen aus dem Meer vor uns auf. Mayca erzählt, dass unter Wasser viele Riffe und gefährliche Untiefen lauern, die man von der Wasseroberfläche aus nicht sehen kann.

Für Schiffe ist die Passage nahe der Islas Hormigas, der Ameiseninseln, durchaus gefährlich. Viele Schiffe sind hier so nah vor der Küste verunglückt, der Meeresboot sei übersät mit Schiffswracks aus allen Jahrhunderten. Für Taucher ist das Meeresschutzgebiet allerdings wegen der spektakulären Wracks und seiner Artenvielfahlt besonders interessant. (Wieder ein Punkt für meine nächste Reise: Tauchen und das Museo Nacional de Arqueología Subacuática (ARQUA) besuchen!)

Cabo de Palos  felsen Küste Cabo de Palos

Schließlich erreichen wir den Faro, der Ende des 19. Jahrhunderts errichtet wurde, um die Seeleute vor den Gefahren der Küstensabschnitts zu bewahren. Von der kleinen Aussichtsplattform zu Füßen des Leuchtturms reicht der Blick bis zu den Hochhäusern der Manga und das sich dahinter erstreckende Mar Menor.

Faro de Cabo de Palos Faro

Blick auf Mar Menor und La Manga

Restaurant Bocana de Palos
Calle los Palangres 1
30370 Cabo de Palos, Murcia
Website

 

Cabo de Palos Felsen

 

Hinweis: Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Pressereise. Die eventuell im Text durchklingende Begeisterung ist komplett meine eigene und beruht ausschließlich auf meinem ganz persönlichen und unbestechlichen Geschmack!