Drei Tage dauert eine Wanderung durch den Park. Die einfache Version jedenfalls, bei der man in Zelten oder einer Hütte übernachtet. Leider bin ich aber keine drei Tage hier in der Serra Verde und kann nur einen Spaziergang durch den Eingangsbereich des Parque Serra dos Órgãos machen. Aber schon dieser relativ kurze Trip hat mich total verzaubert. Es ist ein richtig wilder Wald mit vielen Tieren, von denen einige sogar nur hier heimisch sind, vielen Wasserfällen, kleinen Seen und unglaublich viel Grün. Einfach traumhaft.
Am Eingang des Parks (kurz PARNASO genannt) auf der Seite, die man von Petrópolis kommend erreicht, treffe ich Mariano. Er ist Biologe und kennt sich natürlich bestens mit den Tieren, die es hier gibt, aus. Er erzählt von einer bestimmten Affenart, von dem kleinen Sagui-da-Serra-Escuro (Gelbohr-Büschelaffe). Dieser Affe ist hier eigentlich heimisch, aber aufgrund von Einwanderungen anderer, ähnlicher Affenarten, wie dem Sagui-do-tufo-preto (Schwarzbüschelaffe) und dem Sagui-do-tufo-branco (Weißbüschelaffe), die beide aus dem Norden des Landes in die Serra kommen, ist der kleine Knirps mit den gelben Ohren vom Aussterben bedroht. Das Problem ist nämlich, dass sich diese verwandten Arten mischen, und es immer weniger Gelbohr-Büschelaffen in den Wäldern gibt.
Dann darf ich mich im Park umsehen und stapfe los. Ein Trampelpfad führt mitten in den Wald hinein. Kleine Bäche kreuzen meinen Weg. Vor mir erscheint ein Eichhörnchen, das sich kurz putzt und dann wieder verschwindet. Die Pflanzen wechseln auf einmal von großen grünen Blättern zu Bambus. Wie in einem Märchenwald sieht das aus. Schließlich gelange ich an einen kleinen Flusslauf. Das Wasser staut sich hier und bildet so etwas wie einen Teich. Da würde ich jetzt gern reinspringen und baden. Wie doof, dass ich keine Badesachen oder wenigstens ein Handtuch dabei habe. Das Wasser plätschert fröhlich um die Felsen. Ansonsten ist es total still hier. Es ist echt wunderschön. Irgendwann muss ich dann aber doch wieder den Rückweg antreten. Einen Affen habe ich leider nicht entdeckt. Dafür müsste ich wohl weiter in den Park hinein gehen.
In Teresópolis würde ich wieder herauskommen, wenn ich eine drei Tage dauernde Tour, die Travessia, durch den Parque da Serra dos Órgãos machen würde. Aber ich muss heute die Abkürzung nehmen und mit dem Auto auf die andere Seite fahren.
In Teresópolis befindet sich einer der wohl besten Aussichtspunkte, um einen Blick auf den Dedo de Deus zu erhaschen – wenn er sich nicht wie heute, hinter dichten Wolken versteckt. Der Dedo de Deus ist ein steiler Felsenfinger, der über 1600 Meter in den Himmel ragt.
Auf dem Weg zu diesem Aussichtspunkt ist der Felsen noch zu erkennen, aber die Wolken kündigen sich schon an. Wir müssen uns beeilen. Leichter gesagt als getan, wenn man die ganze Stadt durchqueren muss. Als wir ankommen, kriecht der Wolkennebel gespenstisch aus dem Tal nach oben. In einer unglaublichen Geschwindigkeit hüllt er die Felsformation ein. Bald ist der Dedo de Deus komplett in der weißen Wand verschwunden. Das ist zwar nicht die Aussicht, die ich eigentlich sehen wollte, aber es ist ein beeindruckendes Spektakel. Ich glaube, es gefällt mir sogar fast besser, als ohne Nebel. Die Natur wirkt richtig schön lebendig, wenn die Nebelschwaden wie von Geisterhand gelenkt ihren Weg um die Felsen suchen.
In Teresópolis gibt es ein richtiges Besucherzentrum für den Park. Renato, ein Environmental Engineer, ist so lieb und führt mich herum. Er erklärt mir, welche Tiere hier leben, wann der Park entstanden ist, wie die Felsformationen geologisch zustande gekommen sind und dass man den Dedo de Deus lange Zeit für unbesteigbar hielt. Jedenfalls bis 1912 ein paar mutige einheimische Kletterer das entsprechende Material vorbereiteten und allen Gefahren zum Trotz einfach dort hoch sind.
An der Wand hängen Fotos von Wanderungen durch den Park, von Tieren, die man dort antreffen kann und von dem fantastischen Ausblick, den man dort überall auf die Landschaft hat. Auf einem Bild ist Mariano in voller Bergsteigermontur zu sehen! Auch Renato ist Bergsteiger, Kletterer genauer gesagt. Er kommt aus Teresópolis und liebt diesen Park schon von Kindheit an. Bis auf einen, hat er schon alle Gipfel und Felsen hier erklettert. Ein echter Naturbursche. Als er mich einlädt, einen kleinen Abstecher zu einem Wasserfall ganz in der Nähe des Eingangs zu machen, sage ich natürlich nicht Nein. Im Gegensatz zum Eingang in Petropólis, wo man wirklich allein im Wald unterwegs ist, hat man hier den Eindruck, die Leute kommen auch einfach so zum Planschen und Baden her. Das liegt sicher daran, dass hier die ersten Wasserbecken schon so nah am Eingang liegen, also noch bevor man den Wald betritt. Das Wasser ist kristallklar. Es kommt ja auch aus den Bergen. Wenn es mal trüber scheint, dann sind das die Sedimente, die die Flüsse mit dem Wasser einfach mit sich tragen. An dem kleinen Teich im Eingang badet eine Familie und genießt ganz offensichtlich einen freien Tag in der Natur. Allerdings sehen sie nicht so aus, als wollten sie noch weiter in die Tiefen des Waldes eindringen.
Tatsächlich muss man aber überhaupt nicht weit gehen, um komplett vom dschungelartigen Gebüsch umgeben zu sein. Nach nur zehn Minuten Fußweg kommen wir schon an einen kleinen Bach, der sich über die Steine und Felsen seinen Weg bahnt. Er führt ziemlich viel Wasser. Einige Stellen des Weges sind sogar leicht “überschwemmt”. “Es hat viel geregnet, die letzten Tage”, erklärt mir Renato. Die Verständigung ist lustig, da er Portugiesisch und ich Spanisch rede (Portugiesisch kann ich ja leider nicht). Aber es funktioniert erstaunlich gut. Irgendwie.
Als wir an dem kleinen Wasserfall ankommen, haben sich dort schon ein paar Leute den besten Platz im frischen Wasser reserviert. Sie planschen fröhlich und sitzen im kühlen Nass. Renato zeigt mir einen Stein im Fluss, von dem aus ich fotografieren soll. Von dort aus hätte ich den schönsten Blick auf die kleine Cascata habe. Wie lieb. Ich klettere also hinter ihm her, in die Mitte des kleinen Wasserlaufs. „Dieser Stein hier ist normalerweise trocken! Da kann man drauf treten, um auf die andere Seite zu kommen“ sagt er und zeigt auf einen Brocken, der in ca. zehn Zentimeter Tiefe unter dem sprudelnden Wasser zu erkennen ist. Naja, theoretisch kann man immer noch darauf treten. Man kriegt halt nur nasse Füße.
Nützliche Infos zum Parque Serra dos Órgãos
Parque Nacional da Serra dos Órgãos
Sede Petrópolis
Estrada do Bonfim, s/no.
Corrêas – Petrópolis – RJ
Sede Teresópolis
Av. Rotariana s/no.
Alto – Teresópolis – RJ
Website: http://www.parnaso.tur.br/
Hinweis: Vielen Dank an TurisRio und besonders an Miriam, May-Lin und Adriana, die mich in die Serra Verde geführt haben. Und natürlich an Mariano und Renato! Der Flug nach Rio wurde von Condor unterstützt. Die hier dargestellte Meinung ist davon unberührt und spiegelt ausschließlich meine eigene Ansicht wider.
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