Fogars de la Selva ist kein typisches kleines Dorf, wie man es sich vorstellt, mit einem zentralen Platz, auf dem sich die älteren Leute treffen, auf einer Bank sitzen und ein Schwätzchen halten. Die Gemeinde Fogars besteht aus vielen vereinzelt liegenden Gehöften, den alten Masias, die praktischerweise inmitten ihrer Felder und Äcker gebaut wurden. Jede dieser kleinen Masias war mehr oder weniger autonom, einen zentralen Treffpunkt gab es nicht, bis irgendwann eine kleine Kirche errichtet wurde. Die heutigen Wohnsiedlungen entstanden erst viel später.
Weil immer weniger Menschen in Fogars de la Selva von der Landwirtschaft leben, beschloss die Gemeinde, ihr kulturelles Erbe und die besondere Art des Lebens in diesen Masias für die Nachwelt in einem kleinen Museum zu bewahren. Das Museu de la Pagesia ist daher so eine Art Zeitkapsel, die uns in die Welt und das Leben der Bauernhöfe führt, die diese Gegend einst prägten.
Am Eingang erwartet mich Mireia, die gute Seele des Museums, die mich durch die einzelnen Räume führt und mir die Geschichte des Dorfes erklärt. Als Erstes betreten wir die wunderschön mit alten Möbeln nachgebaute Küche. Über der Feuerstelle hängt ein Kessel mit heißem Wasser, davor steht eine halbrunde Bank mit einer hohen Rückenlehne. Alle Möbel stammen aus alten Masias und sind hier mehr oder weniger vor dem Vergessen gerettet worden. Mireia erklärt, dass der Hof, der hier nachgebaut wurde, keine arme Bauernkate aus der Zeit des Mittelalters sei. Vielmehr habe man ein wohlhabendes Landgut aus dem 17./18. Jahrhundert nachgestellt.
Mireia zeigt mir eine Bank, die sie banc escó nennt und erklärt, dass sich der Name für einen Sitz im Parlament Escó von diesem Begriff ableitet. Dann fragt sie, warum die Bank vor der Feuerstelle wohl so eine hohe Rückenlehne habe. Ich rate, aber komme natürlich nicht auf die richtige Antwort. Sie erlöst mich schließlich und verrät, dass im kalten Winter die Feuerstelle die einzig warme Stelle im Haus war und man daher versuchte, durch die hohe Lehne die Wärme zu halten.
Ich entdecke noch andere spannende Gegenstände, wie die kofferartige Truhe, die zum Brotbacken diente. Eine große Menge Teig wurde hier angerührt und hatte Platz, lange aufzugehen, denn das gebackene Brot musste für viele Familienmitglieder, Arbeiter, Knechte und Mägde reichen. Da maan nicht jeden Tag buk, sondern nur ungefähr alle zwei Wochen, kann ich mir ungefähr vorstellen, welche Massen an Laiben hier ruhten. Das Brot war zum Glück recht lange haltbar, denn es war kein feines Brot aus weißem Mehl, sondern grob gemahlen, aus dem Getreide, das man eben zur Verfügung hatte. Wenn es hart wurde, weichte man es auf, vermutlich indem man Olivenöl und Tomaten darauf verrieb. Dem Volksmund nach entstand so schießlich das leckere pa amb tomaquet.
Für die Wäsche konnte man auf einem abgelegenen Hof nicht zu einer zentralen Waschstelle gehen, wie sie in den meisten Dörfern vorhanden war. Ein solches Safareig lag normalerweise im Dorfzentrum, das es in Fogars nicht gab. Alle Höfe hatten daher ein großes Gefäss aus schwarzer Keramik, in dem die Wäsche gewaschen wurde: auf eine Schicht Wäsche kam eine Schicht Asche, dann wieder Wäsche, nochmals Asche, denn die fungierte als Seifenlauge. Wenn der Behälter voll war, goss man heißes Wasser hinein und die Asche löste die Flecken aus der Wäsche. Doch die Laken und Hemden mussten anschließend von dem schmutzigen Sud befreit werden. Nach dem Kochen wurden sie daher mit klarem Wasser abgespült. Erst dann war die Wäsche sauber.
Quart ist für seine schwarze Keramik in Katalonien bekannt (siehe Museum in Quart)
Direkt neben der Küche befindet sich ein Stall. Die Tiere schliefen im Erdgeschoss, denn sie waren für die Bauern ein wertvoller Besitz. Hätte man sie über Nacht draußen gelassen, wären sie wahrscheinlich von vorbeiziehenden Räuberbanden, plündernden Soldaten oder hungrigen Mäulern gestohlen und gebraten worden. In der unteren Etage des Hauses waren sie sicher und sorgten gleichzeitig für mehr Wärme.
Im oberen Stockwerk stehen wir vor einem festlich wirkenden Tisch, einer langen, hübsch gedeckten Tafel. Doch dieses Esszimmer war nicht der Ort, an dem man normalerweise die Mahlzeiten zu sich nahm. Gegessen wurde in der Küche. Dieses Zimmer wurde nur zu besonderen Anlässen wie Hochzeiten, Beerdigungen oder an Weihnachten genutzt.
An der Wand zieht ein besonders ausgefeilter Schrank meine Aufmerksamkeit auf sich. Es ist eine Art Sekretär mit vielen Fächern und Schubladen. Ein schweres, massives Möbel, das man so leicht nicht von hier wegbewegen kann. Für die Bauern war es eine Art Tresor, in dem sie ihre wichtigen Papiere, Verträge, Geld und Dokumente aufbewahrten. Als Einbruchsicherung zeigt Mireia mir einige der Geheimfächer, die dieser Sekretär verbirgt und es sind nicht wenige. Überall sind unsichtbare Fächer, doppelte Böden und verborgene Schubladen versteckt. Im Schlafzimmer sorgten ausgeklügelte Bettwärmer dafür, dass man des Nachts nicht in ein kaltes Bett schlüpfen musste. Die Räume der Herrschaften waren wesentlich geschmückter als die der einfachen Knechte oder Mägde. Auch ein Schreib- und Arbeitszimmer und ein Empfangszimmer für Besucher gab es in der Masia.
Nebenan ist in einem anderen Gebäudeteil, in einer großen Halle das Werkzeug aufgebaut, das man auf einem Bauernhof benutzte. Vor der Masia erklärt Mireia mir noch die verschiedenen Mühlen, die man damals kannte. Es gab Mühlen, die mit Mahlsteinen und einem Esel funktionierten, welche die mit Wasser angetrieben oder mit Wind betrieben wurden. Je nachdem, wo sich so eine Masia befand, nutzten die Menschen die eine oder die andere Technik, um ihr Getreide zu mahlen. Zum Abschluss darf ich bei einer Honigverkostung noch unterschiedliche Honige probieren, denn in und um Fogars de la Selva gab und gibt es bis heute viele Imker.
Informationen zu Fogars de la Selva:
Die kleine Gemeinde gehört zu der Comarca La Selva, zu der auch Küstenorte wie Tossa, Lloret oder Blanes gehören.
Museu de la Pagesia
Plaça Serra de Marina
08495 Fogars de la Selva
museu-pagesia-fogars
Hinweis: Der Artikel entstand im Rahmen einer Pressereise.
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