Man könnte meinen es sei Sommer. Dabei fehlt nur noch eine Woche bis Weihnachten. Aber der Strand und das Meer in Tossa de Mar sind einfach zu jeder Jahreszeit schön. Ganz ehrlich gesagt, sind mir Herbst und Winter fast lieber, um an die Küste zu fahren, denn dann ist es an der Costa Brava so wunderbar leer. Die schönsten Strände – und ich habe sie fast ganz für mich allein. OK, baden würde ich jetzt vielleicht nicht unbedingt. Obwohl es ja auch Leute geben soll, die sich ein Loch in gefrorene Seen hacken, um dann im eiskalten Wasser zu schwimmen. Da mache ich doch lieber einen Strandspaziergang im Sonnenschein.
Tossa zu Zeiten der alten Römer
Tossa war früher ein kleines Fischerdorf. Aber schon lange, lange vorher, siedelten hier kleinere Stämme der Iberer und die alten Römer. Die meisten Römer kamen nur zur Weinernte in die Gegend um Tossa und verbrachten das restliche Jahr in ihrem Haupthaus, weiter im Inland. Manche sehr reiche Familien haben sich auch damals schon für den Winter hier eingerichtet. Bei Ausgrabungen hat man eine ganze Siedlung römischer Villen gefunden, von denen leider nur ein kleiner Teil freigelegt werden konnte. Das Areal erstreckt sich unter der Erde aber noch viel weiter. Man vermutet, dass unter den benachbarten Häusern und auch unter der Hauptstraße durch Tossa noch jede Menge römische Häuser begraben liegen.
Rosa Maria führt Lina und mich durch die kleine Anlage. Der eigentliche Entdecker der römischen Villen war ein Dorfarzt. Der hatte nach dem Tod seiner Kinder, die an einer schweren Grippe gestorben waren, in seinem Mandelhain begonnen zu graben. Diese Grabungen lenkten ihn von der Trauer ab und so grub und grub er – und fand die römische Siedlung. Die schönen und gut erhaltenen Mosaike fand er zuallererst.
Wir schlendern also durch die Überreste des Eingangsbereichs, durch die hauseigenen Thermen und das Esszimmer. Apodyterium, Tepidarium, Caldarium und wie die Räume alle hießen. Rosa Maria beschreibt ausführlich, wie es hier früher ausgesehen hat.
Das Abendessen, die Cena, war die wichtigste Mahlzeit des Tages. Die Familie saß nicht etwa gemeinsam am Tisch, nein die Römer dieser Zeit speisten im Liegen. Wichtigstes Möbel im Esszimmer war also das Triclinum, eine Art Chaiselongue. Diener reichten Schüsseln mit Essen und Wein herum. Es gab auch Musik und Tänzerinnen. Die alten Römer mochten es luxuriös. Es waren aber wirklich keine opulenten Gelage, wie Rosa beteuert, sondern ganz einfaches, gesundes Essen, aber eben schon alles sehr hübsch und gemütlich gemacht. Besonders natürlich, wenn Besuch kam. Während die Familie also bei Tisch lag, blickte sie auf das plätschernde Wasser in dem Becken, an dessen Kopfende ein kleiner Merkurtempel stand. Im Garten wuchsen Küchen– und Heilkräuter. “Die Idee Blumen, also Pflanzen, die man nicht essen oder anderweitig verwenden kann, nur wegen ihres schönen Aussehens zu pflanzen, stammt erst aus unserer Zeit”.
Die Römer ließen es sich in Tossa also ziemlich gut gehen im Jahre 200 vor Christus.
Mittelalterliches Tossa de Mar
Im Mittelalter entstand dann die erste Siedlung auf dem Hügel direkt am Meer. Das, was man auf den ersten Blick für eine Burg halten könnte, ist gar keine Festung, sondern die Stadtmauer Tossas aus dem dreizehnten Jahrhundert. Sie ist mitsamt ihren sieben Türmen fast vollständig erhalten geblieben! Das ist ziemlich einzigartig an der gesamten Küste! Innerhalb dieser Mauern entstand also der erste Stadtkern, das mittelalterliche Tossa. Vor dem Haupteingang zur Vila Vella steht noch heute die Creu de Terma, die damals schon den Eingang, bzw. das Ende der Ortschaft kennzeichnete. Erst im siebzehnten Jahrhundert wurden die ersten Häuser auch außerhalb der Stadtmauer errichtet. Bis dahin gab es nur eine kleine Kapelle und ein Wirtshaus vor den Toren Tossas. So fanden Reisende, die zu später Stunde hier ankamen wenigstens einen Unterschlupf, bevor das Stadttor am nächsten Morgen wieder geöffnet werden würde und sie waren vor Räubern und Wegelagerern geschützt, die hier ihr Unwesen trieben.
Oft sagt man, dass die Küstenbewohner sich viel eher über das Meer fortbewegten, als die gefährlichen Routen im Hinterland zu benutzen. Über das Mittelmeer war es schneller und sicherer zu reisen. Auch der Handel mit anderen Küstenorten florierte.
Die Capilla de la Verge dels Socors – eine Votivgabe, die ein Seemann aus Dank dafür spendete, dass er vor dem Ertrinken gerettet wurde.
Die Kopfsteinwege führen steil den kleinen Hügel hinauf. Tossa war richtig gut befestigt! Auch wenn es keine Burg im eigentlichen Sinn gab, konnten sich die Bewohner hier verschanzen und gegen mögliche Angreifer schützen. Innerhalb der alten Mauern befindet sich auch das kleine Museum Tossas. Hier werden neben den schönsten Fundstücken der Ausgrabungen der Villa Romana auch verschiedene Ausstellungen gezeigt.
Chagalls „Paradis bleu“ – das Tossa der Künstler
In dem kleinen Museum befindet sich nicht nur ein Gemälde Chagalls. In den zwanziger Jahren, ungefähr bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, trafen sich viele Intellektuelle und Künstler hier, in dem kleinen Fischerdorf an der Küste. Sie hatten in Tossa eine Art Nest, einen Treffpunkt, an dem sie Natur und Abgeschiedenheit fanden und gleichzeitig auf gleich gesinnte Maler, Journalisten, Schriftsteller und Bildhauer aus aller Welt trafen. Viele von ihnen erlangten später Weltruhm. Aber während sie in Tossa weilten, waren die meisten von ihnen noch jung und unbekannt und bezahlten ihre Schulden manchmal eben mit ihren Bildern. Das Museum hat sehr unterschiedliche Werke aus dieser Zeit zusammengetragen und in den oberen Etagen ausgestellt.
Neben den jungen Avantgardisten hat auch Hollywood seine Spuren in Tossa hinterlassen. Oben auf dem Hügel angekommen, bewundert nämlich eine lebensgroße Ava Gardner, die Hollywood-Diva der 50er Jahre, gemeinsam mit uns die schöne Aussicht. Obwohl, genauer besehen, guckt sie doch eher verträumt in die Ferne. Rosa Maria erzählt uns eine schöne Geschichte, von dem ganzen Aufruhr und den Paparazzis, als damals der Film „Pandora und der Fliegende Holländer“ hier gedreht wurde: Ava Gardner hat sich angeblich in einen Torero, der ebenfalls im Film mitspielte, verliebt. Und das, obwohl sie doch die heimliche Geliebte Frank Sinatras war. Das muss damals ganz großes Kino hinter den Kulissen gewesen sein, hier im kleinen Tossa.
Die schöne, alte Kirche auf dem Berg der Vila Vella, die auch in der Anfangsszene des Hollywoodfilms vorkommt, ist nur noch eine Ruine. Die Steine haben die Bewohner schon vor Hunderten von Jahren zum Bau der neuen Kirche im heutigen Dorfkern „recycelt“, wie man heute sagt. Aber auch halb kaputt wirkt die Kirche noch superschön, mit Blick auf das blaue Mittelmeer. Und ganz oben auf dem Gipfel steht sogar noch ein Leuchtturm.
Dann geht es wieder hinab, runter an den Strand. Lina und ich müssen unbedingt noch Cim i Tomba probieren. Das ist nämlich ein traditionelles Gericht der Fischer. Früher haben sie das auf den Booten, also noch während sie auf See waren, gekocht. Dazu wurde der Fisch, den sie nicht verkaufen konnten mit Aioli angebraten und dann mit Kartoffeln in einer Art Eintopf gekocht. Heute wird in den Restaurants allerdings eine feinere Version serviert, mit Kabeljau oder Seeteufel. Im Bahia de Tossa bestellen wir uns also ein Cim i Tomba und es schmeckt nicht nur mir gut! Selbst Lina, die eigentlich gar keinen Fisch mag, ist ehrlich begeistert. Die Fischer wussten schon, was gut schmeckt.
… und weil sie so schön sind, noch ein paar Bilder von den winterlichen Stränden in Tossa de Mar:
Tossa Infos und Tipps zum Nachreisen:
Vila d’Ametllers – Römische Villen
Website: vila romana
Villa Vella und Museu Municipal
Das kleine Museum von Tossa de Mar liegt mitten in der Vila Vella.
Plaça Pintor Roig i Soler, 1
Far de Tossa
Centre d ‚Interpretaciò – Ausstellung zur Leuchtturmgeschichte
Website: esfardetossa
Cim i Tomba haben wir im Restaurant Bahia probiert:
Passeig del Mar, 19
17320 Tossa de Mar
Website: www.restaurantbahiatossa.com
Wunderwunderwunderschöne Bilder. Ich bin gerade ganz verliebt. *-* Dass Winter so herrlich sein kann, kann ich mir gerade im nasskalten Defereggental St. Jakob kaum vorstellen – aber die Fotos muntern mich wirklich auf. 😀
Liebe Grüße, die Sandmaus
Im Winter sogar noch schöner als im Sommer – finde ich 🙂
Ganz wunderbar und wie interessant und detailreich die Verzierungen sind.
Den Tipp die Gegend erst ab September zu besuchen merke ich mir 🙂
Danke Dir! Ja Tossa und die gesamte Küste der Costa Brava sind auf jeden Fall wesentlich schöner in der Nebensaison! Das Wetter ist ja sogar bis in den Dezember noch schön und man hat eben viel Platz und viel Ruhe!
Wunderschöne Photos – ich wusste gar nicht, dass Tossa so vielseitig ist. Vielen Dank und Frohe Weihnachten !
Ist es! Ich fahre sicher ganz bald wieder hin! 🙂
Hallo Nicole,
wie schön ruhig im Winter. Ich war dort im Hochsommer, alles voll mit Touristen….sehr lange her.
Liebe Grüße
Hallo Andrea!! Im Sommer ist es überall an der Küste leider sehr voll. Umso schöner finde ich die Monate zwischen September und Mai (was ja ziemlich viele sind), wenn die Strände noch oder wieder leer sind 🙂
ganz liebe Grüße!!