Jedes Jahr zu Ostern tanzt der Tod durch die engen Gassen von Verges. So eine Dansa de la Mort gab es im Mittelalter in vielen Orten Europas. Denn in Zeiten der Pest und anderer Seuchen gehörte der Tod praktisch mit zum Alltag. Doch nur in diesem winzigen Dörfchen hat sich dieser Tanz bis heute gehalten.

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Der Donnerstag vor Ostern beginnt in Verges damit, dass die Einwohner des Morgens Fackeln an ihren Häuser anbringen, um die Straßen für die Passionsprozession am Abend zu beleuchten. In einer Straße, der Carrer dels Cargols, hat man allerdings eine andere Art gefunden, Licht ins Dunkel zu bringen.

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Als ich in die kleine Gasse komme, sitzt eine ältere Dame in einem Hauseingang. Neben ihr steht ein Schuhkarton mit leeren Schneckenhäusern. Schon seit Hunderten von Jahren sammeln die Leute hier die Weinbergschnecken, die sie während des Jahres gegessen haben. An Gründonnerstag basteln sie mit einem Docht und etwas Öl kleine Lämpchen daraus. Wie lange genau, wissen die Leute selbst nicht so genau. Gefühlt offenbar also irgendwie schon immer.

Einer der Nachbarn ist gerade damit beschäftigt, Klumpen an die Wand zu schmeißen. Ein anderer steckt in diese Klumpen die kleinen Öllämpchen hinein. Solange das Gemisch aus Asche und Wasser noch frisch ist, kann man damit nämlich die Schnecken an die Wand kleben. Nach einer Weile wird diese einfache Masse jedoch so hart wie Beton.

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Punkt fünf Uhr am Nachmittag erklingt die Fanfare einer Trompete. Es geht los. Römische Soldaten marschieren auf. Nicht zehn oder zwanzig, nein das ganze Dorf ist voll mit marschierenden Römern in ihren glänzenden Rüstungen. In Reih und Glied schreiten sie zum Klang der Trommeln an den Passanten vorbei. Der Weg der „manages“, so nennen die Leute in Verges diese römischen Soldaten, führt sogar in die Kirche. Erst nachdem sie durch alle Viertel patrouilliert sind, kehrt wieder Ruhe ein.

roemer dansa de la mort verges
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Gegen zehn Uhr abends füllt sich dann der Dorfplatz richtig. Fast jeder Bewohner macht irgendwie bei den Passionsspielen mit. Einige stehen als Laienschauspieler auf der Bühne, andere marschieren als Soldaten durch die Gassen. Aber viele sind auch mit anderen Arbeiten, wie dem Nähen der Kostüme, dem Aufbau des Bühnenbilds, der Technik und der ganzen Organisation beschäftigt. Natürlich alles ehrenamtlich.

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ostern passionsgeschichte prozession verges

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Ich bin echt beeindruckt, wie gut alles läuft. Obwohl es wirklich kalt ist, spielen und marschieren die Schauspieler in sommerlichen Hemdchen und mit nackigen Beinen, ohne sich etwas von den kühlen Temperaturen anmerken zu lassen. Niemand fällt aus seiner Rolle. Selbst der Fackel haltende Soldat am Rande der Bühne verzieht keine Miene. Stoisch und ernst blickt er geradeaus, wie ein echter römischer Wachmann.

Wenn der Hohe Rat der Juden, der Sanhedrin, berät, wie sie diesen Jesus von Nazareth nun loswerden können, sind die Schriftzüge im Hintergrund sogar in korrektem Hebräisch verfaßt. Das hat mir meine Sitznachbarin verraten, die sich damit offenbar auskennt und ganz begeistert war von diesem Detail.

Vermutlich weißt Du aber eh schon, wie diese Geschichte ausgeht: nicht gut. Am Ende wird Jesus verurteilt und soll gekreuzigt werden. Nach dem Ende des Passionsspiels verwandelt sich das ganze Dorf in eine einzige Bühne. Zwei Stunden lang muss Jesus das Kreuz durch die engen Gassen schleppen. Dann endet die Prozession vor der Kirche.

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Die absolut spannendsten Momente des Abends sind die Auftritte der Todestänzer. Der Tod wird von einer Gruppe schwarz gekleideter Figuren dargestellt. Jede von ihnen hat eine ganz bestimmte Bedeutung.

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Die Beleuchtung auf dem Platz wechselt. Ein riesiger Totenkopf erscheint an einer Hauswand. Es ist mucksmäuschenstill. Nur die eintönigen Schläge einer Trommel sind zu hören. Der konstant monotone Rhythmus klingt sehr eindrücklich, fast bedrohlich. Langsam schreiten die Tänzer durch die Reihen der Zuschauer auf die Bühne zu. Dabei springen und hüpfen sie immer wieder, bleiben kurz stehen, dann wiederholen sie die Schrittfolge.

Unaufhaltbar schreitet der Sensenmann voran. Ich halte den Atem an. Jeder hier auf dem Platz blickt völlig fasziniert auf die Tänzer. Man würde vermutlich eine Stecknadel fallen hören, so leise ist es zwischen den einzelnen Trommelschlägen. Diese Dansa de la Mort macht sprachlos, so beeindruckend ist dieses uralte Schauspiel.

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Der Tod geht seinen Weg. Er macht vor niemandem Halt, kann uns jederzeit treffen und verwandelt uns letztendlich in Asche. Die einzelnen Figuren des Tanzes, die Sense, die Fahne, die Uhr und der Teller mit Asche sollen genau das symbolisieren. Nachdem die Skelette auf der anderen Seite der Bühne wieder verschwunden sind, kehrt erst völlige Stille ein, dann erklingt Applaus.

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Die Dansa de la Mort soll schon aus dem Mittelalter stammen. Angeblich dienten kirchliche Theaterstücke wie die Passionsspiele damals oft dazu, den Gläubigen, die nicht lesen konnten, die Geschichten der Bibel näher zu bringen. Gottesdienste wurden in Latein abgehalten, aber das Theater konnte die Sprache des Volkes sprechen.

Der Tod war ein fast alltäglicher Teil des Lebens. Kriege, die Pest und andere Epidemien waren im Mittelalter gang und gäbe. Wenn sich die Figuren der Dansa de la Mort am Ende der Prozession vor dem Kreuz verbeugen, ist auch das eine bildliche Nachricht an die Gläubigen. Diese Verbeugung symbolisiert, dass Glaube und Hoffnung letztendlich größer sind als der Tod.

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Infos zur Dansa de la Mort

Die Dansa de la Mort in Verges ist die einzige Aufführung dieser Art, die sich seit über dreihundert Jahren gehalten hat. An den Hauptfiguren, den fünf tanzenden Skeletten und den übrigen Figuren in schwarzen Kutten, hat sich bis heute nichts geändert. Neben diesen mittelalterlichen Elementen hat der Todestanz aber auch ganz moderne Elemente, wie zum Beispiel die Lichtprojektionen während der Aufführung und zum Abschluss der Kreuzigung.

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Programm:
17-18 Uhr Aufmarsch der römischen Soldaten (frei zugänglich, kostenlos)
22-24 Uhr Passionspiele (nur mit Eintrittskarte)
0-2 Uhr Prozession (frei zugänglich, kostenlos)

Offizielle Website: www.laprocesso.cat

Auf der Website der Prozession findest Du ganz viele Informationen zu den genauen Uhrzeiten, der Geschichte dieser Passionsspiele und sogar ein Video. Tolle Fotos findest Du auf der Website bei Xavi Llop, ein echt netter Fotograf, den ich in Verges zufällig kennengelernt habe.

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Die Eintrittskarte für die Aufführung kostet 18 Euro (Tipp: Zieh Dir warme Sachen an! Es kann wirklich echt kalt werden, wenn Du zwei Stunden lang still sitzt). Während der Aufführung werden der zentrale Platz und die umgebenden Gassen abgesperrt. Erst nach dem Passionsspiel, wenn die eigentliche Prozession beginnt, kann jeder an den Stationen Jesus auf dem Weg zur Kreuzigung teilnehmen und die Dansa de la Mort in den engen Gassen von Verges ganz nah erleben. Die Tänzer treten dabei mehrmals auf. Aber Achtung: Es kann echt voll werden!

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Noch ein Tipp: Am Samstagnachmittag findet übrigens das ganze Spektakel noch einmal in „klein“ statt. Dann sind Kinder die Römer, Juden und Pharisäer und spielen die Passionsgeschichte nach. Auch kleine Tänzer der Dansa de la Mort sind dabei!