Seit Kurzem gibt es einen ganz besonderen Buchladen in Barcelona. „Leamos a más mujeres“ steht auf einem Schild an der Wand, „Wir sollten mehr Frauen lesen“, denn das ist das Ziel, dass sich Vanessa und Anita von Amora Llibres gesetzt haben. Ehrlich gesagt hatte ich mir bislang nie Gedanken über das Geschlecht der Person, die ein Buch geschrieben hat, gemacht. Es kommt ja schließlich auf die Texte und Inhalte an. Dachte ich. Aber … ist das wirklich so? Hast du schon mal einen Blick in dein eigenes Bücherregal geworfen und nachgesehen, wie viele Bücher bei dir zu Hause von Autorinnen und wie viele von Autoren geschrieben sind?
Vanessa Almeida ist eine liebe und gute Freundin von mir. Wir kennen uns schon viele Jahre und haben so Vieles zusammen erlebt, dass wir beinah selbst ein Buch darüber schreiben könnten. Und weil Vanessa eine sehr kluge und engagierte Frau, voller Energie und guter Ideen ist, hat sie vor Kurzem gemeinsam mit Anita diese Buchhandlung eröffnet, in der es genau um diese Frage geht. Die Frage nach den Frauen in der schreibenden Zunft.
Vanessa hat nämlich nachgezählt. In Spanien ist nicht nur der größte Anteil publizierter Bücher von männlichen Autoren verfasst, auch wichtige Buchpreise werden mehrheitlich an Männer vergeben. Dabei haben Frauen oft einen ganz anderen Ansatz, einen ganz anderen Blickwinkel, aus dem sie gesellschaftliche Phänomene betrachten, die Welt wahrnehmen und ihre Geschichten erzählen.
„Natürlich würde es in einer perfekten Welt einen Laden wie unseren gar nicht geben. Wenn es ein echtes Gleichgewicht gäbe, wären wir überflüssig.“ sagt Vanessa. Doch das große Echo, das die Eröffnung von Amora Llibres vor ein paar Wochen auslöste, zeigt, dass wir so weit leider noch nicht sind. Noch brauchen wir Menschen wie Vanessa und Anita, die auf solche Schieflagen aufmerksam machen und etwas dagegen unternehmen.
Während wir uns noch unterhalten, betreten zwei Frauen den Buchladen und stöbern sofort in den ausgelegten Büchern herum. Im Gegensatz zu der manchmal fast erschlagend großen Auswahl in den großen Buchhandlungen der Stadt, fühlen sie die Kundinnen hier in dem kleinen Laden scheinbar richtig wohl. Die Auswahl ist zwar kleiner, aber dafür „ausgesuchter“. Mir kommt es vor, wie im Lieblingsrestaurant, wenn die Bedienung dich kennt und ganz genau weiß, was du gern magst. Wenn sie dir etwas von der Tageskarte empfiehlt, kannst du sicher sein, dass es schmeckt.
„Morgens kommen oft ältere Damen in den Laden, die ganz erstaunt sind, wenn sie feststellen, dass hier nur Werke von Frauen verkauft werden“, erzählt Vanessa lächelnd. „Aber nach dem ersten ungläubigen Staunen sind sie dann ganz begeistert von der Idee.“
Schon lange hatten Anita und Vanessa vor, gemeinsam ein Projekt zu starten. Ursprünglich sollte es einfach ein Laden werden, in dem sie verschiedene, von Frauen produzierte Dinge verkauften wollten. Die beiden Frauen hatten es sich zum Ziel gemacht, anderen Frauen dabei zu helfen, ihre Produkte zu vermarkten. Erst nach einem Besuch in Brasilien stand es dann fest, es würde ein Buchladen werden, in dem sie Bücher verkaufen, aber auch Vorlesungen, Workshops und andere Veranstaltungen organisierten könnten.
Wenn du also bei deinem Barcelona Besuch durch Gràcia bummelst, schau doch mal vorbei. Lokale, kleine Geschäfte zu unterstützen und Autorinnen dabei zu helfen, von ihren Werken leben zu können, ist auch eine Art von nachhaltig unterwegs zu sein. Im Augenblick gibt es eine echt schöne Auswahl an Büchern in Spanisch und Katalanisch, bald sollen auch noch andere Sprachen, wie Englisch kommen.
Ein besonderer Buchladen in Barcelona:
Carrer Ramon y Cajal, 142,
08024 Barcelona
Metro (gelbe Linie L4) Joanic
website: amoralibros.es
instagram instagram.com/amoralibros_bcn
Ein paar Daten zum Thema aus Vanessas Recherche:
- Der Anteil der weiblichen Autorinnen unter allen in Spanien publizierten Büchern beträgt nur 38%.
- Unter den meistgelesensten Büchern finden sich 80% männliche und nur 20% weibliche Autorinnen.
- El Premio Cervantes, der wichtigste spanische Buchpreis, wurde seit 1976 an insgesamt 41 Männer und nur 4 Frauen verliehen.
- Seit der Literaturnobelpreis 1901 eingeführt wurde, hat man 112 Männer, aber nur 16 Frauen ausgezeichnet.
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