Was für ein schöner Titel! Er erinnert sofort an dieses Gefühl der ewigen Sehnsucht nach Meer. „Und dann kommt das Meer in Sicht“ ist ein Fernwehbuch, aber ganz anders, als erwartet. Tamina Kallert erzählt in ihrem zweiten Buch aus dem Leben einer Vielreisenden. Wunderschöne Reiseziele wie die Azoren, die Alpen, Italien kommen natürlich vor, aber die verschiedenen Destinationen bleiben dezent im Hintergrund. Das, worum es eigentlich geht, sind die Begegnungen mit den Menschen.

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In vielen kleinen Geschichten erzählt Tamina, wie sie Orte und Begegnungen ganz persönlich erlebt, die vor der Kamera so leicht und manchmal viel zu kurz daherkommen. In ihrem Buch schreibt sie darüber, was diese Erlebnisse auf Reisen mit uns, beziehungsweise mit ihr, machen. Denn manche dieser Begegnungen am Wegesrand hinterlassen bleibende Eindrücke.

Tamina erzählt überraschend offen, wie es sich anfühlt, beim Kennenlernen und Erleben ständig von der Kamera begleitet zu werden. Sie berichtet von dem Balanceakt zwischen ihrer offenen und sehr spontanen Art, auf Menschen und Dinge zuzugehen und dem Bedürfnis, einen gewissen Grad an Privatsphäre zu bewahren. Auch die Frage nach Authentizität kommt vor, denn bei den Dreharbeiten soll trotz aller Organisation und notwendiger Planung auch noch Raum für Spontaneität sein.

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Doch das Wichtigste in ihrem Buch ist nicht Tamina selbst, sondern die innere Einstellung, mit der sie sich auf Reisen begibt. Das Buch handelt im Grunde genommen davon, was das Reisen mit uns, beziehungsweise mit Tamina macht. Es geht darum, wie man sich durch das Reisen weiterentwickeln kann, wenn man offen für Neues ist. Als ich am Telefon mit ihr spreche, fällt ein Zitat von Christian Morgenstern, ein Satz, der für mich wie die Botschaft ihres Buches klingt:

„Alles ist schön, wenn man es mit Liebe betrachtet.“

Wer Tamina kennt, weiß, dass sie sich nicht verstellt. Vor der Kamera ist dieselbe wie im Buch und zu Hause. Sie ist authentisch und offen und genau das macht den Charme ihrer Sendungen aus. Die positive Einstellung, mit der sie die Herausforderungen des Lebens angeht, öffnet ihr auch unterwegs viele Türen und Fenster in andere Welten. Und das ist einfach ansteckend.

Tamina zeigt in den vielen Schilderungen ihrer Reiseerlebnisse, welch einschneidende Wirkung es haben kann, wenn man die Perspektive wechselt und sich aus seiner Komfortzone herausbewegt. Bei mir ist als Quintessenz des Buches vor allem ihre Haltung zum Reisen hängengeblieben, die ich gut und richtig finde. Tamina ist stets aufmerksam und immer behutsam unterwegs. Uns allen geht es beim Reisen ja darum, etwas Neues, bisher Unbekanntes zu entdecken. Tamina stellt dabei immer wieder fest, wie viel uns doch mit anderen Menschen, auch in den entfernten Winkeln der Erde, verbindet.

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Das ist auch einer der Gründe, warum wir trotz des Klimawandels auch in Zukunft nicht auf das Reisen verzichten sollten. Reisen an sich muss nicht umweltschädlich sein. „Und dann kommt das Meer in Sicht“ zeigt, was auch in Taminas Reisesendungen immer öfter vorkommt, nämlich dass es auch nachhaltig geht: In dem man sich wandernd oder mit dem Fahrrad fortbewegt, verändert sich der Fokus. Auch das Tempo der Reise ist ein anderes. Wer nachhaltig unterwegs ist kann tiefer in die Landschaften eintauchen und hat mehr Zeit für echte Begegnungen.

Vielleicht ist es heute sogar wichtiger denn je auch mal über den Tellerrand hinauszublicken, sich aus der Komfortzone herauszubewegen. Man kann auf Reisen so viel lernen! Wichtig ist nur, ein gesundes Gleichgewicht zu finden – das gilt nicht nur auf Reisen, sondern für unser Leben. Einerseits löst die Flut von Bildern und Informationen, die täglich auf uns einprasselt, Stress aus. Wir vergleichen uns und stehen quasi in einem digitalen Wettbewerb mit der ganzen Welt. Andererseits kriegt man irgendwann einen Tunnelblick, wenn man sich nicht mehr mit Neuem auseinandersetzt und nur noch auf altbekannten, eingefahrenen Wegen verkehrt. Doch wir sollten nicht vergessen, dass es außer unserem eigenen Leben, noch so viel anderes auf der Welt gibt.

Für mich geht es in diesem Buch um eine positive Haltung zum Leben, um Respekt und Dankbarkeit. Nicht alles ist immer rosarot und schön. Aber gerade an und mit den Stolpersteinen können wir viel lernen. Das gilt auf Reisen genauso wie im Leben.

Infos: Und dann kommt das Meer in Sicht

Auch wenn es in „Und dann kommt das Meer in Sicht“ gar nicht in erster Linie um die Autorin geht, sondern Tamina quasi als Vorbild zeigt, wie man mit einer positiven Haltung in der Welt unterwegs sein kann, kommt man ihr als Mensch doch ziemlich nah. Wie vermutlich viele Menschen, die ihr Buch gelesen haben, bin auch ich auf Sätze gestoßen, in denen ich mich selbst wiedererkannt habe. Wie zum Beispiel die Liebe zum Meer und die Sehnsucht nach sanften, warmen Gefilden, die mich immer schon mehr angezogen haben, als die rauen und schroffen Landschaften im Norden Europas.

Den Spagat zwischen Familienleben und Vielreisen im Beruf zu meistern, ist nicht immer einfach. An die eigenen Grenzen kommt man dabei schnell. Bei dem einen ist es ein Beinbruch, bei dem anderen ein ungeplanter Krankenhausaufenthalt. Wenn das bisherige Leben plötzlich in voller Fahrt ausgebremst wird, fühlt es sich an, als ob der Körper stehenbleibt, während der Geist noch weiterrennt. Erst nach einer Weile realisiert man, dass da etwas nicht stimmt. Wenn man sich dann erschrocken umblickt, stellt man überrascht fest, dass unser Körper viel mehr als ein Transportmittel ist, dass wir ihn pflegen müssen, wenn wir noch ein wenig länger hier bleiben und durch die Welt reisen wollen.

tamina kallert

 

„Und dann kommt das Meer in Sicht – Wunderschöne Reisegeschichten vom Aufbrechen und Ankommen“
Autorin: Tamina Kallert
erschienen im Kösel-Verlag
Februar 2022
208 Seiten
Preis 20 Euro
ISBN-10 ‏ : ‎ 346637281X
ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3466372812

Das Buch wurde mir zur Rezension überlassen.