Borrell II – ein Enkel Guifrés

Der erste Graf von Barcelona, Guifré el Pelós, bestimmte, dass die ihm verliehenen oder von ihm eroberten Ländereien nach seinem Tod unter seinen Kindern aufgeteilt werden sollten. Das war nach all den brillanten Ideen und Strategien, die Guifré zu Lebzeiten an den Tag gelegt hatte, eigentlich eine ziemlich dumme Entscheidung. Der gerade erst gewonnene Zusammenhalt der Grafschaften, der sich unter seiner Herrschaft zu entwickeln begonnen hatte, drohte schon in der nächsten Generation wieder zu zerfallen. Diese Episode überspringen wir daher einfach.

Für die Geschichte Kataloniens ist Guifrés Enkel Borrell II (927 – 992) der nächste wichtige Graf von Barcelona. Ihm gelang es, die Grafschaften, die sich unter Guifrés Söhnen entzweit hatten, wieder näher zusammenzubringen. Leider hatte dieser Borrell das Pech zur selben Zeit zu leben, wie der ziemlich umtriebige Al-Mansur, ein maurischer Kämpfer und ziemlich motivierender Anführer, der mit seinen Truppen gern kriegerische Vormärsche in den Norden unternahm. Bei einem dieser Übergriffe versuchte er schließlich auch Barcelona zu erobern und griff die Stadt direkt an. Borell, der sich ansonsten nicht viel um die französische Krone, deren Vasall er als Graf von Barcelona ja offiziell noch immer war, gekümmert hatte, rief in seiner Not die Franzosen um Hilfe an. Es kam jedoch keine Antwort. Also gut, muss Borrell dann wohl gedacht haben. Dann schaffen wir das auch allein. Und sie schafften es tatsächlich, die Mauren zurückzudrängen. Als der französische König später ein alljährliches Rundschreiben an seine Vasallen verschickte, um sie an den zu schwörenden Treueeid zu erinnern, stellte sich Borrell trotzig und ignorierte von nun an die Franzosen seinerseits. Er war niemandem mehr Rechenschaft schuldig. Das war ein Meilenstein in der Entwicklung des entstehenden Kataloniens.

Trotz seiner Bedeutung für die Geschichte des Reichs waren dem Grafen von Barcelona seine Untertanen hingegen relativ egal. Es ging Borrell II vor allem um die eigene Macht. Seine Ländereien und die Menschen, die dort lebten, litten für die folgenden Jahrhunderte unter einem sehr harten feudalen System, in dem die adeligen Herren und Gutsbesitzer die Bauern und das einfache Volk knechteten und unterdrückten. Es mussten hohe Abgaben gezahlt werden, Kriege für die Herrschaften und Landbesitzer geführt werden und sogar in das Privatleben mischten sich die feudalen Tyrannen ein. Harmonisch und friedlich war das Leben damals wirklich nicht gerade. Selbst die Kirche mischte – mal mehr mal weniger – mit und hielt gern die Hand auf, wenn es darum ging, die attraktiven Einnahmen aus der gebeutelten Landbevölkerung zu pressen und zu verteilen.

Rotlle-genealogic-borrell-II-de-barcelona.jpgBorrell II – aus Wikipedia
(„Rotlle-genealogic-borrell-II-de-barcelona“
by Anonymous ) 

Ramon Borrell I

Ramon Borrell (992 – 1017) wurde beim Tod seines Vaters Borrell II zum nächsten Graf von Barcelona. Wie sein Urgroßvater Guifré war er ein Kämpfer und zog in viele Schlachten gegen die Mauren. Die großen Kalifate im Süden der iberischen Halbinsel befanden sich jedoch bereits in einem Stadium der Auflösung. Aufgrund innerer Streitereien schwand ihre Macht und damit auch die Bedrohung durch die Mauren zusehends.

Ramon Borrell war ein selbstbewusster Typ, der die ursprüngliche Abhängigkeit seines Herrschaftstitels von der französischen Krone längst hinter sich gelassen hatte. Stolz nannte er sich auf den von ihm geprägten Münzen sogar „Graf von Gottes Gnaden“. Wie bereits sein Vater vor ihm, folgte auch Ramon Borrell nicht dem Aufruf des französischen Königs zur Erneuerung des Treueschwurs, obwohl auch er offiziell noch immer ein Vasall der karolingischen Krone war.

Um seine Ländereien nicht nur durch Schlachten zu vergrößern, willigte er in die Heirat mit der jungen Ermessenda von Carcassonne ein und eignete sich so auch die Macht über die Territorien jenseits der Pyrenäen an. Es stellte sich jedoch bald heraus, dass Ermessenda keineswegs ein braves, stilles Frauchen war, wie die meisten ihrer Geschlechtsgenossinnen zu jener Zeit. Ermessenda mischte sich ein. Sie war klug, ehrgeizig und so gesund, dass sie sogar drei Generationen lang die Männer auf dem Thron begleitete. Und weil Ermessenda so bedeutend war, und wesentlich länger herrschte als ihr Gatte, kriegt sie einen eigenen Artikel.

Fortsetzung folgt ! 🙂

Rotlle-genealogic-ramon-borrell-I-de-barcelona.jpg„Rotlle-genealogic-ramon-borrell-I-de-barcelona“ by Anonymous – Licensed under Public Domain