Einem Bison oder einem Wolf in die Augen zu sehen, das ist schon ein besonderes Gefühl. Diese wilden Tiere zu beobachten, ist unglaublich spannend. Mitten in Frankreich gibt es eine Gegend mit so viel Natur und so wenig Menschen, dass dort gleich mehrere Schutzgebiete für bedrohte Tierarten eingerichtet wurden: das Lozère. Eine unglaublich vielfältige Landschaft, die von sattgrünen Wäldern und Wiesen über endlos weite, trockene Hochebenen bis hin zu tiefen Schluchten und Bergen reicht.

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Das unzähmbare Bison 

Fiona hat erst vor zwei Jahren ihre Liebe zu den Bisons entdeckt, nämlich als sie anfing, hier im Park zu arbeiten. Mittlerweile kennt sie jedes der Tiere mit Namen, weiß genau welches Bison gutmütig und welches eher ungeduldig ist oder auch einmal wütend werden kann, wenn man ihm zu Nahe kommt. Und das ist auch gut so, denn wenn sie uns Besucher mit dem Pferdekarren durch das Gelände kutschiert, kommt sie den Tieren ganz schön nah.

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Eine Bisonkuh kommt uns mitten auf dem Weg mit zwei kleineren Tieren im Schlepptau entgegen. Auf diese Bisondame ist Fiona besonders stolz, denn sie ist nicht nur friedfertig und macht uns gleich Platz, sondern sie ist auch sehr sozial. Im hohen Alter von 27 Jahren (normalerweise werden Bisons nur so um die 20 Jahre alt) hat sie ein Kalb gekriegt und zu dem eigenen noch ein anderes Bisonbaby adoptiert, das seine Mutter verloren hat. „So eine Adoption ist bei diesen Tieren eher ungewöhnlich und unterstreicht den gutmütigen Charakter der Dame“ erklärt Fiona. Friedlich traben die Drei an uns vorbei. Ganz schön groß, denke ich so bei mir. Und das sind erst die Babys. Ein ausgewachsenes Bisonmännchen kann schon an die zwei Meter groß werden und bis zu einer Tonne wiegen!

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Fiona erklärt uns oben vom Kutschbock herab den Unterschied zwischen dem europäischen und dem amerikanischen Bison. Hier im Park gibt es nämlich beide Sorten. Die europäischen Bisons, auch Wisente genannt, haben längere Beine, die Hörner sind größer und sie sind insgesamt schlanker als ihrer amerikanischen Verwandten, die man aus den Cowboyfilmen kennt. Auch das Fell ist anders. Während die Europäer ein eher gleichmäßig verteiltes, hellbraunes Fell haben, kann man ein amerikanisches Bison an seiner schwarzen Halskrause erkennen, wo das Fell deutlich dicker und dunkler ist. Auch an den Vorderbeinen trägt der Amerikaner schwarzes Fell, das ein bisschen aussieht wie schwarze Kniebunthosen. Im Nacken hat er im Gegensatz zum Wisent so etwas wie einen Höcker und ist irgendwie krummer, mehr nach vorne gebeugt.

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Das amerikanische Bison stammt zwar vom europäischen Bison ab, aber die Tiere haben sich im Laufe der Jahrtausende verändert, und ihrer Umgebung angepasst. Während das europäische Wisent in kleinen Herden in den Wäldern lebt, grast das Bison in Amerika in riesigen Herden auf den weiten, fast baumlosen Steppen.

Der Mensch ist der schlimmste Feind des Bisons. Fast hätten wir es geschafft, diese uralten Tiere, die schon unsere Vorfahren in der Steinzeit an die Wände ihrer Höhlen malten, komplett auszurotten. Bisons wurden nicht nur gejagt, wie in den Cowboyfilmen, sondern vor allem haben wir durch massives Abholzen der Wälder ihren Lebensraum zerstört. In Europa zogen sich im neunzehnten Jahrhundert die letzten wilden Bisons in die Wälder Polens und der Ukraine zurück. Doch selbst dort wären sie beinahe zu einem unwiederbringlichen Teil der Geschichte geworden, hätten nicht ein paar polnische Naturforscher die letzten lebenden Exemplare in Tierparks gerettet. So konnte Anfang der neunziger Jahre in Frankreich dieses Schutzgebiet eingerichtet werden, in dem das Bison, das hier bereits vor Jahrtausenden heimisch war, wieder neu angesiedelt wurde.

bison-salz-leckend-freibeuter-reisen  Europäisches Bison – Wisent 

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Bisons sind friedliche Pflanzenfresser, aber wie bei den Menschen, gibt es auch bei den Tieren unterschiedliche Charaktere. Ein Bison lässt sich nicht zähmen und reagiert manchmal unvorhersehbar. Wenn sich ein Bison bedroht fühlt, kann es ziemlich aggressiv werden, sodass selbst die Tierhüter und Tierärzte im Schutzpark die Tiere nur unter Betäubung behandeln.

In unserer Pferdkutsche lauschen wir Fionas Anekdoten über die einzelnen Tiere, die wir unterwegs treffen. Von Machokämpfen der männlichen Tiere, bei denen es manchmal ganz schön zur Sache gehen kann, oder von einem Weibchen, das so weit unten in der Hierarchie stand, dass sie eine Weile von der Herde getrennt werden musste, damit sie wieder zu Kräften kommen konnte und nicht verhungerte. In einer Bisonherde gilt eben eine strenge Hierarchie. Der Oberbulle ist der Stärkste von allen. Seine einzige Aufgabe ist es, für Nachkommen zu sorgen und die Damen zu besamen. In der Brunftzeit geht man ihm daher besser aus dem Weg. Denn dann lässt er niemanden auch nur in die Nähe seines Harems kommen. Für die Ordnung in der Gruppe sorgen allerdings die Weibchen …

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Guter Wolf – böser Wolf

Nicht erst seit Rotkäppchen gilt der Wolf als böse. Lange Zeit wurde dieses intelligente Tier in Märchen und Sagen gebrandmarkt und verspottet. Und gejagt. Da half auch Moglis schöne Dschungelgeschichte nicht, in der eine Wolfsmama das Menschenjunge liebevoll aufzieht. Eine Zeit lang waren Legenden von angeblichen Wolfskindern sogar richtig populär. Dennoch ist ihr Ruf alles andere als gut.

Vielleicht liegt es ja auch an den Augen der Wölfe. Wenn dich so ein Tier direkt ansieht, also mir läuft da schon ein bisschen ein kalter Schauer über den Rücken. Neugierige oder freundliche Blicke sehen anders aus. Aber selbst wenn sie nicht unbedingt warmherzig dreinblicken, faszinieren mich diese Augen. Wölfe schauen sehr, sehr aufmerksam und beobachten ganz genau. Dabei wirken sie auch noch so intelligent, als ob sie mich verstehen.

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Gerade als wir im Wolfspark, dem Parc à loups ankommen, werden die Tiere gefüttert. Hinter allen Bäumen und Büschen kommen sie hervor. Sie rennen nicht, sondern schlendern eher desinteressiert auf die Lichtung. Nach und nach holen sie sich die Fleischbrocken, die die Tierpfleger ihnen hinwerfen. Einer der Wölfe ist besonders schlau, er holt sich seinen Anteil Fleisch und zieht ihn ins Gebüsch. Dort pinkelt er auf seine Beute und zieht gleich wieder los, um sich einen neuen Brocken zu holen. Na das sind ja Sitten!

Bald sind alle am Fressen, bis auf einen. Der steht mit eingezogenem Schwanz, leise jaulend hinter einem Busch. Er nähert sich vorsichtig aber schnurstraks einem fressenden Wolf und bettelt. Natürlich ist der fressende Wolf sauer und knurrt den Schmarotzer entsprechend wütend an. Ist ja schon ein bisschen dumm zu betteln, wenn doch noch genug Futter da ist. Aber vielleicht ist das eine Art, den Oberwolf um Erlaubnis zu fragen, ob er sich auch ein Stück holen darf. Denn gleich anschließend schnappt sich der jammernde Wolf blitzschnell einen Happen und verschwindet damit.

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Im Parc à Loups leben rund hundert Wölfe, mehr oder weniger frei, in semi-liberté, wie sie das hier nennen. Würden sie völlig wild in den Wäldern leben, wäre die Wahrscheinlichkeit – trotz geltenden Verbots – von einem Bauern abgeschossen zu werden, ziemlich hoch. Hier auf dem Gelände des Wolfsparks sind sie hingegen geschützt. Die Pfleger greifen so wenig wie möglich in das Rudelleben ein, und das kann manchmal ganz schön grausam sein. Grausam jedenfalls für uns Menschen, denn Wölfe leben in einer strengen Hierarchie.

Doch die Rolle in der Gruppe wird akzeptiert, denn das Rudel ist die Familie der Wölfe. Selbst ein Omegawolf, der immer von allen auf den Deckel kriegt, der Prügelknabe, der gebissen und malträtiert wird, bleibt lieber bei seiner Gruppe, als alleine zu leben.

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Sicher, kuschelige Haustiere sind es nicht. Auch hier im Park sind und bleiben die Wölfe wilde Tiere. Im Rudel gelten harte Regeln, an die sich jeder Wolf zu halten hat. So ist das Gesetz der Natur. Dazu gehört eben auch, dass es Alphatiere und Omegatiere gibt. Die Alphas sind die dominanten Tiere, die das Rudel leiten. Sie herrschen, ähnlich wie ein König, über die anderen Tiere. Sie sind die Anführer. Meist sind es die stärksten Tiere, aber wie auch bei den Menschen gibt es da Unterschiede, manche sind sehr streng und aggressiv, andere gehen relaxter an ihre Aufgabe heran. Immer aber gibt es eine Geschlechtertrennung: Das Alphaweibchen ist für die Ordnung bei den weiblichen Rudelmitgliedern zuständig, das Alphamännchen sorgt für Ordnung aufseiten der Rüden.

Zu den wichtigsten Aufgaben der Alphawölfin gehört es, den Nachwuchs zu kontrollieren. Das bedeutet allerdings nicht nur, dass sie kleine Babywölfe wirft, sondern vor allem, dass sie den Zuwachs der Gruppe im Blick hat. Gibt es nämlich zu viele Wolfsjunge, muss die Alphawölfin, und nur sie, auch schon mal ihre eigenen Jungen töten und fressen. Das hört sich furchtbar grausam an, ist aber eigentlich logisch, denn Wölfe werden schnell groß. Dann fressen die Jungtiere genauso viel wie die Erwachsenen. Gibt es zu viel Nachwuchs, läuft das Rudel Gefahr, nicht mehr ausreichend Nahrung im Revier zu finden. Also muss, so furchtbar sich das für mich auch anhört, die Anzahl der Mitglieder dezimiert werden. Geburtenkontrolle auf Wölfisch.

Die Orroks

Und dann gibt es da noch die berühmten Orroks. Das seien ganz typische Tiere hier im Lozère, höre ich mehrmals während meiner kleinen Reise durch die Landschaften. Ich habe zunächst keine Ahnung, um was für ein merkwürdiges Wesen es sich dabei handelt. Bis ich den Namen geschrieben sehe. Die Rede war nämlich vom Aurochs (oder Auerochsen), dem Urrind und Vorfahr der heutigen Rinder sozusagen, nur eben auf Französisch ausgesprochen.

Infos zu Bison und Wolf im Lozère:

Parc à Loups
Sainte Lucie
48100 Saint Léger de Peyre
Website: www.loupsdugevaudan.com

Réserve des Bisons
48120 Sainte Eulalie en Margeride
Website: www.bisoneurope.com

Unterkunft im Lozère:

Geschlafen habe ich in einem Chambre d’hôtes:

Grange d’Emilie
Le Comte de Fontans
48700 Fontans
Website: www.chambrehote-emilie.com

Vor ein paar Jahren entschlossen sich Emelie und Michel, das alte Gehöft der Eltern umzubauen und während der Sommermonate Gästezimmer zu vermieten. Da der Jakobsweg durch das nahe gelegene Aubrac führt, kommen viele Pilger hier vorbei. Für die Wanderer aber natürlich auch für alle anderen Gäste gibt es einen kleinen Wellnessbereich mit Sauna, Dampfbad, Yakuzzi und einem Massagesessel. Auf Wunsch kann man sogar eine richtige Massage bestellen.

Mein Zimmer ist ziemlich groß und liebevoll eingerichtet. In der Mitte thront eine riesige steinerne Badewanne – wirklich mitten im Raum! Da können mindestens zwei Leute gleichzeitig gemütlich ein Bad nehmen. Allein würde ich mich darin ja fast verlaufen.  Michel erzählt, dass sie die Wanne durch das Fenster herein hieven und die Bodendielen noch extra  verstärken mussten.  Dafür kann ich jetzt von der Badewanne aus zusehen, wie die Sonne den herbstlichen Wald vor meinem Fenster in ein Farbenmeer verwandeln. Echt schön!

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Hinweis: Dieser Artikel entstand im Rahmen eines Blogtrips durch das Lozère.