Josep grüßt kurz mit einem Kopfnicken. Enric stellt mir einen der drei Männer vor, die bei Anchovis l’Escala arbeiten. Der Rest der rund vierzig Angestellten sind Frauen. Und Enric selbst ist der Chef. „Sieh Dir Josep mal ganz genau an“, fordert er mich auf. Und ich sehe ihn mir also an. Josep, der uns natürlich gehört hat, bleibt lachend stehen und weist auf das Foto hinter mir an der Wand. Die Vergrößerung eines alten Schwarz-Weiß Fotos zeigt eine Fischauktion im Hafen von l’Escala vor rund fünfzig Jahren. Die Männer sind total auf den Fisch konzentriert und nehmen den Fotografen gar nicht wahr.

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Und dann falle ich fast um. Da steht Josep inmitten der Männer – in schwarz-weiß! Es ist ganz eindeutig dasselbe Gesicht! Wenn nicht irgendjemand inzwischen das Zeitreisen erfunden hat, dann muss das wohl sein Vater sein. Die Ähnlichkeit ist unglaublich! Josep kennt das schon und macht sich wieder an die Arbeit, während Enric mir das Foto erklärt. Jetzt, wo ich Joseps Vater darauf erkannt habe, finde ich das Bild viel realer, viel menschlicher. Ich sehe richtig, wie die Männer sich gegenseitig misstrauisch beäugen, wie sie beobachten und abschätzen, wer wohl auf welchen Fisch bieten wird und wie viel. Das muss zugegangen sein wie bei einem Pokerspiel!

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Damals in den fünfziger Jahren lebte l’Escala noch vom Fischfang. Die Anchovis, die man hier aus den Sardellen machte, waren im ganzen Land berühmt für ihre gute Qualität. Doch heute wird es immer schwieriger Sardellen in der richtigen Größe aus dem Meer zu holen. Das Mittelmeer ist weitgehend überfischt und die wenigen Fisch verarbeitenden Betriebe, die es heute noch gibt, müssen den Fang teilweise aus anderen Teilen Spaniens kaufen. Jeden Tag geht Enric zur Fischauktion, um dort höchstpersönlich die besten Fische auszuwählen. Manchmal gibt es auch keine. Aber heute wird gerade eine neue Ladung geliefert und die Frauen sind schon längst bei der Arbeit. Doch bevor wir den Damen einen Besuch abstatten, erzählt Enric mir noch, wie das früher mit dem Einlegen des Fischs funktionierte.

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Unter dem Bild mit den Fischern stehen ein paar der alten Holzfässer, in denen früher die Anchovis eingelegt wurden. Die alten Fischer behaupten, die Anchovis aus den Holzfässern hätten besser geschmeckt, als die von heute. Das läge daran, dass die Sardellen in dem Holzfass besser atmen konnten, als in dem hygienischen Plastiktonnen, die heute verwendet werden. Im Gegensatz zum komplett luftdichten Plastik ist Holz natürlich nicht hundert Prozent dicht. Das hat wohl wirklich einen Einfluss auf den Geschmack. Aber in den sechziger Jahren oder so wurde eben aus Gesundheits- und Hygienebestimmungen das Einlegen in Holzfässern verboten.

Enric erklärt mir, dass im gesamten Mittelmeerraum, also überall dort, wo die Griechen und Römer so hingekommen sind, Fische in ganz ähnlicher Art und Weise gesalzen und dadurch haltbar gemacht wurden. Durch das Einlegen der Fische in Salz konnte man aufbewahren, was nicht sofort verzehrt wurde.

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In Italien verarbeitet man die Sardellen zum Beispiel bis heute nach einem fast gleichen Prozess. Allerdings mögen die Italiener ihre Anchovis trockener und salziger. Je mehr Salz man verwendet, umso trockener werden die Anchovis. Das ist einerseits natürlich eine Geschmacksfrage, andererseits aber auch eine Frage der Haltbarkeit. Je trockener der Fisch ist, umso länger ist er auch haltbar. Während die Anchovis aus l’Escala im Kühlregal aufbewahrt und innerhalb von sechs Monaten verzehrt werden müssen, halten die Anchovis aus Italien viel länger und können trocken, also außerhalb des Kühlschranks gelagert werden.

Als wir schließlich in die große Halle gehen, wo der Fisch verarbeitet wird, stehen dort schon die fleißigen Arbeiterinnen um die Edelstahltische herum und säubern die Anchovis. Flink drehen sie die Köpfe ab, die Innereien wandern in den Eimer. Dann werden die Fische in großen Fässern eingelegt. Dort ruhen sie monatelang in Salz, bis sie schließlich weiterverarbeitet werden können. Das passiert meistens im Winter, eine Zeit, in der wenig neue Sardellen gefangen und eingelegt werden.

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Haben die Anchovis dann eine ausreichende Zeit geruht, werden sie entsalzen, entgrätet und gewaschen. Die fertigen Filets müssen dann nur noch in Gläser oder Dosen gepackt werden, die mit Öl aufgefüllt werden. Für manche Restaurants oder feine Luxuskaufhäuser, die Enric zu seinen Kunden zählt, machen sie auch Sonderanfertigungen. Merkwürdigerweise mögen die die Präsentation in Plastikschälchen lieber, weil es frischer aussehe. Wenn der Kunde das so wünscht, machen wir das natürlich, sagt Enric. Aber ihm persönlich ist die Dose oder das Glas lieber. Finde ich auch.

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Um als kleine Firma heute noch bestehen zu können, muss man sich etwas einfallen lassen. Enric hat investiert und ist ein großes Risiko eingegangen, aber zum Glück ging seine Rechnung auf. Neben dem Verkauf auf dem heimischen Markt exportiert er bereits einen ansehnlichen Anteil seiner Produkte in alle Welt. In Chile, China und Australien isst man mittlerweile seine Anchovis aus l’Escala.

Enric zeigt mir auf youtube das Video einer Chef-Masterclass einer australischen Kochsendung. In der dort sehr beliebten Fernsehserie wird gerade ein mediterranes Menü zubereitet. Bei einem langsamen Schwenk der Kamera über die vorbereiteten Zutaten kommt plötzlich eine geöffnete Dose seiner Anchovis ins Bild. Darauf ist Enric zu Recht sehr stolz. Ein Großkunde ist Australien zwar noch nicht, aber das kann ja noch werden.

Besonders viele glückliche Abnehmer hat die Firma gleich hinter der Grenze, in Frankreich. Nur wenige Kilometer von hier entfernt, auf der französischen Seite, waren bis vor gar nicht so langer Zeit die Bräuche und Essgewohnheiten sehr ähnlich, wie hier.

Collioure zum Beispiel war in den fünfziger Jahren ein Fischerdorf, ganz genau wie l’Escala. Aber dort hat der Fortschritt schneller zugeschlagen und leider auch viele kleine Betriebe vernichtet. Dort wird kaum noch nach der alten Methode gearbeitet. Darum kommen die Franzosen besonders gern hierher, um Fisch, so wie sie ihn früher zu Hause gegessen haben, zu kaufen. Nur die Deutschen, meint Enric, die mögen wohl irgendwie keinen Fisch…

Also ich finde Anchovis sehr lecker und esse gern Fisch. Wie ist das bei Dir?

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Infos zu Anchovis aus l’Escala:

Adresse: Anxoves de l’Escala
Pol. Industrial Els Recs
Calle Boters s/n
17130 L´Escala / Girona
Anfahrt: von der A7 kommend Ausfahrt Nr. 5 l’Escala/Empúries
E-mail: info@anxovesdelescala.es
Website: www.anxovesdelescala.es

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