Berenguer Ramon ging in die Geschichte als der eher verweichlichte Sohn der Ermessenda von Carcassonne ein. Der Graf hatte aber auch zu seinen Lebzeiten nicht wirklich viel Glück. Er heiratet zweimal und stirbt noch sehr jung. Zunächst ehelicht er Sancha Sánchez, mit der er zwei Söhne hat: Ramon Berenguer I, der sein Nachfolger als Graf von Barcelona wird, und Sancho. Nach dem Tod seiner ersten Frau Sancha heiratet er in zweiter Ehe Gisela von Lluca, mit der noch zwei Kinder in die Welt setzt. Mit nur dreißig Jahren stirbt Berenguer Ramon. Von seinen Versuchen mit den Mauren Frieden zu schließen, bleibt nach seinem Tod nur der Ruf ein verweichlichter und schwacher Graf gewesen zu sein. Harte Zeiten. Frieden lag damals gerade nicht im Interesse der Adeligen. Seine Mutter Ermessenda war da aus einem anderem Holz geschnitzt. Sie war energisch und setzte sich nicht nur politisch durch. Sie überlebte ihren eigenen Sohn noch viele Jahrzehnte.
Berenguer Ramon, der Bucklige (1005 – 1035)
Mit Berenguer Ramon beginnt der verwirrendste Teil der Familiensaga, der reich an Skandalen aber sehr arm an Namen ist. Aus einem mir nicht erklärlichen Grund hatte diese Familie wohl nur zwei Namen für ihre männlichen Nachkommen zur Verfügung, nämlich Ramon und Berenguer, die in den folgenden Generationen immer wieder benutzt werden, mal in unterschiedlicher Reihenfolge zusammengesetzt, mal einfach nur durchnummeriert.
Ramon Berenguer I (1023-1076) und Almodis
Was die Herrscher nicht in Schlachten erringen konnten, wurde oft durch Heirat hinzugewonnen. Hochzeiten dienten vorwiegend politischen Zwecken. Sicher gab es die eine oder andere Ausnahme von den arrangierten Eheschließungen, aber Ehen aus Liebe waren im Mittelalter die Ausnahme. Sicher, so mancher Graf verguckte sich bestimmt in die eine oder andere hübsche junge Dame, die nicht unbedingt dem Adelsgeschlecht entstammte. Meist weilte ein solches Glück jedoch nur solange, bis die nächste einflussreiche Mätresse an die Tür klopfte. Mehrere Liebschaften und Mätressen zu haben, war damals nicht unüblich. Immer mal wieder mussten solche hormongesteuerten Herrscher dann den Papst in Rom irgendwie befrieden und politische Zugeständnisse an das Kirchenoberhaupt machen, wenn sie gar zu arg über die Stränge geschlagen hatten. Aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte.
Im elften Jahrhundert ist Ramon Berenguer I der Mann auf dem Thron Barcelonas. Der Enkel der starken Ermessenda und Sohn des als verweichlicht geltenden Berenguer Ramon, hat sich zu einem klugen und angesehenen Grafen entwickelt. Allerdings muss er sich zunächst noch den Thron mit seiner energischen Oma teilen.
Als seine erste Frau Elisabet von Nimes, mit der er drei Kinder hat (Berengar, Arnau und Pere Ramon), 1050 stirbt, heiratet Ramon Berenguer nur ein Jahr darauf 1051 Blanche von Narbonne. Diese zweite, von Oma Ermessenda eingefädelte Ehe hält jedoch nicht lange. Die Braut ist dem Grafen wohl entweder zu brav oder zu hässlich. Jedenfalls verstößt er Blanche schon 1052, ohne dass aus dieser Beziehung Nachkommen hervorgehen.
Auf einer seiner zahlreichen Reisen trifft Ramon Berenguer dann die schöne Almodis de la Marca (de la Marche) – eine schicksalshafte Begegnung. Der junge Graf verliert sein Herz und entführt Almodis nach Barcelona. Auch wenn diese leidenschaftliche Zuneigung auf Gegenseitigkeit beruht, gibt es ein Problem: Almodis ist kein unbeschriebenes Blatt. Sie war nicht nur schon verheiratet, sondern ist es noch, nämlich in zweiter Ehe mit dem Grafen von Toulouse. Der tobt natürlich und ist ziemlich sauer.
Auch die tiefgläubige Ermessenda ist entrüstet und missbilligt diese neue Verbindung ihres Enkels zutiefst. Alles Zureden hilft nichts, der junge Graf bleibt dabei, Almodis heiraten zu wollen und verspricht seiner Braut sogar die Ländereien der eigenen Großmutter. Es ist eine familiäre und politische Zerreißprobe. Ermessenda lässt ihre Kontakte zur Kirche spielen und setzt durch, dass Papst Viktor II. das sündige Paar im Jahr 1056 exkommuniziert.
Großmutter und Enkel können sich einfach nicht einigen. Beide beharren trotzig auf ihren jeweiligen Forderungen. Eine friedliche Wiedervereinigung der Familie – und der Grafschaften Kataloniens – scheint aussichtslos. Es dauert Jahre, bis sich die beiden Dickköpfe schließlich doch einigen.
Grabplatten des Grafen und seiner Frau Almodis in der Kathedrale Barcelona
Das leidenschaftliche Paar hat zwar schon diverse Nachkommen aus den vorherigen Ehen, gemeinsam setzen sie aber noch vier weitere Kinder in die Welt: die Zwillinge Ramon Berenguer II und Berenguer Ramon II, sowie die beiden Töchter Inés und Sancha.
Aus Berenguer Ramons erster Ehe mit Elisabet erreicht nur ein Kind das Erwachsenenalter, Pere Ramon. Als ältester Sohn des Grafen von Barcelona hatte er Anspruch auf den Titel seines Vaters. Die verführerische Almodis war durch die Hochzeit mit Ramon Berenguer I seine Stiefmutter geworden. Allerdings vertrug sich Pere Ramon überhaupt nicht mit der ehrgeizigen Frau seines Vaters. Offenbar stand sie ihrer Schwiegermutter Ermessenda in puncto Ehrgeiz und Engagement in nichts nach. Auch Almodis regierte gemeinsam mit ihrem Mann und traf wichtige politische Entscheidungen mit ihm zusammen.
Vermutlich hätte sie ihre eigenen Kinder lieber auf dem Thron gesehen, als den Stiefsohn Pere Ramon, der seine Stiefmutter hasste. Die beiden hatten oft und heftigen Streit. Eines Tages artet die Auseinandersetzung dermaßen aus, dass Pere Ramon durchdreht und Almodis umbringt. Berenguer Ramon reagiert drastisch. Er enterbt seinen Erstgeborenen und die Kirche verbannt ihn. Pere Ramon flieht jedoch vor der drohenden Exilierung nach Jerusalem und flüchtet sich ins Reich der Sarazenen, wo er irgendwann, irgendwo, fernab von allen, stirbt.
Das bedeutet, dass nun Almodis Zwillinge die Nächsten in der Thronfolge sind. Statt für Frieden und Eintracht, sorgen Ramon Berenguer II und Berenguer Ramon II für neue Skandale in der Familienchronik.
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