Apocalyptica, The Rasmus und Ville Valo von HIM – das ist so ungefähr alles, was ich von Finnland kenne. Ich stelle mir Helsinki so vor, wie sich die Songs der finnischen Bands anhören. Aber wie so oft kommt immer alles ganz anders.

Mit der Fähre landen wir morgens um neun Uhr im Hafen von Helsinki. Der Hafen ist echt schön und es ist richtig viel los. Von Weitem kann ich schon die alte Markthalle erkennen, als unser Dampfer anlegt und ich mich für meine ersten Schritte auf finnischem Boden bereit mache. Ganz unpassend zur Musik in meinem Kopf scheint die Sonne. Sergio, ein Freund aus Valencia, der seit Jahren in Helsinki lebt (ja ja, die Liebe Mal wieder), holt uns ab und wir fahren mit der Tram zu ihm nach Hause.

Helsinki Hafen vom Schiff aus

Helsinki Bahnhof

Am Nachmittag machen Michi und ich uns dann auf Erkundungstour. Sergio hat uns einen Stadtplan in die Hand gedrückt und ein paar gute Tipps gegeben. Was wir leider viel zu spät geschnallt haben: Am besten man kauft sich ein Helsinki Tagesticket für fünf Euro am Automaten. Einzelfahrscheine kosten beim Bus- oder Tramfahrer drei Euro. Oder man geht zu Fuß. Helsinki ist nicht groß und theoretisch ist alles ziemlich gut auch ohne öffentliche Transportmittel zu erreichen. Außer die Inseln natürlich :-).

Helsinki Hauptbahnhof

Wir fahren also mit der Tram wieder ins Zentrum der Stadt. Am Hauptbahnhof, dem sowjetisch anmutenden Gebäude mit den stoischen Gestalten, die weiße Kugeln in den Händen halten, steigen wir aus. Gleich um die Ecke liegt schon Suurkirkko, die große Kathedrale, oder besser gesagt, der Dom Helsinkis. Strahlend weiß vor knallblauem Himmel ragt das Gotteshaus in den Himmel. Ein bisschen hat sie was von Zuckerbäcker, wie die Sacre Coeur. Vielleicht macht das aber auch nur die Farbe. Wie in Paris führen auch hier Treppen zur Kirche hinauf. Nur kreisen keine Tauben, sondern Möwen kreischend über die Köpfe der Leute hinweg.

Helsinki Dom Suurkirkko
Helsinki Dom Suurkirkko weisse Kirche

Gegenüber der Suurkirkko liegt ein nettes, kleines Café. Das Café Engel hat sogar vegetarische Gerichte. Wir gönnen uns ein kleines Mittagessen. Wasser braucht man hier gar nicht zu bestellen. Es stehen Karaffen und Gläser bereit, die man sich kostenlos nehmen kann. Einfach so! Das ist echt nett, denn grundsätzlich ist Helsinki nicht unbedingt billig.

Helsinki im Cafe Engel

Gleich um die Ecke des Cafés liegt das Helsinki Stadt Museum. Zwei Stockwerke, echt miniklein, aber sehr niedlich gemacht. Da gibt es Videos an den Wänden, man lernt die wichtigsten historischen Persönlichkeiten Helsinkis kennen und erfährt so Einiges über die Geschichte der Stadt. Das Museum ist übrigens kostenlos. Es lohnt sich also auf jeden Fall, wenigstens einen Blick rein zuwerfen. In den dreißiger Jahren gab es so ein Spiel gab, bei dem die Finnen als Badenixen verkleidete und auf Brettern ruhende Damen so lange mit Bällen beworfen haben, bis die Badeschönheiten von ihrem Brettchen in den Pool platschten. „Mermaid werfen“ oder so hieß das wohl. Gegen Abend war der Zutritt dann nur noch für Erwachsene erlaubt, da die Damen dann auch gern mal topless ins Wasser befördert wurden. Tse tse tse… Das muss damals wohl echt frivol gewesen sein.

Helsinki vor dem city Museum

Dann schlendern wir weiter zum Hafen. Direkt am Kai findet täglich ein kleiner Markt statt, der Kauppatori. Da reiht sich ein Stand mit leckerem Essen an den anderen. Dazwischen gibt es Selbstgeschnitztes aus Holz, Strickpullis mit Finnenmuster, bunte Wollsachen und sogar Pelzmützen. Eben alles, was Touristen so kaufen.

Helsinki Markt Kauppatori
Helsinki Markt Kauppatori sommer Pelzmütze
Helsinki Markt Kauppatori Stände

Die Markthalle Hakaniemen kauppahalli, die ich schon vom Schiff aus gesehen habe, ist von außen wunderschön. Auch drinnen ist sie recht hübsch mit ihren hölzernen Marktständen. Aber Obst, Gemüse oder Fisch gibt es hier nicht mehr. Es werden nur noch Andenken für Touristen verkauft.

Helsinki Markthalle Hakaniemen kauppahalli

Helsinki Brücke Hafen
Helsinki Hafen Cafe Schiff

Helsinki Uspenski Kathedrale Hafen

Auf der anderen Seite des Markts geht es zur Uspenski Kathedrale, einer orthodoxen Kirche, die in rotem Backstein, mit Zwiebeltürmchen und goldenen Kreuzen über dem Hafen thront. Durch eine der Flaniermeilen der Innenstadt marschieren wir wieder zum Bahnhof zurück. Auf dem Weg zur Felsenkirche kommen wir auf einen großen Platz, dem Kamppi. Dort steht in einer Ecke ein riesengroßes, orangefarbenes Ding. Das Gebäude hat keine Fenster. Laut unserem Reiseführer ist das lustige Teil eine Kapelle, ein Raum der Stille. Wir begnügen uns mit einem Foto von außen. Schließlich wollen wir gleich noch in eine andere Kirche. Wir müssen ja nicht in jede Kapelle reingehen.

Helsinki Kapelle Kamppi Raum der Stille

Auf dem Kamppi Platz baut ein Pärchen gerade einen Smoothie-Stand auf. Genauer gesagt ist es ein Fahrrad mit einer Kiste. Es sieht zwar sehr selbst gebastelt aus, aber eine Kundin steht bereits davor und lässt sich eine undefinierbare Flüssigkeit aus einem großen Kanister in einen Becher abfüllen. Möwen kreisen auf der Suche nach Essbarem über den Platz. Während die finnischen Kinder in T-Shirts und kurzer Hose rumlaufen, entdecke ich ein paar Erwachsene, Finnen glaube ich, die mit Mütze und Schal bekleidet sind. Denen ist also auch kalt.

Helsinki Felsenkirche Temppeliaukio
Helsinki Temppeliaukio Felsenkirche Innen

Hinter dem Kamppi führt die Runebergrink bis zur Temppeliaukio, der Felsenkirche. In Helsinki ragen manchmal Felsen einfach so aus dem Boden hervor. Und diese Kirche hat man einfach in einen dieser Felsen hineingebaut. Von Weitem ist eigentlich nur ein Haufen Steine zu erkennen. Der Eingang sieht eher so aus, als ob er in ein Bergwerk führen würde. Aber es geht in eine überraschend helle und sehr gemütliche Kirche. Wir gehen nach oben, auf eine Galerie, von der aus wir die gesamte Kirche überblicken können. Von irgendwoher ertönt Klaviermusik. Es wird wohl gerade für ein Konzert geprobt. Wir sitzen einfach eine Weile still da und lauschen. Echt schön!

Hinter der Temppeliaukio liegt ein nettes, kleines Café, das Café Eepos. Wir schlemmen noch gemütlich Kaffee und Kuchen, bevor wir zu Sergio und Sari nach Hause fahren. Eine süße kulinarische Erkundung muss eben auch mal sein.

Cafe Eepos Helsinki Helsinki Cafe eepos Kuchen

Als ich mit Sergio in den Supermarkt gehe, um etwas zum Abendessen einzukaufen, erzählt er mir, wie das damals so war, als er als Student zum ersten Mal hier herkam. Im November! Das muss so ziemlich der schlimmste Monat für einen Besuch in Helsinki sein. Im Sommer ist es ja lange hell. Das mag ich. Aber den Winter mag ich mir gar nicht vorstellen. Wie sich diese ewige Dunkelheit anfühlt, will ich dann doch von ihm wissen. Erstaunlicherweise hat Sergio sich verliebt – in Helsinki und in Sari. Seit fast fünfzehn Jahren lebt er nun schon hier im hohen Norden. Und das als Spanier. Wenn ich bedenke, wie extrovertiert und „draußen-lebend“ die Leute im Süden sind – praktisch das Gegenteil der Finnen. Hier sind alle sehr still und zurückgezogen, ja fast schon schüchtern. Draußen auf den Terrassen der Cafés und Restaurants zu leben, sich draußen mit anderen Menschen zu treffen, das würde hier nur wenige Wochen im Jahr funktionieren. Der Rest muss eine Art Winterschlaf sein.

Ich fürchte, ich würde im finnischen Winter Depressionen kriegen, so ganz ohne Licht. Sergio meint, die meisten Finnen kriegen früher oder später Depressionen. Aber sie gehen damit um, wie andere Leute mit einem Schnupfen. Das geht auch wieder vorbei. Wenn der Sommer kommt.

Mittlerweile sind wir im Supermarkt angekommen und ich erfreue mich an den i-Worten: Es gibt Meetvursti, Grill Maesteri, Joghurtti und noch ein paar andere Worte, die auf -i enden, und die ich prima verstehen kann. Offenbar hängen die Finnen an ihre Fremdwörter einfach ein -i hinten dran.

Als wir, also Michi und ich und die gesamte Sari und Sergio Familie, gemütlich beim finnisch-spanischen Abendessen sitzen, fragt Michi, wieso alle Straßen in Helsinki auf Schwedisch ausgeschildert sind. Auch die Fahrkarten sind zweisprachig, in Finnisch und Schwedisch, das war mir heute auch schon aufgefallen. Sari erklärt uns, dass die Schweden zwar nur eine absolut kleine Minderheit im Land sind (um die fünf Prozent oder so), aber Schwedisch dennoch eine der Amtssprachen Finnlands ist. Alle offiziellen Dinge müssen hier nach wie vor zweisprachig sein. Finnland ist zwar seit fast hundert Jahren ein unabhängiger Staat (seit 1917), aber die Schweden haben immer noch sehr viel Einfluss hier. Auch wenn sie nur eine kleine Minderheit sind.

Insgesamt gibt es nur rund fünf Millionen Finnen. Die Meisten von ihnen leben in Helsinki, in Espoo, Vantaa, Turku und anderen Orten im Süden des Landes. Aber das war es dann auch schon mehr oder weniger. Der große Teil Finnlands ist unbewohnt, besonders der Norden ist echt dünn besiedelt. Hammer – da gibt es ja schon mehr Katalanen (ich glaube so um die sieben Millionen).

Als es gefühlte acht oder neun Uhr am Abend ist, bin ich echt müde. Beim Blick auf die Uhr bin ich platt: Es ist schon nach Mitternacht und noch taghell! Wahnsinn. Klar habe ich das gewusst, es ist ja auch bald Mittsommer. Aber meine zeitliche Orientierung kommt mit dem vielen Nachtlicht gerade gar nicht klar. Wir beeilen uns, schnell ins Bett zu gehen. Schließlich wollen wir Morgen ja auch noch was sehen.

Helsinki Architektur City
Helsinki Räder im Hafen
Helsinki vor der Kathedrale
Hesinki Zentrum

Hinweis: Unser Besuch in Helsinki war Teil einer Citycruise mit der Tallink Silja Line. Vielen Dank für die Fahrt in den hohen Norden! Die dargestellte Meinung ist selbstverständlich komplett meine eigene.