Im Meeresmuseum werden Bibiane, die mich auf meinem Bummel durch Lloret begleitet, und ich von Anna empfangen. Anna erklärt uns nicht nur, was es hier im Museum zu sehen gibt, sondern erzählt uns die Geschichte des Gebäudes und der Stadt Lloret. Das hängt nämlich alles eng zusammen. Wer im Museu del Mar Fische oder andere Meeresbewohner erwartet, liegt falsch. Das Museum erzählt vielmehr die Entwicklung des Fischerorts Lloret de Mar, eine Geschichte von Menschen, die am und mit dem Meer lebten.

Meeresmuseum Lloret

Viele Bewohner Lloret de Mars hatten im Laufe des 19. Jahrhunderts ihr Glück in den Kolonien versucht. Die meisten der auswandernden Spanier und Katalanen zog es damals nach Kuba. Manche waren dort sehr erfolgreich und wurden beim Handel in Übersee reich, andere eher nicht so. Gegen Ende des Jahrhunderts gab es dann eine wahre Schwemme von Rückkehrern. Diejenigen, die mit Geld und Gold zurückkamen, nannte man „Indianos„. Diese Indianos brachten Aufschwung und Überfluss. Sie investierten den gewonnenen Reichtum in ihren Heimatdörfern und errichteten oft wahre Paläste. Entweder entwarfen sie neue, elegante Prachtbauten oder sie bauten alte Häuser zu pompösen Familiensitzen um.

In Katalonien war diese Zeit auch die Hochzeit des Modernismus. Wer es sich irgendwie leisten konnte, engagierte einen der angesagten Architekten wie Gaudí, Puig i Cadafalch oder Domènech i Montaner. Der modernistische Friedhof in Lloret ist ebenfalls das Ergebnis dieser neureichen Bauwut, genau wie das Gebäude des heutigen Museu del Mar.

 Museum Lloret de Mar

Der Haupteingang der „Can Garriga“ befand sich damals allerdings direkt gegenüber des Rathauses, an der mit Palmen gesäumten Allee, die ebenfalls von Indianos gebaut worden war.

Früher nummerierte man die Häuser hier übrigens nicht, wie heute. Statt sie mit Hausnummern zu versehen, wurden die Gebäude nach den Familien benannt, die sie bewohnten. Garriga war der Name des reichen Indianos, der hier lebte und so hieß der Sitz der Familie, in dem sich nun das Museum befindet, einfach Can Garriga. Liebevoll restauriert, um möglichst viel von der Geschichte des Hauses zu erhalten, wurde nur wenig an der Baustruktur verändert. Nur der Haupteingang liegt jetzt an der Strandpromenade.

Lloret de Mar Promenade

In der unteren Etage ist ein Saal genau so eingerichtet, wie es hier im Haus vor über hundert Jahren ausgesehen haben muss. Die Möbel sind restaurierte Originale – erklärt Anna, die uns durch das Museum führt. Auch der Fußboden ist erhalten geblieben. Während wir durch die Ausstellung gehen, berichtet sie von dem Leben der Bewohner Llorets und dem Alltag in früheren Zeiten. Die Leute waren arm. Fast alle lebten irgendwie vom Meer und mit dem Meer. Entweder sie waren Fischer, Seeleute oder sie bauten Schiffe.

In einigen Vitrinen werden verschiedene Schiffsmodelle ausgestellt, wie sie gegen Ende des letzten Jahrhunderts üblich waren. Die Originale hätte ja auch gar keinen Platz.

Museu del Mar Lloret Casa Garriga

Im ersten Stock beginnt eine virtuelle Reise in die Vergangenheit. Multimedial wird die Geschichte eines jungen Auswanderers dargestellt. Ich gucke und lausche. Es ist schon irgendwie bewegend. Heute ist Reisen ja ganz einfach. Wenn man damals, ohne große Reichtümer zu besitzen, etwas von der Welt sehen wollte, konnte man eigentlich nur zur See fahren. Das war es nicht nur schweißtreibende Arbeit, sondern auch ein lebensgefährliches Abenteuer.

Viele, die aufbrachen, kehrten nie zurück. Die Bedingungen waren hart. Aber einige schafften es. Sie handelten mit Baumwolle, Stoffen, Kakao, Tabak, Wein und wertvollen Hölzern. Manche wohl auch mit Sklaven. Wer es geschafft hatte, in Übersee sein Glück zu machen, kehrte oft erst nach vielen, vielen Jahren als gemachter Mann nach Spanien zurück. Die Erfahrungen und Erlebnisse in der Fremde prägten jedoch die Indianos. Viele Rückkehrer brachten daher ein wenig karibisches Flair mit zurück an die Mittelmeerküste. Sie pflanzten Palmen  in ihren Garten, die gab es bis zu diesem Zeitpunkt hier nicht, oder ließen sich neue Möbel aus dem wertvollen, dunklen Mahagoniholz bauen. Lloret muss damals nach Tabak, Kakao und Rum geduftet haben.

Anheuern Museu Lloret del Mar

Von den Auswanderern, die nicht so viel Glück hat, weiß die Geschichte leider nichts zu berichten. Im Museu del Mar gedenkt man ihrer aber trotzdem. An einer Fensterscheibe ist ein schöner Spruch angebracht.

Heimkehrer Indianos Lloret

 

Auf allen Stockwerken gibt es natürlich Schiffe zu sehen: kleine Modelle, Handwerkszeug, Nachbauten und Listen der damals gängigen Schiffstypen. Eine Galionsfigur hat es mir besonders angetan. Es ist kein wilder Drachen, keine furchterregende Fratze. Es ist auch keine sexy Meerjungfrau, die sich da am Bug eines Schiffes räkelt. Die Galionsfigur der Corvette Aurora Blanca, die übrigens erstaunlich gut erhalten ist, stellt ein total brav aussehendes Mädchen dar.  Merkwürdig, oder? Von Anna erfahre ich auch diese Geschichte.

Einer der reichen Indianos, der Kapitän und Schiffseigner Silvestre Parés, wollte unbedingt seine Tochter als Galionsfigur verewigen. Geld genug hatte er sicher, für so eine kapriziöse Extrawurst. Das Schiff wurde also gebaut. Aber dann lief es mit dem Handel nicht mehr so gut. Mit der Erfindung der modernen Dampfschiffe wurde der Niedergang der alten Segler eingeläutet. Ob es daran lag oder an irgendeinem anderen Missgeschick, weiss man nicht so genau. Fest steht, das Boot blieb lange Zeit im Hafen, bis es schließlich nach Venezuela verkauft wurde. Die Galionsfigur behilt der stolze Papa allerdings. Und da sie kaum je wirklich auf See war, blieb die Figur eben so gut erhalten.

Für Lloret bedeuteten die Erfindungen der Neuzeit und der mehr oder weniger gleichzeitige Verlust der Kolonien in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts, einen wirtschaftlichen Niedergang. Man wandte sich wieder dem Fischfang zu, bis in den fünziger Jahren der Boom des Tourismus begann.

Galeonsfigur Museu del Mar Lloret

Nach dem Besuch des Museu del Mar spaziere ich mit Bibiane auf dem alten Camí de Rondes. Aber das ist eine andere Geschichte. Nur so viel:  Auf einem Felsen im Hafen Llorets steht eine Bronzestatue. Es ist eine winkende Frau, die aufs Meer hinausblickt, das Denkmal der Seefahrerfrau.  Als ich nach meiner kleinen Zeitreise im Museum daran vorbeikomme, bin ich ehrlich ein bisschen bewegt. Wie viele Frauen haben hier wohl vergeblich auf die Rückkehr ihrer Männer gewartet? Vielen anderen Menschen scheint es an diesem romantischen Plätzchen ähnlich wie mir gegangen zu sein: Überall hängen diese Verliebten-Schlösser, dabei gibt es weit und breit keine Brücke ;-).

Seemannsfrau - Bronzestatue in Lloret de Mar

Infos zum Museu del Mar:

Adresse Meeresmuseum
Camprodon i Arrieta, 2
17310 Lloret de Mar
Website: www.lloretdemar.org

Meeresmuseum Ausstellung Lloret

Lloret de Mar Museu del Mar

Museu del Mar Auswanderer Haendler und Heimkehrer

Museu del Mar Moebel aus der Karibik

Schiffsmodelle Museu del Mar Lloret